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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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der sinnlichen Triebe.
4. Starke Begierden und Verabscheuungen, die aus
dunkeln sinnlichen Triebfedern entstehen, und deren Zwecke
und Gegenstände die Erhaltung und das Wohlseyn der Ab-
kömmlinge, und die Abwendung ihres Unterganges und
Uebelbefindens sind. Sie heißen die Triebe für die
Kinder,
(bey Thieren, für die Jungen.)
§. 263.

Da die natürlichen Triebe insgesammt eigentlich für
die Erhaltung, den Wohlstand und die Fortpflanzung der
thierischen Schöpfung von der Natur bestimmet, und den
Thieren in der Absicht beygeleget worden sind, um diese
Zwecke dadurch gewiß und unfehlbar zu erhalten, §. 262.
so unterscheiden sie sich eben hierdurch von allen übrigen
Begierden und Verabscheuungen und den Leidenschaften,
indem theils die Natur selbst die Thiere, vermittelst des
Zwanges der äußern sinnlichen Eindrücke zu diesen Trieben
anhält, und sie in ihnen zu blos natürlichen Handlungen
machet, die sie nicht hindern können, da sie hingegen die
übrigen ihrer eignen Macht mehr überlassen hat, um sie
hervorzubringen, zu unterdrücken, zu vermehren, und zu
vermindern, oder gar zu hindern, §. 89. 90. theils, in-
dem sie die Thiere selbst und die ganze Natur um sie her so
eingerichtet hat, daß diese Triebe nicht eher wieder bey ih-
nen erlöschen, als bis die Absicht derselben überhaupt hin-
länglich erreichet ist, welches durch ihre Befriedigung er-
halten wird, die also der Zweck und Wille des Schöpfers
bey den Trieben der Thiere war. §. 262. 95. Daher ist
in den Trieben der Thiere etwas, das auf die Erreichung
eines großen Zwecks des Schöpfers zielet, wovon wir den
zureichenden Grund nicht in der Vorstellungskraft allein,
sondern zugleich in gewissen vorherbestimmten Zubereitun-
gen außer ihnen, wodurch sie den Trieben zu folgen natür-
licher Weise genöthiget sind, finden, und das wir das
Wunderbare, die Bezauberung, das Göttliche in
den Trieben
nennen. Jn so fern verhalten sich also die

blinden
Q
der ſinnlichen Triebe.
4. Starke Begierden und Verabſcheuungen, die aus
dunkeln ſinnlichen Triebfedern entſtehen, und deren Zwecke
und Gegenſtaͤnde die Erhaltung und das Wohlſeyn der Ab-
koͤmmlinge, und die Abwendung ihres Unterganges und
Uebelbefindens ſind. Sie heißen die Triebe fuͤr die
Kinder,
(bey Thieren, fuͤr die Jungen.)
§. 263.

Da die natuͤrlichen Triebe insgeſammt eigentlich fuͤr
die Erhaltung, den Wohlſtand und die Fortpflanzung der
thieriſchen Schoͤpfung von der Natur beſtimmet, und den
Thieren in der Abſicht beygeleget worden ſind, um dieſe
Zwecke dadurch gewiß und unfehlbar zu erhalten, §. 262.
ſo unterſcheiden ſie ſich eben hierdurch von allen uͤbrigen
Begierden und Verabſcheuungen und den Leidenſchaften,
indem theils die Natur ſelbſt die Thiere, vermittelſt des
Zwanges der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke zu dieſen Trieben
anhaͤlt, und ſie in ihnen zu blos natuͤrlichen Handlungen
machet, die ſie nicht hindern koͤnnen, da ſie hingegen die
uͤbrigen ihrer eignen Macht mehr uͤberlaſſen hat, um ſie
hervorzubringen, zu unterdruͤcken, zu vermehren, und zu
vermindern, oder gar zu hindern, §. 89. 90. theils, in-
dem ſie die Thiere ſelbſt und die ganze Natur um ſie her ſo
eingerichtet hat, daß dieſe Triebe nicht eher wieder bey ih-
nen erloͤſchen, als bis die Abſicht derſelben uͤberhaupt hin-
laͤnglich erreichet iſt, welches durch ihre Befriedigung er-
halten wird, die alſo der Zweck und Wille des Schoͤpfers
bey den Trieben der Thiere war. §. 262. 95. Daher iſt
in den Trieben der Thiere etwas, das auf die Erreichung
eines großen Zwecks des Schoͤpfers zielet, wovon wir den
zureichenden Grund nicht in der Vorſtellungskraft allein,
ſondern zugleich in gewiſſen vorherbeſtimmten Zubereitun-
gen außer ihnen, wodurch ſie den Trieben zu folgen natuͤr-
licher Weiſe genoͤthiget ſind, finden, und das wir das
Wunderbare, die Bezauberung, das Goͤttliche in
den Trieben
nennen. Jn ſo fern verhalten ſich alſo die

blinden
Q
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[241/0265] der ſinnlichen Triebe. 4. Starke Begierden und Verabſcheuungen, die aus dunkeln ſinnlichen Triebfedern entſtehen, und deren Zwecke und Gegenſtaͤnde die Erhaltung und das Wohlſeyn der Ab- koͤmmlinge, und die Abwendung ihres Unterganges und Uebelbefindens ſind. Sie heißen die Triebe fuͤr die Kinder, (bey Thieren, fuͤr die Jungen.) §. 263. Da die natuͤrlichen Triebe insgeſammt eigentlich fuͤr die Erhaltung, den Wohlſtand und die Fortpflanzung der thieriſchen Schoͤpfung von der Natur beſtimmet, und den Thieren in der Abſicht beygeleget worden ſind, um dieſe Zwecke dadurch gewiß und unfehlbar zu erhalten, §. 262. ſo unterſcheiden ſie ſich eben hierdurch von allen uͤbrigen Begierden und Verabſcheuungen und den Leidenſchaften, indem theils die Natur ſelbſt die Thiere, vermittelſt des Zwanges der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke zu dieſen Trieben anhaͤlt, und ſie in ihnen zu blos natuͤrlichen Handlungen machet, die ſie nicht hindern koͤnnen, da ſie hingegen die uͤbrigen ihrer eignen Macht mehr uͤberlaſſen hat, um ſie hervorzubringen, zu unterdruͤcken, zu vermehren, und zu vermindern, oder gar zu hindern, §. 89. 90. theils, in- dem ſie die Thiere ſelbſt und die ganze Natur um ſie her ſo eingerichtet hat, daß dieſe Triebe nicht eher wieder bey ih- nen erloͤſchen, als bis die Abſicht derſelben uͤberhaupt hin- laͤnglich erreichet iſt, welches durch ihre Befriedigung er- halten wird, die alſo der Zweck und Wille des Schoͤpfers bey den Trieben der Thiere war. §. 262. 95. Daher iſt in den Trieben der Thiere etwas, das auf die Erreichung eines großen Zwecks des Schoͤpfers zielet, wovon wir den zureichenden Grund nicht in der Vorſtellungskraft allein, ſondern zugleich in gewiſſen vorherbeſtimmten Zubereitun- gen außer ihnen, wodurch ſie den Trieben zu folgen natuͤr- licher Weiſe genoͤthiget ſind, finden, und das wir das Wunderbare, die Bezauberung, das Goͤttliche in den Trieben nennen. Jn ſo fern verhalten ſich alſo die blinden Q

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/265>, abgerufen am 21.11.2024.