Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
und sowohl sie, als der Gram entfärben sehr bald die Haa-
re und machen sie grau. Alexander Drummond leitet
die Veränderung der Hautfarbe des Chamäleon von der
außerordentlichen Furchtsamkeit desselben her, wovon es al-
lezeit seinen Körper sehr zusammenzieht, und dann die Far-
be der Sachen annimmt, neben welchen es eine Zeitlang
gestanden hat.

§. 317.

Alles, was eine starke sinnliche Unlust über gegenwär-
tige oder künftige Dinge erregen kann, befördert den Gram
und alle Arten der Furcht. Das Gemüth kann dazu in
der Erziehung verwöhnet werden, besonders durch Mähr-
chen, die Kindern Furcht einjagen. Alle Veranlassungen
der Traurigkeit machen das Gemüth auch zum Grame oder
zur Furcht geneigt, weil sie einerley Gegenstände haben, die
nur in Beziehung auf die Zeit verschieden sind. Solche
Empfindungen und andre Vorstellungen, Triebe und Lei-
denschaften, die diese Art der Unlust erregen, veranlassen
natürlicher Weise eine Neigung zur Traurigkeit, zur Furcht,
zum Grame, und die entgegengesetzten verhüten sie. Eine
Lebensordnung, Krankheiten, und andre Umstände, die
die Gesundheit des Körpers so widernatürlich verändern,
und ihm eben solche Empfindungen, wie die betrübten Lei-
denschaften thun, verursachen, machen auch das Gemüth
zu solchen geneigt. §. 25. Vergl. d. A. 3 B. 131 St.

§. 318.

Der Schreck ist mit der Furcht am nächsten ver-
wandt, §. 309. und eine der heftigsten Leidenschaften. Er
hat die Seelenwirkungen einer sinnlichen Unlust, wie alle
Arten der Betrübniß, die insbesondre mit denen von der
Furcht übereinkommen, nur daß sie weit heftiger sind, und
viel schneller, ja fast im Augenblicke erreget werden und
auf ihren höchsten Grad steigen. Eben um deswillen ist
der Schreck eine der ungesundesten und dem Leben selbst ge-
fährlichsten Leidenschaften. §. 259. Denn die Bewegung
des Herzens wird dadurch so schnell und widernatürlich

verän-

I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
und ſowohl ſie, als der Gram entfaͤrben ſehr bald die Haa-
re und machen ſie grau. Alexander Drummond leitet
die Veraͤnderung der Hautfarbe des Chamaͤleon von der
außerordentlichen Furchtſamkeit deſſelben her, wovon es al-
lezeit ſeinen Koͤrper ſehr zuſammenzieht, und dann die Far-
be der Sachen annimmt, neben welchen es eine Zeitlang
geſtanden hat.

§. 317.

Alles, was eine ſtarke ſinnliche Unluſt uͤber gegenwaͤr-
tige oder kuͤnftige Dinge erregen kann, befoͤrdert den Gram
und alle Arten der Furcht. Das Gemuͤth kann dazu in
der Erziehung verwoͤhnet werden, beſonders durch Maͤhr-
chen, die Kindern Furcht einjagen. Alle Veranlaſſungen
der Traurigkeit machen das Gemuͤth auch zum Grame oder
zur Furcht geneigt, weil ſie einerley Gegenſtaͤnde haben, die
nur in Beziehung auf die Zeit verſchieden ſind. Solche
Empfindungen und andre Vorſtellungen, Triebe und Lei-
denſchaften, die dieſe Art der Unluſt erregen, veranlaſſen
natuͤrlicher Weiſe eine Neigung zur Traurigkeit, zur Furcht,
zum Grame, und die entgegengeſetzten verhuͤten ſie. Eine
Lebensordnung, Krankheiten, und andre Umſtaͤnde, die
die Geſundheit des Koͤrpers ſo widernatuͤrlich veraͤndern,
und ihm eben ſolche Empfindungen, wie die betruͤbten Lei-
denſchaften thun, verurſachen, machen auch das Gemuͤth
zu ſolchen geneigt. §. 25. Vergl. d. A. 3 B. 131 St.

§. 318.

Der Schreck iſt mit der Furcht am naͤchſten ver-
wandt, §. 309. und eine der heftigſten Leidenſchaften. Er
hat die Seelenwirkungen einer ſinnlichen Unluſt, wie alle
Arten der Betruͤbniß, die insbeſondre mit denen von der
Furcht uͤbereinkommen, nur daß ſie weit heftiger ſind, und
viel ſchneller, ja faſt im Augenblicke erreget werden und
auf ihren hoͤchſten Grad ſteigen. Eben um deswillen iſt
der Schreck eine der ungeſundeſten und dem Leben ſelbſt ge-
faͤhrlichſten Leidenſchaften. §. 259. Denn die Bewegung
des Herzens wird dadurch ſo ſchnell und widernatuͤrlich

veraͤn-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0336" n="312"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.</hi></fw><lb/>
und &#x017F;owohl &#x017F;ie, als der Gram entfa&#x0364;rben &#x017F;ehr bald die Haa-<lb/>
re und machen &#x017F;ie grau. <hi rendition="#fr">Alexander Drummond</hi> leitet<lb/>
die Vera&#x0364;nderung der Hautfarbe des Chama&#x0364;leon von der<lb/>
außerordentlichen Furcht&#x017F;amkeit de&#x017F;&#x017F;elben her, wovon es al-<lb/>
lezeit &#x017F;einen Ko&#x0364;rper &#x017F;ehr zu&#x017F;ammenzieht, und dann die Far-<lb/>
be der Sachen annimmt, neben welchen es eine Zeitlang<lb/>
ge&#x017F;tanden hat.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 317.</head><lb/>
              <p>Alles, was eine &#x017F;tarke &#x017F;innliche Unlu&#x017F;t u&#x0364;ber gegenwa&#x0364;r-<lb/>
tige oder ku&#x0364;nftige Dinge erregen kann, befo&#x0364;rdert den Gram<lb/>
und alle Arten der Furcht. Das Gemu&#x0364;th kann dazu in<lb/>
der Erziehung verwo&#x0364;hnet werden, be&#x017F;onders durch Ma&#x0364;hr-<lb/>
chen, die Kindern Furcht einjagen. Alle Veranla&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
der Traurigkeit machen das Gemu&#x0364;th auch zum Grame oder<lb/>
zur Furcht geneigt, weil &#x017F;ie einerley Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde haben, die<lb/>
nur in Beziehung auf die Zeit ver&#x017F;chieden &#x017F;ind. Solche<lb/>
Empfindungen und andre Vor&#x017F;tellungen, Triebe und Lei-<lb/>
den&#x017F;chaften, die die&#x017F;e Art der Unlu&#x017F;t erregen, veranla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e eine Neigung zur Traurigkeit, zur Furcht,<lb/>
zum Grame, und die entgegenge&#x017F;etzten verhu&#x0364;ten &#x017F;ie. Eine<lb/>
Lebensordnung, Krankheiten, und andre Um&#x017F;ta&#x0364;nde, die<lb/>
die Ge&#x017F;undheit des Ko&#x0364;rpers &#x017F;o widernatu&#x0364;rlich vera&#x0364;ndern,<lb/>
und ihm eben &#x017F;olche Empfindungen, wie die betru&#x0364;bten Lei-<lb/>
den&#x017F;chaften thun, verur&#x017F;achen, machen auch das Gemu&#x0364;th<lb/>
zu &#x017F;olchen geneigt. §. 25. Vergl. d. A. 3 B. 131 St.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 318.</head><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#fr">Schreck</hi> i&#x017F;t mit der Furcht am na&#x0364;ch&#x017F;ten ver-<lb/>
wandt, §. 309. und eine der heftig&#x017F;ten Leiden&#x017F;chaften. Er<lb/>
hat die Seelenwirkungen einer &#x017F;innlichen Unlu&#x017F;t, wie alle<lb/>
Arten der Betru&#x0364;bniß, die insbe&#x017F;ondre mit denen von der<lb/>
Furcht u&#x0364;bereinkommen, nur daß &#x017F;ie weit heftiger &#x017F;ind, und<lb/>
viel &#x017F;chneller, ja fa&#x017F;t im Augenblicke erreget werden und<lb/>
auf ihren ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad &#x017F;teigen. Eben um deswillen i&#x017F;t<lb/>
der Schreck eine der unge&#x017F;unde&#x017F;ten und dem Leben &#x017F;elb&#x017F;t ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlich&#x017F;ten Leiden&#x017F;chaften. §. 259. Denn die Bewegung<lb/>
des Herzens wird dadurch &#x017F;o &#x017F;chnell und widernatu&#x0364;rlich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vera&#x0364;n-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0336] I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan. und ſowohl ſie, als der Gram entfaͤrben ſehr bald die Haa- re und machen ſie grau. Alexander Drummond leitet die Veraͤnderung der Hautfarbe des Chamaͤleon von der außerordentlichen Furchtſamkeit deſſelben her, wovon es al- lezeit ſeinen Koͤrper ſehr zuſammenzieht, und dann die Far- be der Sachen annimmt, neben welchen es eine Zeitlang geſtanden hat. §. 317. Alles, was eine ſtarke ſinnliche Unluſt uͤber gegenwaͤr- tige oder kuͤnftige Dinge erregen kann, befoͤrdert den Gram und alle Arten der Furcht. Das Gemuͤth kann dazu in der Erziehung verwoͤhnet werden, beſonders durch Maͤhr- chen, die Kindern Furcht einjagen. Alle Veranlaſſungen der Traurigkeit machen das Gemuͤth auch zum Grame oder zur Furcht geneigt, weil ſie einerley Gegenſtaͤnde haben, die nur in Beziehung auf die Zeit verſchieden ſind. Solche Empfindungen und andre Vorſtellungen, Triebe und Lei- denſchaften, die dieſe Art der Unluſt erregen, veranlaſſen natuͤrlicher Weiſe eine Neigung zur Traurigkeit, zur Furcht, zum Grame, und die entgegengeſetzten verhuͤten ſie. Eine Lebensordnung, Krankheiten, und andre Umſtaͤnde, die die Geſundheit des Koͤrpers ſo widernatuͤrlich veraͤndern, und ihm eben ſolche Empfindungen, wie die betruͤbten Lei- denſchaften thun, verurſachen, machen auch das Gemuͤth zu ſolchen geneigt. §. 25. Vergl. d. A. 3 B. 131 St. §. 318. Der Schreck iſt mit der Furcht am naͤchſten ver- wandt, §. 309. und eine der heftigſten Leidenſchaften. Er hat die Seelenwirkungen einer ſinnlichen Unluſt, wie alle Arten der Betruͤbniß, die insbeſondre mit denen von der Furcht uͤbereinkommen, nur daß ſie weit heftiger ſind, und viel ſchneller, ja faſt im Augenblicke erreget werden und auf ihren hoͤchſten Grad ſteigen. Eben um deswillen iſt der Schreck eine der ungeſundeſten und dem Leben ſelbſt ge- faͤhrlichſten Leidenſchaften. §. 259. Denn die Bewegung des Herzens wird dadurch ſo ſchnell und widernatuͤrlich veraͤn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/336
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/336>, abgerufen am 03.12.2024.