Es ist der Mühe wohl werth, die Entstehungsart der unächten äußern Empfindungen näher zu betrachten. Ei- ne starke sinnliche Vorstellung machet einen starken sinnli- chen Eindruck im Gehirne im Orte des Ursprungs eines gewissen Nerven. §. 144. 26. Dieser pflanzet sich fort bis in die äußersten Endungen desselben, die davon aufgerichtet und gereget werden. §. 147. Dieses Regen giebt den Ner- ven in seiner Spitze einen äußern sinnlichen Eindruck, als wenn er von außen berühret würde, und dieser geht zum Ge- hirn zurück, und wird in der Seele zur unächten äußern Empfindung. §. 148. Weil ihr aber der wahre äußere Ge- genstand mangelt, indem der Nerve von außen nicht wirk- lich berühret worden; so fragt sichs, was dann nun die See- le eigentlich unächt empfinde? Man muß dieß folgender- maßen überlegen: Die sinnliche Vorstellung, von welcher das ganze Blendwerk herrühret, hat Merkmale von einer vergangenen oder künftigen äußern Empfindung §. 66. und ihre materielle Jdee im Gehirne erreget also im Ursprunge des Nerven, den sie rühret, zum Theil dieselbe materielle äußere Empfindung. §. 25. 26. Eben diese, die eine Be- wegung im Ursprunge des Nerven im Gehirne, §. 43. und itzt sein sinnlicher Eindruck ebendaselbst ist, §. 121. pflanzet sich bis zur Spitze herab fort und machet daselbst den ledigen äußern sinnlichen Eindruck, der wieder im Gehirne an dem- selben Orte des Nerven anlanget. Die hierdurch erregte unächte materielle äußere Empfindung ist eine Bewegung im Ursprunge des Nerven, die zum Theil schon dieselbe war, welche entstanden seyn würde, wenn wirklich der äußerliche Gegenstand, von dem die sinnliche Vorstellung Merkmale in sich hielt, einen äußern sinnlichen Eindruck in die Spitze des Nerven gemachet hätte, und der nur das, was der äu- ßere sinnliche Eindruck hinzuthun konnte, noch fehlte, um eine wahre materielle äußere Empfindung zu seyn. §. 66. Da nun itzt ein wahrer äußerlicher sinnlicher Eindruck hin- zukömmt, und gleichwohl keine Berührung eines wirklichen
äußern
K
3 Abſchn. d. Nerv. Wirk. d. mat. Jd. insbeſondre.
§. 149.
Es iſt der Muͤhe wohl werth, die Entſtehungsart der unaͤchten aͤußern Empfindungen naͤher zu betrachten. Ei- ne ſtarke ſinnliche Vorſtellung machet einen ſtarken ſinnli- chen Eindruck im Gehirne im Orte des Urſprungs eines gewiſſen Nerven. §. 144. 26. Dieſer pflanzet ſich fort bis in die aͤußerſten Endungen deſſelben, die davon aufgerichtet und gereget werden. §. 147. Dieſes Regen giebt den Ner- ven in ſeiner Spitze einen aͤußern ſinnlichen Eindruck, als wenn er von außen beruͤhret wuͤrde, und dieſer geht zum Ge- hirn zuruͤck, und wird in der Seele zur unaͤchten aͤußern Empfindung. §. 148. Weil ihr aber der wahre aͤußere Ge- genſtand mangelt, indem der Nerve von außen nicht wirk- lich beruͤhret worden; ſo fragt ſichs, was dann nun die See- le eigentlich unaͤcht empfinde? Man muß dieß folgender- maßen uͤberlegen: Die ſinnliche Vorſtellung, von welcher das ganze Blendwerk herruͤhret, hat Merkmale von einer vergangenen oder kuͤnftigen aͤußern Empfindung §. 66. und ihre materielle Jdee im Gehirne erreget alſo im Urſprunge des Nerven, den ſie ruͤhret, zum Theil dieſelbe materielle aͤußere Empfindung. §. 25. 26. Eben dieſe, die eine Be- wegung im Urſprunge des Nerven im Gehirne, §. 43. und itzt ſein ſinnlicher Eindruck ebendaſelbſt iſt, §. 121. pflanzet ſich bis zur Spitze herab fort und machet daſelbſt den ledigen aͤußern ſinnlichen Eindruck, der wieder im Gehirne an dem- ſelben Orte des Nerven anlanget. Die hierdurch erregte unaͤchte materielle aͤußere Empfindung iſt eine Bewegung im Urſprunge des Nerven, die zum Theil ſchon dieſelbe war, welche entſtanden ſeyn wuͤrde, wenn wirklich der aͤußerliche Gegenſtand, von dem die ſinnliche Vorſtellung Merkmale in ſich hielt, einen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Spitze des Nerven gemachet haͤtte, und der nur das, was der aͤu- ßere ſinnliche Eindruck hinzuthun konnte, noch fehlte, um eine wahre materielle aͤußere Empfindung zu ſeyn. §. 66. Da nun itzt ein wahrer aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck hin- zukoͤmmt, und gleichwohl keine Beruͤhrung eines wirklichen
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3 Abſchn. d. Nerv. Wirk. d. mat. Jd. insbeſondre.
§. 149.
Es iſt der Muͤhe wohl werth, die Entſtehungsart der
unaͤchten aͤußern Empfindungen naͤher zu betrachten. Ei-
ne ſtarke ſinnliche Vorſtellung machet einen ſtarken ſinnli-
chen Eindruck im Gehirne im Orte des Urſprungs eines
gewiſſen Nerven. §. 144. 26. Dieſer pflanzet ſich fort bis
in die aͤußerſten Endungen deſſelben, die davon aufgerichtet
und gereget werden. §. 147. Dieſes Regen giebt den Ner-
ven in ſeiner Spitze einen aͤußern ſinnlichen Eindruck, als
wenn er von außen beruͤhret wuͤrde, und dieſer geht zum Ge-
hirn zuruͤck, und wird in der Seele zur unaͤchten aͤußern
Empfindung. §. 148. Weil ihr aber der wahre aͤußere Ge-
genſtand mangelt, indem der Nerve von außen nicht wirk-
lich beruͤhret worden; ſo fragt ſichs, was dann nun die See-
le eigentlich unaͤcht empfinde? Man muß dieß folgender-
maßen uͤberlegen: Die ſinnliche Vorſtellung, von welcher
das ganze Blendwerk herruͤhret, hat Merkmale von einer
vergangenen oder kuͤnftigen aͤußern Empfindung §. 66. und
ihre materielle Jdee im Gehirne erreget alſo im Urſprunge
des Nerven, den ſie ruͤhret, zum Theil dieſelbe materielle
aͤußere Empfindung. §. 25. 26. Eben dieſe, die eine Be-
wegung im Urſprunge des Nerven im Gehirne, §. 43. und
itzt ſein ſinnlicher Eindruck ebendaſelbſt iſt, §. 121. pflanzet
ſich bis zur Spitze herab fort und machet daſelbſt den ledigen
aͤußern ſinnlichen Eindruck, der wieder im Gehirne an dem-
ſelben Orte des Nerven anlanget. Die hierdurch erregte
unaͤchte materielle aͤußere Empfindung iſt eine Bewegung
im Urſprunge des Nerven, die zum Theil ſchon dieſelbe war,
welche entſtanden ſeyn wuͤrde, wenn wirklich der aͤußerliche
Gegenſtand, von dem die ſinnliche Vorſtellung Merkmale
in ſich hielt, einen aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Spitze
des Nerven gemachet haͤtte, und der nur das, was der aͤu-
ßere ſinnliche Eindruck hinzuthun konnte, noch fehlte, um
eine wahre materielle aͤußere Empfindung zu ſeyn. §. 66.
Da nun itzt ein wahrer aͤußerlicher ſinnlicher Eindruck hin-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/169>, abgerufen am 21.12.2024.
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