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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.


Erstes Kapitel.
Von der thierischen Natur überhaupt.
§. 600.

Ein organischer Körper, der im Zustande seiner unge-
hinderten ganzen Natur durch thierische bewegende
Kräfte seiner eignen thierischen Maschinen regieret wird,
heißt ein belebter thierischer Körper, ein belebtes
Thier, ein Thier in der weitesten Bedeutung.
Es
wird offenbar zum Voraus gesetzet, was erst erwiesen wer-
den sollte, wenn man den weitesten Begriff, welcher das
Thierreich vom Pflanzenreiche unterscheiden soll, enger ein-
schränket: denn es hat noch niemand dargethan, daß alle
Thiere eine Vorstellungskraft besäßen und durch thierische
Seelenkräfte regieret würden. B. M. §. 592. Hingegen
ist der allgemeine characteristische Unterschied der Pflanzen
und Thiere, nach welchem jedermann den Ausspruch thut,
ob ein organischer Körper zu diesen oder zu jenen gehöre,
kein andrer als der, ob sich derselbe in seinem natürlichen
Zustande entweder blos nach den bekannten physischen oder
mechanischen Gesetzen der Schwere, der anziehenden Kraft,
der Elasticität, des Mechanismus seiner Strucktur, u. s.
w. oder nach fremden Gesetzen beweget, ob eine Berüh-
rung, ein äußerer Eindruck in ihn, ihn nur so beweget,
wie wirs nach den uns bekannten physischen und mechani-
schen Gesetzen der Bewegung, von den Kräften dieses Ein-
drucks erwarten, oder ob davon eine Bewegung erfolget,
die uns zwingt, die Spur einer von diesem äußern Ein-
drucke in Wirkung gesetzten fremden Kraft zu erkennen,
welche ihn nach andern Gesetzen regieret. Man begehret
nicht zu läugnen, daß dieser Unterschied immer etwas Un-
bestimmtes enthalte: aber er ist gleichwohl in der Natur,
wir urtheilen darnach durchgängig, und lernen ihn nicht

eher
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.


Erſtes Kapitel.
Von der thieriſchen Natur uͤberhaupt.
§. 600.

Ein organiſcher Koͤrper, der im Zuſtande ſeiner unge-
hinderten ganzen Natur durch thieriſche bewegende
Kraͤfte ſeiner eignen thieriſchen Maſchinen regieret wird,
heißt ein belebter thieriſcher Koͤrper, ein belebtes
Thier, ein Thier in der weiteſten Bedeutung.
Es
wird offenbar zum Voraus geſetzet, was erſt erwieſen wer-
den ſollte, wenn man den weiteſten Begriff, welcher das
Thierreich vom Pflanzenreiche unterſcheiden ſoll, enger ein-
ſchraͤnket: denn es hat noch niemand dargethan, daß alle
Thiere eine Vorſtellungskraft beſaͤßen und durch thieriſche
Seelenkraͤfte regieret wuͤrden. B. M. §. 592. Hingegen
iſt der allgemeine characteriſtiſche Unterſchied der Pflanzen
und Thiere, nach welchem jedermann den Ausſpruch thut,
ob ein organiſcher Koͤrper zu dieſen oder zu jenen gehoͤre,
kein andrer als der, ob ſich derſelbe in ſeinem natuͤrlichen
Zuſtande entweder blos nach den bekannten phyſiſchen oder
mechaniſchen Geſetzen der Schwere, der anziehenden Kraft,
der Elaſticitaͤt, des Mechanismus ſeiner Strucktur, u. ſ.
w. oder nach fremden Geſetzen beweget, ob eine Beruͤh-
rung, ein aͤußerer Eindruck in ihn, ihn nur ſo beweget,
wie wirs nach den uns bekannten phyſiſchen und mechani-
ſchen Geſetzen der Bewegung, von den Kraͤften dieſes Ein-
drucks erwarten, oder ob davon eine Bewegung erfolget,
die uns zwingt, die Spur einer von dieſem aͤußern Ein-
drucke in Wirkung geſetzten fremden Kraft zu erkennen,
welche ihn nach andern Geſetzen regieret. Man begehret
nicht zu laͤugnen, daß dieſer Unterſchied immer etwas Un-
beſtimmtes enthalte: aber er iſt gleichwohl in der Natur,
wir urtheilen darnach durchgaͤngig, und lernen ihn nicht

eher
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[610/0634] III Th. Natur der Thiere im Ganzen. Erſtes Kapitel. Von der thieriſchen Natur uͤberhaupt. §. 600. Ein organiſcher Koͤrper, der im Zuſtande ſeiner unge- hinderten ganzen Natur durch thieriſche bewegende Kraͤfte ſeiner eignen thieriſchen Maſchinen regieret wird, heißt ein belebter thieriſcher Koͤrper, ein belebtes Thier, ein Thier in der weiteſten Bedeutung. Es wird offenbar zum Voraus geſetzet, was erſt erwieſen wer- den ſollte, wenn man den weiteſten Begriff, welcher das Thierreich vom Pflanzenreiche unterſcheiden ſoll, enger ein- ſchraͤnket: denn es hat noch niemand dargethan, daß alle Thiere eine Vorſtellungskraft beſaͤßen und durch thieriſche Seelenkraͤfte regieret wuͤrden. B. M. §. 592. Hingegen iſt der allgemeine characteriſtiſche Unterſchied der Pflanzen und Thiere, nach welchem jedermann den Ausſpruch thut, ob ein organiſcher Koͤrper zu dieſen oder zu jenen gehoͤre, kein andrer als der, ob ſich derſelbe in ſeinem natuͤrlichen Zuſtande entweder blos nach den bekannten phyſiſchen oder mechaniſchen Geſetzen der Schwere, der anziehenden Kraft, der Elaſticitaͤt, des Mechanismus ſeiner Strucktur, u. ſ. w. oder nach fremden Geſetzen beweget, ob eine Beruͤh- rung, ein aͤußerer Eindruck in ihn, ihn nur ſo beweget, wie wirs nach den uns bekannten phyſiſchen und mechani- ſchen Geſetzen der Bewegung, von den Kraͤften dieſes Ein- drucks erwarten, oder ob davon eine Bewegung erfolget, die uns zwingt, die Spur einer von dieſem aͤußern Ein- drucke in Wirkung geſetzten fremden Kraft zu erkennen, welche ihn nach andern Geſetzen regieret. Man begehret nicht zu laͤugnen, daß dieſer Unterſchied immer etwas Un- beſtimmtes enthalte: aber er iſt gleichwohl in der Natur, wir urtheilen darnach durchgaͤngig, und lernen ihn nicht eher

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/634>, abgerufen am 21.11.2024.