vom Genusse des Brodts besser zu Muthe geworden sey. Aus dieser äußern Empfindung und Einbildung entsteht die Erwartung, daß ein gleiches erfolgen würde, wenn er dieß Brodt äße, und nun folget das Trachten, es zu essen, wobey ihm der Mund voll Wasser läuft; eine Seelenwir- kung der Begierde, (des Triebes,) die durch die äußere Empfindung zufällig veranlasset worden. §. 97. 103.
§. 222.
Die stärksten sinnlichen Vorstellungen und Begierden machen am leichtesten unächte äußere Empfindungen. §. 148. Da nun die wahren äußerlichen Empfindungen alle, auch die stärksten sinnlichen Vorstellungen und Be- gierden zunächst veranlassen, §. 219 -- 221. so können sie auch zu den Seelenwirkungen der Erscheinungen Blend- werke, Gesichter und Gespenster zufällige Veranlassung ge- ben. §. 148. Wir greifen in der heftigsten Angst nach ei- nem Gegenstande, der uns eine innstehende äußerste Ge- fahr drohet, und die Heftigkeit dieser starken Vorstellung wirket so lebhaft, und als eine Verabscheuung so widerna- türlich §. 195. in unsre Muskeln, daß der Arm steif stehen bleibt, aufschwillt und sich entzündet. Dieß ist eine nicht ungewöhnliche Erfahrung bey wahren Gegenständen. Wenn wir im Dunkeln eine Gestalt sehen, die wir für ein Gespenst halten, und durch diese unächte äußere Empfin- dung in den Trieb der Angst fortgerissen werden, und dar- nach greifen; so kann dem Arme derselbe unglückliche Zu- fall widerfahren, nicht unmittelbar durch die wahre äußere Empfindung, (z. E. den Anblick eines Schattens,) son- dern zufälliger Weise, indem sie die unächte äußere Em- pfindung, die Erscheinung eines Gespensts veranlasset hat.
§. 223.
Wir verbinden mit unsern äußern Empfindungen oft Betrachtungen des Verstandes, wenn wir über Gegen- stände, die unsern Sinnen vorkommen, reflectiren, und so
begleitet
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
vom Genuſſe des Brodts beſſer zu Muthe geworden ſey. Aus dieſer aͤußern Empfindung und Einbildung entſteht die Erwartung, daß ein gleiches erfolgen wuͤrde, wenn er dieß Brodt aͤße, und nun folget das Trachten, es zu eſſen, wobey ihm der Mund voll Waſſer laͤuft; eine Seelenwir- kung der Begierde, (des Triebes,) die durch die aͤußere Empfindung zufaͤllig veranlaſſet worden. §. 97. 103.
§. 222.
Die ſtaͤrkſten ſinnlichen Vorſtellungen und Begierden machen am leichteſten unaͤchte aͤußere Empfindungen. §. 148. Da nun die wahren aͤußerlichen Empfindungen alle, auch die ſtaͤrkſten ſinnlichen Vorſtellungen und Be- gierden zunaͤchſt veranlaſſen, §. 219 — 221. ſo koͤnnen ſie auch zu den Seelenwirkungen der Erſcheinungen Blend- werke, Geſichter und Geſpenſter zufaͤllige Veranlaſſung ge- ben. §. 148. Wir greifen in der heftigſten Angſt nach ei- nem Gegenſtande, der uns eine innſtehende aͤußerſte Ge- fahr drohet, und die Heftigkeit dieſer ſtarken Vorſtellung wirket ſo lebhaft, und als eine Verabſcheuung ſo widerna- tuͤrlich §. 195. in unſre Muskeln, daß der Arm ſteif ſtehen bleibt, aufſchwillt und ſich entzuͤndet. Dieß iſt eine nicht ungewoͤhnliche Erfahrung bey wahren Gegenſtaͤnden. Wenn wir im Dunkeln eine Geſtalt ſehen, die wir fuͤr ein Geſpenſt halten, und durch dieſe unaͤchte aͤußere Empfin- dung in den Trieb der Angſt fortgeriſſen werden, und dar- nach greifen; ſo kann dem Arme derſelbe ungluͤckliche Zu- fall widerfahren, nicht unmittelbar durch die wahre aͤußere Empfindung, (z. E. den Anblick eines Schattens,) ſon- dern zufaͤlliger Weiſe, indem ſie die unaͤchte aͤußere Em- pfindung, die Erſcheinung eines Geſpenſts veranlaſſet hat.
§. 223.
Wir verbinden mit unſern aͤußern Empfindungen oft Betrachtungen des Verſtandes, wenn wir uͤber Gegen- ſtaͤnde, die unſern Sinnen vorkommen, reflectiren, und ſo
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
vom Genuſſe des Brodts beſſer zu Muthe geworden ſey.
Aus dieſer aͤußern Empfindung und Einbildung entſteht
die Erwartung, daß ein gleiches erfolgen wuͤrde, wenn er
dieß Brodt aͤße, und nun folget das Trachten, es zu eſſen,
wobey ihm der Mund voll Waſſer laͤuft; eine Seelenwir-
kung der Begierde, (des Triebes,) die durch die aͤußere
Empfindung zufaͤllig veranlaſſet worden. §. 97. 103.
§. 222.
Die ſtaͤrkſten ſinnlichen Vorſtellungen und Begierden
machen am leichteſten unaͤchte aͤußere Empfindungen.
§. 148. Da nun die wahren aͤußerlichen Empfindungen
alle, auch die ſtaͤrkſten ſinnlichen Vorſtellungen und Be-
gierden zunaͤchſt veranlaſſen, §. 219 — 221. ſo koͤnnen
ſie auch zu den Seelenwirkungen der Erſcheinungen Blend-
werke, Geſichter und Geſpenſter zufaͤllige Veranlaſſung ge-
ben. §. 148. Wir greifen in der heftigſten Angſt nach ei-
nem Gegenſtande, der uns eine innſtehende aͤußerſte Ge-
fahr drohet, und die Heftigkeit dieſer ſtarken Vorſtellung
wirket ſo lebhaft, und als eine Verabſcheuung ſo widerna-
tuͤrlich §. 195. in unſre Muskeln, daß der Arm ſteif ſtehen
bleibt, aufſchwillt und ſich entzuͤndet. Dieß iſt eine nicht
ungewoͤhnliche Erfahrung bey wahren Gegenſtaͤnden.
Wenn wir im Dunkeln eine Geſtalt ſehen, die wir fuͤr ein
Geſpenſt halten, und durch dieſe unaͤchte aͤußere Empfin-
dung in den Trieb der Angſt fortgeriſſen werden, und dar-
nach greifen; ſo kann dem Arme derſelbe ungluͤckliche Zu-
fall widerfahren, nicht unmittelbar durch die wahre aͤußere
Empfindung, (z. E. den Anblick eines Schattens,) ſon-
dern zufaͤlliger Weiſe, indem ſie die unaͤchte aͤußere Em-
pfindung, die Erſcheinung eines Geſpenſts veranlaſſet hat.
§. 223.
Wir verbinden mit unſern aͤußern Empfindungen oft
Betrachtungen des Verſtandes, wenn wir uͤber Gegen-
ſtaͤnde, die unſern Sinnen vorkommen, reflectiren, und ſo
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/230>, abgerufen am 23.11.2024.
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