Es scheint stets wunderbar, daß gleichwohl der bloße blinde äußere sinnliche Eindruck auf seinem Wege zum Ge- hirn gerade so in die Nebenzweige und andern Nerven re- flektiret wird, daß daraus Bewegungen entstehen, die die zufälligen und sinnlich willkührlichen Entschlüsse der Seele bewerkstelligen, wozu sie durch die Empfindung eben dessel- ben äußern sinnlichen Eindrucks veranlasset wird. Allein das Wunderbare ist darum nicht weniger gewiß, und be- ruhet mehr auf unsrer Unwissenheit in den Gesetzen der thie- rischen Natur und in dem Vorurtheile, daß alles, was durch Vorstellungen geschehen kann, auch immer dadurch geschehen müsse, als daß es in der Sache selbst läge. Eine gewisse bestimmte äußere Berührung kann einen gewissen äußern sinnlichen Eindruck machen, der im Nerven auf ei- ne sich unterscheidende Weise aufsteigt, wodurch er natür- lich nothwendig in gewissen Knoten oder Scheidepunkten reflektiret werden, und in einer entfernten Maschine eine mittelbare Nervenwirkung hervorbringen muß. Dieser besondre äußere sinnliche Eindruck kömmt nach dieser Wen- dung anders, als wenn er nicht, oder anders gewendet wor- den wäre, ins Gehirn, und erreget eine gewisse bestimmte äußere Empfindung, die eine ihr eigne Lust oder Unlust der Sinne in sich hält, wodurch die Seele zu einer sinnlichen Nebenvorstellung oder Begierde veranlasset wird, die sich mit auf eben dieselbe Bewegung bezieht, welche er als mit- telbare Nervenwirkung hervorbringt. Es muß nämlich in der äußern Empfindung desselben ein Merkmal für die Seele seyn, daß sie die in dem Reflexionspunkte geschehene Umkehrung desselben und die Kraft zu der daraus folgen- den mittelbaren Nervenwirkung mit empfindet, und daß sie dadurch zu der sinnlichen Nebenbegierde veranlasset wird, dieselbe Bewegung willkührlich zu bewerkstelligen, welches dann auch alsobald geschieht, da sie die Begierden zu will- kührlichen Bewegungen eigenmächtig befriedigen kann. §. 283. Auf solche Weise wird die mittelbare Nervenwir-
kung
II Th. Nervenk. 2 Kap. des aͤuß. ſinnl. Eindr.
§. 438.
Es ſcheint ſtets wunderbar, daß gleichwohl der bloße blinde aͤußere ſinnliche Eindruck auf ſeinem Wege zum Ge- hirn gerade ſo in die Nebenzweige und andern Nerven re- flektiret wird, daß daraus Bewegungen entſtehen, die die zufaͤlligen und ſinnlich willkuͤhrlichen Entſchluͤſſe der Seele bewerkſtelligen, wozu ſie durch die Empfindung eben deſſel- ben aͤußern ſinnlichen Eindrucks veranlaſſet wird. Allein das Wunderbare iſt darum nicht weniger gewiß, und be- ruhet mehr auf unſrer Unwiſſenheit in den Geſetzen der thie- riſchen Natur und in dem Vorurtheile, daß alles, was durch Vorſtellungen geſchehen kann, auch immer dadurch geſchehen muͤſſe, als daß es in der Sache ſelbſt laͤge. Eine gewiſſe beſtimmte aͤußere Beruͤhrung kann einen gewiſſen aͤußern ſinnlichen Eindruck machen, der im Nerven auf ei- ne ſich unterſcheidende Weiſe aufſteigt, wodurch er natuͤr- lich nothwendig in gewiſſen Knoten oder Scheidepunkten reflektiret werden, und in einer entfernten Maſchine eine mittelbare Nervenwirkung hervorbringen muß. Dieſer beſondre aͤußere ſinnliche Eindruck koͤmmt nach dieſer Wen- dung anders, als wenn er nicht, oder anders gewendet wor- den waͤre, ins Gehirn, und erreget eine gewiſſe beſtimmte aͤußere Empfindung, die eine ihr eigne Luſt oder Unluſt der Sinne in ſich haͤlt, wodurch die Seele zu einer ſinnlichen Nebenvorſtellung oder Begierde veranlaſſet wird, die ſich mit auf eben dieſelbe Bewegung bezieht, welche er als mit- telbare Nervenwirkung hervorbringt. Es muß naͤmlich in der aͤußern Empfindung deſſelben ein Merkmal fuͤr die Seele ſeyn, daß ſie die in dem Reflexionspunkte geſchehene Umkehrung deſſelben und die Kraft zu der daraus folgen- den mittelbaren Nervenwirkung mit empfindet, und daß ſie dadurch zu der ſinnlichen Nebenbegierde veranlaſſet wird, dieſelbe Bewegung willkuͤhrlich zu bewerkſtelligen, welches dann auch alſobald geſchieht, da ſie die Begierden zu will- kuͤhrlichen Bewegungen eigenmaͤchtig befriedigen kann. §. 283. Auf ſolche Weiſe wird die mittelbare Nervenwir-
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II Th. Nervenk. 2 Kap. des aͤuß. ſinnl. Eindr.
§. 438.
Es ſcheint ſtets wunderbar, daß gleichwohl der bloße
blinde aͤußere ſinnliche Eindruck auf ſeinem Wege zum Ge-
hirn gerade ſo in die Nebenzweige und andern Nerven re-
flektiret wird, daß daraus Bewegungen entſtehen, die die
zufaͤlligen und ſinnlich willkuͤhrlichen Entſchluͤſſe der Seele
bewerkſtelligen, wozu ſie durch die Empfindung eben deſſel-
ben aͤußern ſinnlichen Eindrucks veranlaſſet wird. Allein
das Wunderbare iſt darum nicht weniger gewiß, und be-
ruhet mehr auf unſrer Unwiſſenheit in den Geſetzen der thie-
riſchen Natur und in dem Vorurtheile, daß alles, was
durch Vorſtellungen geſchehen kann, auch immer dadurch
geſchehen muͤſſe, als daß es in der Sache ſelbſt laͤge. Eine
gewiſſe beſtimmte aͤußere Beruͤhrung kann einen gewiſſen
aͤußern ſinnlichen Eindruck machen, der im Nerven auf ei-
ne ſich unterſcheidende Weiſe aufſteigt, wodurch er natuͤr-
lich nothwendig in gewiſſen Knoten oder Scheidepunkten
reflektiret werden, und in einer entfernten Maſchine eine
mittelbare Nervenwirkung hervorbringen muß. Dieſer
beſondre aͤußere ſinnliche Eindruck koͤmmt nach dieſer Wen-
dung anders, als wenn er nicht, oder anders gewendet wor-
den waͤre, ins Gehirn, und erreget eine gewiſſe beſtimmte
aͤußere Empfindung, die eine ihr eigne Luſt oder Unluſt der
Sinne in ſich haͤlt, wodurch die Seele zu einer ſinnlichen
Nebenvorſtellung oder Begierde veranlaſſet wird, die ſich
mit auf eben dieſelbe Bewegung bezieht, welche er als mit-
telbare Nervenwirkung hervorbringt. Es muß naͤmlich
in der aͤußern Empfindung deſſelben ein Merkmal fuͤr die
Seele ſeyn, daß ſie die in dem Reflexionspunkte geſchehene
Umkehrung deſſelben und die Kraft zu der daraus folgen-
den mittelbaren Nervenwirkung mit empfindet, und daß
ſie dadurch zu der ſinnlichen Nebenbegierde veranlaſſet wird,
dieſelbe Bewegung willkuͤhrlich zu bewerkſtelligen, welches
dann auch alſobald geſchieht, da ſie die Begierden zu will-
kuͤhrlichen Bewegungen eigenmaͤchtig befriedigen kann. §.
283. Auf ſolche Weiſe wird die mittelbare Nervenwir-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/466>, abgerufen am 21.12.2024.
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