Keine Nervenkraft erfodert schlechterdings die Mitwir- kung der thierischen Seelenkräfte des Gehirns. §. 358. 360. Also können alle Nervenwirkungen in den thierischen Maschinen und durch sie in den mechanischen ohne die thie- rische Seelenkraft des Gehirns erfolgen, und in Absicht dieser können sie ohne alles Gehirn Statt finden. Man kann demnach nicht schließen:
1. Welche Wirkungen nicht vom beseelten Gehirne her- rühren können, die sind keine thierische, oder keine Nerven- wirkungen; oder: wenn das beseelte Gehirn vom Körper getrennet ist, so können im Körper keine thierische, oder keine Nervenwirkungen erfolgen.
2. Welche sinnliche Eindrücke nicht vorgestellet, (em- pfunden) werden, nicht bis ins Gehirn gelangen, die kön- nen keine thierische, oder keine Nervenwirkungen hervor- bringen.
3. Welche sinnliche Eindrücke nicht von Vorstellun- gen gewirket werden, nicht von materiellen Jdeen im Ge- hirne herrühren, die können keine thierische, oder keine Ner- venwirkungen verursachen.
Bey dem Allen ist hier ein wichtiger Unterschied wahr- zunehmen. Die Nervenwirkungen erfodern die Gegen- wart und freye Wirkung der Lebensgeister in den thierischen Maschinen. §. 357. 359. Die Markrinde des Gehirns sondert aber die Lebensgeister vom Blute ab, und verthei- let sie in den thierischen Maschinen. §. 159. Jn so fern kann man also sie und das Gehirn auch den Nervenkräften für nothwendig halten. Allein wiederum ist theils nicht bey allen Thieren das Gehirn die Absonderungsmaschine der Lebensgeister: denn es giebt deren, die kein Gehirn und kei- nen abgesonderten Kopf, dem ungeachtet aber Nervenkräfte haben, und bey welchen aller Wahrscheinlichkeit nach die Lebensgeister in allen Theilen des Systems ihrer thierischen Maschinen, in jedem Nerven, vielleicht in jedem Nerven- knoten abgesondert werden, weil ihre abgeschnittenen Glie-
der
II Th. Nervenkraͤfte.
§. 362.
Keine Nervenkraft erfodert ſchlechterdings die Mitwir- kung der thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns. §. 358. 360. Alſo koͤnnen alle Nervenwirkungen in den thieriſchen Maſchinen und durch ſie in den mechaniſchen ohne die thie- riſche Seelenkraft des Gehirns erfolgen, und in Abſicht dieſer koͤnnen ſie ohne alles Gehirn Statt finden. Man kann demnach nicht ſchließen:
1. Welche Wirkungen nicht vom beſeelten Gehirne her- ruͤhren koͤnnen, die ſind keine thieriſche, oder keine Nerven- wirkungen; oder: wenn das beſeelte Gehirn vom Koͤrper getrennet iſt, ſo koͤnnen im Koͤrper keine thieriſche, oder keine Nervenwirkungen erfolgen.
2. Welche ſinnliche Eindruͤcke nicht vorgeſtellet, (em- pfunden) werden, nicht bis ins Gehirn gelangen, die koͤn- nen keine thieriſche, oder keine Nervenwirkungen hervor- bringen.
3. Welche ſinnliche Eindruͤcke nicht von Vorſtellun- gen gewirket werden, nicht von materiellen Jdeen im Ge- hirne herruͤhren, die koͤnnen keine thieriſche, oder keine Ner- venwirkungen verurſachen.
Bey dem Allen iſt hier ein wichtiger Unterſchied wahr- zunehmen. Die Nervenwirkungen erfodern die Gegen- wart und freye Wirkung der Lebensgeiſter in den thieriſchen Maſchinen. §. 357. 359. Die Markrinde des Gehirns ſondert aber die Lebensgeiſter vom Blute ab, und verthei- let ſie in den thieriſchen Maſchinen. §. 159. Jn ſo fern kann man alſo ſie und das Gehirn auch den Nervenkraͤften fuͤr nothwendig halten. Allein wiederum iſt theils nicht bey allen Thieren das Gehirn die Abſonderungsmaſchine der Lebensgeiſter: denn es giebt deren, die kein Gehirn und kei- nen abgeſonderten Kopf, dem ungeachtet aber Nervenkraͤfte haben, und bey welchen aller Wahrſcheinlichkeit nach die Lebensgeiſter in allen Theilen des Syſtems ihrer thieriſchen Maſchinen, in jedem Nerven, vielleicht in jedem Nerven- knoten abgeſondert werden, weil ihre abgeſchnittenen Glie-
der
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II Th. Nervenkraͤfte.
§. 362.
Keine Nervenkraft erfodert ſchlechterdings die Mitwir-
kung der thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns. §. 358.
360. Alſo koͤnnen alle Nervenwirkungen in den thieriſchen
Maſchinen und durch ſie in den mechaniſchen ohne die thie-
riſche Seelenkraft des Gehirns erfolgen, und in Abſicht
dieſer koͤnnen ſie ohne alles Gehirn Statt finden. Man
kann demnach nicht ſchließen:
1. Welche Wirkungen nicht vom beſeelten Gehirne her-
ruͤhren koͤnnen, die ſind keine thieriſche, oder keine Nerven-
wirkungen; oder: wenn das beſeelte Gehirn vom Koͤrper
getrennet iſt, ſo koͤnnen im Koͤrper keine thieriſche, oder
keine Nervenwirkungen erfolgen.
2. Welche ſinnliche Eindruͤcke nicht vorgeſtellet, (em-
pfunden) werden, nicht bis ins Gehirn gelangen, die koͤn-
nen keine thieriſche, oder keine Nervenwirkungen hervor-
bringen.
3. Welche ſinnliche Eindruͤcke nicht von Vorſtellun-
gen gewirket werden, nicht von materiellen Jdeen im Ge-
hirne herruͤhren, die koͤnnen keine thieriſche, oder keine Ner-
venwirkungen verurſachen.
Bey dem Allen iſt hier ein wichtiger Unterſchied wahr-
zunehmen. Die Nervenwirkungen erfodern die Gegen-
wart und freye Wirkung der Lebensgeiſter in den thieriſchen
Maſchinen. §. 357. 359. Die Markrinde des Gehirns
ſondert aber die Lebensgeiſter vom Blute ab, und verthei-
let ſie in den thieriſchen Maſchinen. §. 159. Jn ſo fern
kann man alſo ſie und das Gehirn auch den Nervenkraͤften
fuͤr nothwendig halten. Allein wiederum iſt theils nicht bey
allen Thieren das Gehirn die Abſonderungsmaſchine der
Lebensgeiſter: denn es giebt deren, die kein Gehirn und kei-
nen abgeſonderten Kopf, dem ungeachtet aber Nervenkraͤfte
haben, und bey welchen aller Wahrſcheinlichkeit nach die
Lebensgeiſter in allen Theilen des Syſtems ihrer thieriſchen
Maſchinen, in jedem Nerven, vielleicht in jedem Nerven-
knoten abgeſondert werden, weil ihre abgeſchnittenen Glie-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/378>, abgerufen am 21.11.2024.
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