bentrieb zur Rettung, oder zur Vertheidigung, §. 288. deren Seelenwirkungen sich mit denen von der Vorherse- hung vereinigen, ohne deren von vielen andern zufälligen Nebenvorstellungen zu gedenken, die im Zustande der Er- füllung der Vorhersehung mit entstehen werden, und wo- von also auch Theile schon mit in der Vorhersehung enthal- ten seyn, und mitwirken können. §. 241. 273. Durch diese allen Arten der Furcht beygeselleten Nebentriebe der Rettung und Vertheidigung werden die meisten willkührli- chen Handlungen der Furchtsamen, nach den Gesetzen die- ser Triebe hervorgebracht; z. E. das Entlaufen, das Rufen, Schreyen, das um sich Greifen, Zusammenfahren, u. s. w. hingegen werden sie durch die Vorhersehung selbst nur zweck- mäßiger bestimmet. Wer durch den Umsturz eines Hauses umzukommen fürchtet, der entflieht durch den Rettungs- trieb, aber mit niedergebücktem, oder von den Händen be- decktem Haupte, durch die Vorhersehung, so wie er es thun würde, wenn er das Haus schon über sich herstürzen sähe; hingegen bedecket der, der von einem Degen durchbohret zu werden fürchtet, die Brust. Der Unterschied beyder Hand- lungen liegt in den Vorhersehungen, der Bewegungsgrund dazu aber in einerley Triebe, sich zu retten. (Vergl. §. 319.)
§. 316.
Aus allen Seelenwirkungen dieser Leidenschaften zusam- mengenommen rühren einige besondre Erscheinungen in der thierischen Oeconomie her, die sie besonders characterisiren, ob sie gleich nur durch den Zusammenhang aller übrigen Kräfte des Körpers mit den thierischen Seelenkräften ge- wirket werden, und nicht als unmittelbare Seelenwirkun- gen der Leidenschaften, sondern als dadurch blos veranlaßte physische, mechanische oder thierische Wirkungen betrachtet werden können. So haben alle Arten der Furcht das Be- sondre, daß sie die Eröffnung des Leibes befördern; daß sich dabey die Haut kräuselt, und schüttert, welches man ein Grausen (Gräsen) der Haut nennet; wie auch, daß sie einen besondern Ausschlag des Mundes verursachen;
und
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der Leidenſchaften.
bentrieb zur Rettung, oder zur Vertheidigung, §. 288. deren Seelenwirkungen ſich mit denen von der Vorherſe- hung vereinigen, ohne deren von vielen andern zufaͤlligen Nebenvorſtellungen zu gedenken, die im Zuſtande der Er- fuͤllung der Vorherſehung mit entſtehen werden, und wo- von alſo auch Theile ſchon mit in der Vorherſehung enthal- ten ſeyn, und mitwirken koͤnnen. §. 241. 273. Durch dieſe allen Arten der Furcht beygeſelleten Nebentriebe der Rettung und Vertheidigung werden die meiſten willkuͤhrli- chen Handlungen der Furchtſamen, nach den Geſetzen die- ſer Triebe hervorgebracht; z. E. das Entlaufen, das Rufen, Schreyen, das um ſich Greifen, Zuſammenfahren, u. ſ. w. hingegen werden ſie durch die Vorherſehung ſelbſt nur zweck- maͤßiger beſtimmet. Wer durch den Umſturz eines Hauſes umzukommen fuͤrchtet, der entflieht durch den Rettungs- trieb, aber mit niedergebuͤcktem, oder von den Haͤnden be- decktem Haupte, durch die Vorherſehung, ſo wie er es thun wuͤrde, wenn er das Haus ſchon uͤber ſich herſtuͤrzen ſaͤhe; hingegen bedecket der, der von einem Degen durchbohret zu werden fuͤrchtet, die Bruſt. Der Unterſchied beyder Hand- lungen liegt in den Vorherſehungen, der Bewegungsgrund dazu aber in einerley Triebe, ſich zu retten. (Vergl. §. 319.)
§. 316.
Aus allen Seelenwirkungen dieſer Leidenſchaften zuſam- mengenommen ruͤhren einige beſondre Erſcheinungen in der thieriſchen Oeconomie her, die ſie beſonders characteriſiren, ob ſie gleich nur durch den Zuſammenhang aller uͤbrigen Kraͤfte des Koͤrpers mit den thieriſchen Seelenkraͤften ge- wirket werden, und nicht als unmittelbare Seelenwirkun- gen der Leidenſchaften, ſondern als dadurch blos veranlaßte phyſiſche, mechaniſche oder thieriſche Wirkungen betrachtet werden koͤnnen. So haben alle Arten der Furcht das Be- ſondre, daß ſie die Eroͤffnung des Leibes befoͤrdern; daß ſich dabey die Haut kraͤuſelt, und ſchuͤttert, welches man ein Grauſen (Graͤſen) der Haut nennet; wie auch, daß ſie einen beſondern Ausſchlag des Mundes verurſachen;
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der Leidenſchaften.
bentrieb zur Rettung, oder zur Vertheidigung, §. 288.
deren Seelenwirkungen ſich mit denen von der Vorherſe-
hung vereinigen, ohne deren von vielen andern zufaͤlligen
Nebenvorſtellungen zu gedenken, die im Zuſtande der Er-
fuͤllung der Vorherſehung mit entſtehen werden, und wo-
von alſo auch Theile ſchon mit in der Vorherſehung enthal-
ten ſeyn, und mitwirken koͤnnen. §. 241. 273. Durch
dieſe allen Arten der Furcht beygeſelleten Nebentriebe der
Rettung und Vertheidigung werden die meiſten willkuͤhrli-
chen Handlungen der Furchtſamen, nach den Geſetzen die-
ſer Triebe hervorgebracht; z. E. das Entlaufen, das Rufen,
Schreyen, das um ſich Greifen, Zuſammenfahren, u. ſ. w.
hingegen werden ſie durch die Vorherſehung ſelbſt nur zweck-
maͤßiger beſtimmet. Wer durch den Umſturz eines Hauſes
umzukommen fuͤrchtet, der entflieht durch den Rettungs-
trieb, aber mit niedergebuͤcktem, oder von den Haͤnden be-
decktem Haupte, durch die Vorherſehung, ſo wie er es thun
wuͤrde, wenn er das Haus ſchon uͤber ſich herſtuͤrzen ſaͤhe;
hingegen bedecket der, der von einem Degen durchbohret zu
werden fuͤrchtet, die Bruſt. Der Unterſchied beyder Hand-
lungen liegt in den Vorherſehungen, der Bewegungsgrund
dazu aber in einerley Triebe, ſich zu retten. (Vergl. §. 319.)
§. 316.
Aus allen Seelenwirkungen dieſer Leidenſchaften zuſam-
mengenommen ruͤhren einige beſondre Erſcheinungen in der
thieriſchen Oeconomie her, die ſie beſonders characteriſiren,
ob ſie gleich nur durch den Zuſammenhang aller uͤbrigen
Kraͤfte des Koͤrpers mit den thieriſchen Seelenkraͤften ge-
wirket werden, und nicht als unmittelbare Seelenwirkun-
gen der Leidenſchaften, ſondern als dadurch blos veranlaßte
phyſiſche, mechaniſche oder thieriſche Wirkungen betrachtet
werden koͤnnen. So haben alle Arten der Furcht das Be-
ſondre, daß ſie die Eroͤffnung des Leibes befoͤrdern; daß
ſich dabey die Haut kraͤuſelt, und ſchuͤttert, welches man
ein Grauſen (Graͤſen) der Haut nennet; wie auch, daß
ſie einen beſondern Ausſchlag des Mundes verurſachen;
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/335>, abgerufen am 21.11.2024.
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