lenwirkungen erreget; und von neugebornen Thieren, die noch nicht die äußern sinnlichen Eindrücke, die sie durch Erregung des Triebes veranlassen, empfinden können, als bloße Nervenwirkungen derselben bewerkstelliget werden kön- nen. Alle die Handlungen also, die ein Thier durch sei- ne Haupt- und Nebentriebe characterisiren, und seine Haupt- neigungen und den sinnlichen Character bestimmen, §. 295. können demnach nicht zum Beweise hinlänglich seyn, daß solche Thiere durch wahre Triebe regieret werden, ja nicht einmal, daß sie eine Vorstellungskraft besitzen, oder em- pfinden. (S. §. 437 -- 440.
§. 562.
Die Affektentriebe sind nichts anders, als Triebe aus dunkeln sinnlichen Reizungen, die aber im Fortgange des Triebes klar erkannt werden. §. 298. Jhre Seelenwir- kungen sind eben dieselben, wie bey den Trieben, nur wer- den die zufälligen Seelenwirkungen der Affektentriebe mehr nach psychologischen Gesetzen, als natürlich gezwungen her- vorgebracht. §. 297. Da sie aber gleichwohl im Triebe selbst und so nahe aus den äußern sinnlichen Eindrücken, die ihn formiren, entstehen; die Seelenwirkungen der Trie- be aber durch Nervenwirkungen derselben ersetzet werden, und in eben der Ordnung, als ob sie vom Willkühr her- rühreten, aufeinander folgen können; §. 552. so scheinen diese zufälligen Seelenwirkungen die Affektentriebe in die- ser Verhältniß von den Trieben selbst nicht sehr zu unter- scheiden, und sie werden durch die Nervenkräfte eben so er- setzet, wie die Triebe. §. 561. Das, was ein denkendes Thier, aus Todesangst, zu seiner Rettung, §. 299. aus Hunger, mit Raubgier, §. 300. zur Nothwehr, mit Rach- gier, §. 301. aus Wollust, mit Geilheit, §. 302. aus Aelternliebe, mit Fürsorge und Wachsamkeit, §. 303. etc. unternimmt, dazu kann ein andres durch die bloßen Ner- venkräfte der von der Natur in vorherbestimmter Ordnung aufeinander folgenden äußern sinnlichen Eindrücke gereizet
werden.
II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
lenwirkungen erreget; und von neugebornen Thieren, die noch nicht die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, die ſie durch Erregung des Triebes veranlaſſen, empfinden koͤnnen, als bloße Nervenwirkungen derſelben bewerkſtelliget werden koͤn- nen. Alle die Handlungen alſo, die ein Thier durch ſei- ne Haupt- und Nebentriebe characteriſiren, und ſeine Haupt- neigungen und den ſinnlichen Character beſtimmen, §. 295. koͤnnen demnach nicht zum Beweiſe hinlaͤnglich ſeyn, daß ſolche Thiere durch wahre Triebe regieret werden, ja nicht einmal, daß ſie eine Vorſtellungskraft beſitzen, oder em- pfinden. (S. §. 437 — 440.
§. 562.
Die Affektentriebe ſind nichts anders, als Triebe aus dunkeln ſinnlichen Reizungen, die aber im Fortgange des Triebes klar erkannt werden. §. 298. Jhre Seelenwir- kungen ſind eben dieſelben, wie bey den Trieben, nur wer- den die zufaͤlligen Seelenwirkungen der Affektentriebe mehr nach pſychologiſchen Geſetzen, als natuͤrlich gezwungen her- vorgebracht. §. 297. Da ſie aber gleichwohl im Triebe ſelbſt und ſo nahe aus den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken, die ihn formiren, entſtehen; die Seelenwirkungen der Trie- be aber durch Nervenwirkungen derſelben erſetzet werden, und in eben der Ordnung, als ob ſie vom Willkuͤhr her- ruͤhreten, aufeinander folgen koͤnnen; §. 552. ſo ſcheinen dieſe zufaͤlligen Seelenwirkungen die Affektentriebe in die- ſer Verhaͤltniß von den Trieben ſelbſt nicht ſehr zu unter- ſcheiden, und ſie werden durch die Nervenkraͤfte eben ſo er- ſetzet, wie die Triebe. §. 561. Das, was ein denkendes Thier, aus Todesangſt, zu ſeiner Rettung, §. 299. aus Hunger, mit Raubgier, §. 300. zur Nothwehr, mit Rach- gier, §. 301. aus Wolluſt, mit Geilheit, §. 302. aus Aelternliebe, mit Fuͤrſorge und Wachſamkeit, §. 303. ꝛc. unternimmt, dazu kann ein andres durch die bloßen Ner- venkraͤfte der von der Natur in vorherbeſtimmter Ordnung aufeinander folgenden aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke gereizet
werden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0586"n="562"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II</hi> Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.</hi></fw><lb/>
lenwirkungen erreget; und von neugebornen Thieren, die<lb/>
noch nicht die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, die ſie durch<lb/>
Erregung des Triebes veranlaſſen, empfinden koͤnnen, als<lb/>
bloße Nervenwirkungen derſelben bewerkſtelliget werden koͤn-<lb/>
nen. Alle die Handlungen alſo, die ein Thier durch ſei-<lb/>
ne Haupt- und Nebentriebe characteriſiren, und ſeine Haupt-<lb/>
neigungen und den ſinnlichen Character beſtimmen, §. 295.<lb/>
koͤnnen demnach nicht zum Beweiſe hinlaͤnglich ſeyn, daß<lb/>ſolche Thiere durch wahre Triebe regieret werden, ja nicht<lb/>
einmal, daß ſie eine Vorſtellungskraft beſitzen, oder em-<lb/>
pfinden. (S. §. 437 — 440.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 562.</head><lb/><p>Die <hirendition="#fr">Affektentriebe</hi>ſind nichts anders, als Triebe aus<lb/>
dunkeln ſinnlichen Reizungen, die aber im Fortgange des<lb/>
Triebes klar erkannt werden. §. 298. Jhre Seelenwir-<lb/>
kungen ſind eben dieſelben, wie bey den Trieben, nur wer-<lb/>
den die zufaͤlligen Seelenwirkungen der Affektentriebe mehr<lb/>
nach pſychologiſchen Geſetzen, als natuͤrlich gezwungen her-<lb/>
vorgebracht. §. 297. Da ſie aber gleichwohl im Triebe<lb/>ſelbſt und ſo nahe aus den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken,<lb/>
die ihn formiren, entſtehen; die Seelenwirkungen der Trie-<lb/>
be aber durch Nervenwirkungen derſelben erſetzet werden,<lb/>
und in eben der Ordnung, als ob ſie vom Willkuͤhr her-<lb/>
ruͤhreten, aufeinander folgen koͤnnen; §. 552. ſo ſcheinen<lb/>
dieſe zufaͤlligen Seelenwirkungen die Affektentriebe in die-<lb/>ſer Verhaͤltniß von den Trieben ſelbſt nicht ſehr zu unter-<lb/>ſcheiden, und ſie werden durch die Nervenkraͤfte eben ſo er-<lb/>ſetzet, wie die Triebe. §. 561. Das, was ein denkendes<lb/>
Thier, aus Todesangſt, zu ſeiner Rettung, §. 299. aus<lb/>
Hunger, mit Raubgier, §. 300. zur Nothwehr, mit Rach-<lb/>
gier, §. 301. aus Wolluſt, mit Geilheit, §. 302. aus<lb/>
Aelternliebe, mit Fuͤrſorge und Wachſamkeit, §. 303. ꝛc.<lb/>
unternimmt, dazu kann ein andres durch die bloßen Ner-<lb/>
venkraͤfte der von der Natur in vorherbeſtimmter Ordnung<lb/>
aufeinander folgenden aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke gereizet<lb/><fwplace="bottom"type="catch">werden.</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[562/0586]
II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
lenwirkungen erreget; und von neugebornen Thieren, die
noch nicht die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, die ſie durch
Erregung des Triebes veranlaſſen, empfinden koͤnnen, als
bloße Nervenwirkungen derſelben bewerkſtelliget werden koͤn-
nen. Alle die Handlungen alſo, die ein Thier durch ſei-
ne Haupt- und Nebentriebe characteriſiren, und ſeine Haupt-
neigungen und den ſinnlichen Character beſtimmen, §. 295.
koͤnnen demnach nicht zum Beweiſe hinlaͤnglich ſeyn, daß
ſolche Thiere durch wahre Triebe regieret werden, ja nicht
einmal, daß ſie eine Vorſtellungskraft beſitzen, oder em-
pfinden. (S. §. 437 — 440.
§. 562.
Die Affektentriebe ſind nichts anders, als Triebe aus
dunkeln ſinnlichen Reizungen, die aber im Fortgange des
Triebes klar erkannt werden. §. 298. Jhre Seelenwir-
kungen ſind eben dieſelben, wie bey den Trieben, nur wer-
den die zufaͤlligen Seelenwirkungen der Affektentriebe mehr
nach pſychologiſchen Geſetzen, als natuͤrlich gezwungen her-
vorgebracht. §. 297. Da ſie aber gleichwohl im Triebe
ſelbſt und ſo nahe aus den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken,
die ihn formiren, entſtehen; die Seelenwirkungen der Trie-
be aber durch Nervenwirkungen derſelben erſetzet werden,
und in eben der Ordnung, als ob ſie vom Willkuͤhr her-
ruͤhreten, aufeinander folgen koͤnnen; §. 552. ſo ſcheinen
dieſe zufaͤlligen Seelenwirkungen die Affektentriebe in die-
ſer Verhaͤltniß von den Trieben ſelbſt nicht ſehr zu unter-
ſcheiden, und ſie werden durch die Nervenkraͤfte eben ſo er-
ſetzet, wie die Triebe. §. 561. Das, was ein denkendes
Thier, aus Todesangſt, zu ſeiner Rettung, §. 299. aus
Hunger, mit Raubgier, §. 300. zur Nothwehr, mit Rach-
gier, §. 301. aus Wolluſt, mit Geilheit, §. 302. aus
Aelternliebe, mit Fuͤrſorge und Wachſamkeit, §. 303. ꝛc.
unternimmt, dazu kann ein andres durch die bloßen Ner-
venkraͤfte der von der Natur in vorherbeſtimmter Ordnung
aufeinander folgenden aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke gereizet
werden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/586>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.