es also wohl zu verwundern, daß Zorn und Rachgier, auch schon um dieser Folgen ihrer Unlust willen, höchst unge- sunde, ja tödtliche Leidenschaften sind, §. 259. wie die Er- fahrung häufig lehret. Vermöge des allgemeinen Zusam- menhangs der physischen, mechanischen und thierischen Kräfte entstehen aus dieser Zerrüttung der Lebensbewegun- gen, natürlicher Weise ein heftiger Schweiß, oder doch ei- ne unmäßige Blutwallung, Steckflüsse, Entzündungen in den Eingeweiden, Schlagflüsse von Zerreissung der Blut- gefäße im Gehirne, Entzündungen in der Haut, (Roth- lauf,) Unterlaufungen von Blut, Rasereyen von Entzün- dungen, besonders des Gehirns, hitzige Fieber, u. s. w. Dagegen kann es sich auch eben so natürlich passen, daß andre Krankheiten, besonders langwierige, und Versto- pfungen in den Eingeweiden, durch diese Leidenschaften cu- riret werden, wovon es Beyspiele genug giebt. §. 259.
§. 324.
Die Seelenwirkungen der Vorhersehungen in diesen Leidenschaften und ihrer Nebenvorstellungen, Triebe und Leidenschaften, können einen eben so starken und bald glück- lichen, bald unglücklichen Einfluß für die Gesundheit und Leben im thierischen Körper haben, da die meisten von ih- nen ebenfalls von großer Stärke sind. §. 259. Gemei- niglich gesellet sich die Rachgier, als eine Nebenleiden- schaft zum Zorne, wie sie sich als ein Affektentrieb zum Vertheidigungstriebe zu gesellen pfleget, §. 301. und da sie in diesem Falle eine durch den Zorn erregte heftige Be- gierde ist, einem andern, auf den man zürnet, Schaden oder Beleidigung zuzufügen, §. 309. mithin sich der da- zu bequemen Mittel zweckmäßig hierzu zu bedienen; so ver- mischen sich die zweckmäßigen Bemühungen dieser Begier- de mit denen von der Vorhersehung beym Zorne und die Seelenwirkungen beyder fließen in einander, ohne noch die, von vielen andern Nebenvorstellungen mit zu rechnen. Gleichwohl kann man in allen die Seelenwirkungen der Vorhersehung beym Zorne deutlich genug unterscheiden.
Denn
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
es alſo wohl zu verwundern, daß Zorn und Rachgier, auch ſchon um dieſer Folgen ihrer Unluſt willen, hoͤchſt unge- ſunde, ja toͤdtliche Leidenſchaften ſind, §. 259. wie die Er- fahrung haͤufig lehret. Vermoͤge des allgemeinen Zuſam- menhangs der phyſiſchen, mechaniſchen und thieriſchen Kraͤfte entſtehen aus dieſer Zerruͤttung der Lebensbewegun- gen, natuͤrlicher Weiſe ein heftiger Schweiß, oder doch ei- ne unmaͤßige Blutwallung, Steckfluͤſſe, Entzuͤndungen in den Eingeweiden, Schlagfluͤſſe von Zerreiſſung der Blut- gefaͤße im Gehirne, Entzuͤndungen in der Haut, (Roth- lauf,) Unterlaufungen von Blut, Raſereyen von Entzuͤn- dungen, beſonders des Gehirns, hitzige Fieber, u. ſ. w. Dagegen kann es ſich auch eben ſo natuͤrlich paſſen, daß andre Krankheiten, beſonders langwierige, und Verſto- pfungen in den Eingeweiden, durch dieſe Leidenſchaften cu- riret werden, wovon es Beyſpiele genug giebt. §. 259.
§. 324.
Die Seelenwirkungen der Vorherſehungen in dieſen Leidenſchaften und ihrer Nebenvorſtellungen, Triebe und Leidenſchaften, koͤnnen einen eben ſo ſtarken und bald gluͤck- lichen, bald ungluͤcklichen Einfluß fuͤr die Geſundheit und Leben im thieriſchen Koͤrper haben, da die meiſten von ih- nen ebenfalls von großer Staͤrke ſind. §. 259. Gemei- niglich geſellet ſich die Rachgier, als eine Nebenleiden- ſchaft zum Zorne, wie ſie ſich als ein Affektentrieb zum Vertheidigungstriebe zu geſellen pfleget, §. 301. und da ſie in dieſem Falle eine durch den Zorn erregte heftige Be- gierde iſt, einem andern, auf den man zuͤrnet, Schaden oder Beleidigung zuzufuͤgen, §. 309. mithin ſich der da- zu bequemen Mittel zweckmaͤßig hierzu zu bedienen; ſo ver- miſchen ſich die zweckmaͤßigen Bemuͤhungen dieſer Begier- de mit denen von der Vorherſehung beym Zorne und die Seelenwirkungen beyder fließen in einander, ohne noch die, von vielen andern Nebenvorſtellungen mit zu rechnen. Gleichwohl kann man in allen die Seelenwirkungen der Vorherſehung beym Zorne deutlich genug unterſcheiden.
Denn
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
es alſo wohl zu verwundern, daß Zorn und Rachgier, auch
ſchon um dieſer Folgen ihrer Unluſt willen, hoͤchſt unge-
ſunde, ja toͤdtliche Leidenſchaften ſind, §. 259. wie die Er-
fahrung haͤufig lehret. Vermoͤge des allgemeinen Zuſam-
menhangs der phyſiſchen, mechaniſchen und thieriſchen
Kraͤfte entſtehen aus dieſer Zerruͤttung der Lebensbewegun-
gen, natuͤrlicher Weiſe ein heftiger Schweiß, oder doch ei-
ne unmaͤßige Blutwallung, Steckfluͤſſe, Entzuͤndungen in
den Eingeweiden, Schlagfluͤſſe von Zerreiſſung der Blut-
gefaͤße im Gehirne, Entzuͤndungen in der Haut, (Roth-
lauf,) Unterlaufungen von Blut, Raſereyen von Entzuͤn-
dungen, beſonders des Gehirns, hitzige Fieber, u. ſ. w.
Dagegen kann es ſich auch eben ſo natuͤrlich paſſen, daß
andre Krankheiten, beſonders langwierige, und Verſto-
pfungen in den Eingeweiden, durch dieſe Leidenſchaften cu-
riret werden, wovon es Beyſpiele genug giebt. §. 259.
§. 324.
Die Seelenwirkungen der Vorherſehungen in dieſen
Leidenſchaften und ihrer Nebenvorſtellungen, Triebe und
Leidenſchaften, koͤnnen einen eben ſo ſtarken und bald gluͤck-
lichen, bald ungluͤcklichen Einfluß fuͤr die Geſundheit und
Leben im thieriſchen Koͤrper haben, da die meiſten von ih-
nen ebenfalls von großer Staͤrke ſind. §. 259. Gemei-
niglich geſellet ſich die Rachgier, als eine Nebenleiden-
ſchaft zum Zorne, wie ſie ſich als ein Affektentrieb zum
Vertheidigungstriebe zu geſellen pfleget, §. 301. und da
ſie in dieſem Falle eine durch den Zorn erregte heftige Be-
gierde iſt, einem andern, auf den man zuͤrnet, Schaden
oder Beleidigung zuzufuͤgen, §. 309. mithin ſich der da-
zu bequemen Mittel zweckmaͤßig hierzu zu bedienen; ſo ver-
miſchen ſich die zweckmaͤßigen Bemuͤhungen dieſer Begier-
de mit denen von der Vorherſehung beym Zorne und die
Seelenwirkungen beyder fließen in einander, ohne noch
die, von vielen andern Nebenvorſtellungen mit zu rechnen.
Gleichwohl kann man in allen die Seelenwirkungen der
Vorherſehung beym Zorne deutlich genug unterſcheiden.
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/340>, abgerufen am 03.12.2024.
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