Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

1 Abschn. überhaupt.
darinn liegt, daß jeder solcher Eindruck in einen besondern
Faden des Nerven geschieht, welcher, ohne sich mit andern
zu vermischen, zu der ihm bestimmten mechanischen Ma-
schine hingelanget, wie solches schon oben §. 125. erkläret
worden ist. Könnte man also wissen, welche besondre Fa-
den eines Nerven eine gewisse Vorstellung innerlich sinnlich
rühret, wenn sie eine gewisse Bewegung einer mechanischen
Maschine als eine Seelenwirkung hervorbringt; so würde
man, wenn man eben denselben Faden im Rückenmarke
oder in einem weiter entfernten Stamme des Nerven, wo-
zu er gehöret, reizete, eben dieselbe Bewegung durch einen
innern sinnlichen Eindruck ohne Vorstellungen, als seine
Nervenwirkung erregen, und eben dasselbe würde in meh-
rern mechanischen Maschinen zugleich erfolgen, wenn man
in einem solchen gemeinschaftlichen Stamme mehrere Ner-
venfaden zugleich innerlich sinnlich reizete, ohne daß eine
Wirkung die andre hindern sollte. Es ist blos darum un-
möglich, dieses durch Versuche darzuthun, weil wir die
verschiedenen ableitenden Faden der Nerven nicht kennen,
noch unterscheiden, weil wir nicht wissen, in welche eine be-
sondre Vorstellung eigentlich wirket, und weil die Berüh-
rung eines einzigen ableitenden Nervenfadens vielleicht viel
feinere Werkzeuge erfodern würde, als wir dazu gebrauchen.

§. 487.

So wenig als innere sinnliche Eindrücke von Vorstel-
lungen auf ihrem Wege herab nach den Nervenspitzen von
den zugleich in eben demselben Nerven aufsteigenden äu-
ßern sinnlichen Eindrücken in ihrem Fortgange gehindert
werden, §. 126. so wenig muß es auch bey innern sinnli-
chen Eindrücken ohne Vorstellungen geschehen, weil es
gleich viel ist, ob der Reiz einer materiellen Jdee im Ge-
hirne, oder der von einer andern Berührung des Nerven-
marks, es sey im Gehirne, oder im Stamme des Nerven,
den innern sinnlichen Eindruck machet, §. 360. und weil
der wahrscheinliche Grund dieser Erscheinung, nämlich die

natür-
H h 2

1 Abſchn. uͤberhaupt.
darinn liegt, daß jeder ſolcher Eindruck in einen beſondern
Faden des Nerven geſchieht, welcher, ohne ſich mit andern
zu vermiſchen, zu der ihm beſtimmten mechaniſchen Ma-
ſchine hingelanget, wie ſolches ſchon oben §. 125. erklaͤret
worden iſt. Koͤnnte man alſo wiſſen, welche beſondre Fa-
den eines Nerven eine gewiſſe Vorſtellung innerlich ſinnlich
ruͤhret, wenn ſie eine gewiſſe Bewegung einer mechaniſchen
Maſchine als eine Seelenwirkung hervorbringt; ſo wuͤrde
man, wenn man eben denſelben Faden im Ruͤckenmarke
oder in einem weiter entfernten Stamme des Nerven, wo-
zu er gehoͤret, reizete, eben dieſelbe Bewegung durch einen
innern ſinnlichen Eindruck ohne Vorſtellungen, als ſeine
Nervenwirkung erregen, und eben daſſelbe wuͤrde in meh-
rern mechaniſchen Maſchinen zugleich erfolgen, wenn man
in einem ſolchen gemeinſchaftlichen Stamme mehrere Ner-
venfaden zugleich innerlich ſinnlich reizete, ohne daß eine
Wirkung die andre hindern ſollte. Es iſt blos darum un-
moͤglich, dieſes durch Verſuche darzuthun, weil wir die
verſchiedenen ableitenden Faden der Nerven nicht kennen,
noch unterſcheiden, weil wir nicht wiſſen, in welche eine be-
ſondre Vorſtellung eigentlich wirket, und weil die Beruͤh-
rung eines einzigen ableitenden Nervenfadens vielleicht viel
feinere Werkzeuge erfodern wuͤrde, als wir dazu gebrauchen.

§. 487.

So wenig als innere ſinnliche Eindruͤcke von Vorſtel-
lungen auf ihrem Wege herab nach den Nervenſpitzen von
den zugleich in eben demſelben Nerven aufſteigenden aͤu-
ßern ſinnlichen Eindruͤcken in ihrem Fortgange gehindert
werden, §. 126. ſo wenig muß es auch bey innern ſinnli-
chen Eindruͤcken ohne Vorſtellungen geſchehen, weil es
gleich viel iſt, ob der Reiz einer materiellen Jdee im Ge-
hirne, oder der von einer andern Beruͤhrung des Nerven-
marks, es ſey im Gehirne, oder im Stamme des Nerven,
den innern ſinnlichen Eindruck machet, §. 360. und weil
der wahrſcheinliche Grund dieſer Erſcheinung, naͤmlich die

natuͤr-
H h 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0507" n="483"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">1 Ab&#x017F;chn. u&#x0364;berhaupt.</hi></fw><lb/>
darinn liegt, daß jeder &#x017F;olcher Eindruck in einen be&#x017F;ondern<lb/>
Faden des Nerven ge&#x017F;chieht, welcher, ohne &#x017F;ich mit andern<lb/>
zu vermi&#x017F;chen, zu der ihm be&#x017F;timmten mechani&#x017F;chen Ma-<lb/>
&#x017F;chine hingelanget, wie &#x017F;olches &#x017F;chon oben §. 125. erkla&#x0364;ret<lb/>
worden i&#x017F;t. Ko&#x0364;nnte man al&#x017F;o wi&#x017F;&#x017F;en, welche be&#x017F;ondre Fa-<lb/>
den eines Nerven eine gewi&#x017F;&#x017F;e Vor&#x017F;tellung innerlich &#x017F;innlich<lb/>
ru&#x0364;hret, wenn &#x017F;ie eine gewi&#x017F;&#x017F;e Bewegung einer mechani&#x017F;chen<lb/>
Ma&#x017F;chine als eine Seelenwirkung hervorbringt; &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
man, wenn man eben den&#x017F;elben Faden im Ru&#x0364;ckenmarke<lb/>
oder in einem weiter entfernten Stamme des Nerven, wo-<lb/>
zu er geho&#x0364;ret, reizete, eben die&#x017F;elbe Bewegung durch einen<lb/>
innern &#x017F;innlichen Eindruck ohne Vor&#x017F;tellungen, als &#x017F;eine<lb/>
Nervenwirkung erregen, und eben da&#x017F;&#x017F;elbe wu&#x0364;rde in meh-<lb/>
rern mechani&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen zugleich erfolgen, wenn man<lb/>
in einem &#x017F;olchen gemein&#x017F;chaftlichen Stamme mehrere Ner-<lb/>
venfaden zugleich innerlich &#x017F;innlich reizete, ohne daß eine<lb/>
Wirkung die andre hindern &#x017F;ollte. Es i&#x017F;t blos darum un-<lb/>
mo&#x0364;glich, die&#x017F;es durch Ver&#x017F;uche darzuthun, weil wir die<lb/>
ver&#x017F;chiedenen ableitenden Faden der Nerven nicht kennen,<lb/>
noch unter&#x017F;cheiden, weil wir nicht wi&#x017F;&#x017F;en, in welche eine be-<lb/>
&#x017F;ondre Vor&#x017F;tellung eigentlich wirket, und weil die Beru&#x0364;h-<lb/>
rung eines einzigen ableitenden Nervenfadens vielleicht viel<lb/>
feinere Werkzeuge erfodern wu&#x0364;rde, als wir dazu gebrauchen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 487.</head><lb/>
              <p>So wenig als innere &#x017F;innliche Eindru&#x0364;cke von Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen auf ihrem Wege herab nach den Nerven&#x017F;pitzen von<lb/>
den zugleich in eben dem&#x017F;elben Nerven auf&#x017F;teigenden a&#x0364;u-<lb/>
ßern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cken in ihrem Fortgange gehindert<lb/>
werden, §. 126. &#x017F;o wenig muß es auch bey innern &#x017F;innli-<lb/>
chen Eindru&#x0364;cken ohne Vor&#x017F;tellungen ge&#x017F;chehen, weil es<lb/>
gleich viel i&#x017F;t, ob der Reiz einer materiellen Jdee im Ge-<lb/>
hirne, oder der von einer andern Beru&#x0364;hrung des Nerven-<lb/>
marks, es &#x017F;ey im Gehirne, oder im Stamme des Nerven,<lb/>
den innern &#x017F;innlichen Eindruck machet, §. 360. und weil<lb/>
der wahr&#x017F;cheinliche Grund die&#x017F;er Er&#x017F;cheinung, na&#x0364;mlich die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H h 2</fw><fw place="bottom" type="catch">natu&#x0364;r-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[483/0507] 1 Abſchn. uͤberhaupt. darinn liegt, daß jeder ſolcher Eindruck in einen beſondern Faden des Nerven geſchieht, welcher, ohne ſich mit andern zu vermiſchen, zu der ihm beſtimmten mechaniſchen Ma- ſchine hingelanget, wie ſolches ſchon oben §. 125. erklaͤret worden iſt. Koͤnnte man alſo wiſſen, welche beſondre Fa- den eines Nerven eine gewiſſe Vorſtellung innerlich ſinnlich ruͤhret, wenn ſie eine gewiſſe Bewegung einer mechaniſchen Maſchine als eine Seelenwirkung hervorbringt; ſo wuͤrde man, wenn man eben denſelben Faden im Ruͤckenmarke oder in einem weiter entfernten Stamme des Nerven, wo- zu er gehoͤret, reizete, eben dieſelbe Bewegung durch einen innern ſinnlichen Eindruck ohne Vorſtellungen, als ſeine Nervenwirkung erregen, und eben daſſelbe wuͤrde in meh- rern mechaniſchen Maſchinen zugleich erfolgen, wenn man in einem ſolchen gemeinſchaftlichen Stamme mehrere Ner- venfaden zugleich innerlich ſinnlich reizete, ohne daß eine Wirkung die andre hindern ſollte. Es iſt blos darum un- moͤglich, dieſes durch Verſuche darzuthun, weil wir die verſchiedenen ableitenden Faden der Nerven nicht kennen, noch unterſcheiden, weil wir nicht wiſſen, in welche eine be- ſondre Vorſtellung eigentlich wirket, und weil die Beruͤh- rung eines einzigen ableitenden Nervenfadens vielleicht viel feinere Werkzeuge erfodern wuͤrde, als wir dazu gebrauchen. §. 487. So wenig als innere ſinnliche Eindruͤcke von Vorſtel- lungen auf ihrem Wege herab nach den Nervenſpitzen von den zugleich in eben demſelben Nerven aufſteigenden aͤu- ßern ſinnlichen Eindruͤcken in ihrem Fortgange gehindert werden, §. 126. ſo wenig muß es auch bey innern ſinnli- chen Eindruͤcken ohne Vorſtellungen geſchehen, weil es gleich viel iſt, ob der Reiz einer materiellen Jdee im Ge- hirne, oder der von einer andern Beruͤhrung des Nerven- marks, es ſey im Gehirne, oder im Stamme des Nerven, den innern ſinnlichen Eindruck machet, §. 360. und weil der wahrſcheinliche Grund dieſer Erſcheinung, naͤmlich die natuͤr- H h 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/507
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/507>, abgerufen am 21.11.2024.