Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Vom treuen Walther. Der treue Walther ritt vorbei An unsrer Frau Kapelle. Da kniete gar in tiefer Reu' Ein Mägdlein an der Schwelle. "Halt an, halt an, mein Walther traut! Kennst du nicht mehr der Stimme Laut, Die du so gerne hörtest?" "Wen seh' ich hier? Die falsche Maid, Ach! weiland, ach, die Meine! Wo liessest du dein seiden Kleid? Wo Gold und Edelsteine?" "O daß ich von der Treue ließ! Verloren ist mein Paradies, Bei dir nur find' ich's wieder." Er hub zu Roß das schöne Weib, Er trug ein sanft Erbarmen; Sie schlang sich fest um seinen Leib Mit weissen, weichen Armen. "Ach, Walther traut! mein liebend Herz, Es schlägt an kaltes, starres Erz, Es klopft nicht an dem deinen." Vom treuen Walther. Der treue Walther ritt vorbei An unſrer Frau Kapelle. Da kniete gar in tiefer Reu’ Ein Mägdlein an der Schwelle. „Halt an, halt an, mein Walther traut! Kennſt du nicht mehr der Stimme Laut, Die du ſo gerne hörteſt?“ „Wen ſeh’ ich hier? Die falſche Maid, Ach! weiland, ach, die Meine! Wo lieſſeſt du dein ſeiden Kleid? Wo Gold und Edelſteine?“ „O daß ich von der Treue ließ! Verloren iſt mein Paradies, Bei dir nur find’ ich’s wieder.“ Er hub zu Roß das ſchöne Weib, Er trug ein ſanft Erbarmen; Sie ſchlang ſich feſt um ſeinen Leib Mit weiſſen, weichen Armen. „Ach, Walther traut! mein liebend Herz, Es ſchlägt an kaltes, ſtarres Erz, Es klopft nicht an dem deinen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0179" n="173"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Vom treuen Walther</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der treue Walther ritt vorbei</l><lb/> <l>An unſrer Frau Kapelle.</l><lb/> <l>Da kniete gar in tiefer Reu’</l><lb/> <l>Ein Mägdlein an der Schwelle.</l><lb/> <l>„Halt an, halt an, mein Walther traut!</l><lb/> <l>Kennſt du nicht mehr der Stimme Laut,</l><lb/> <l>Die du ſo gerne hörteſt?“</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>„Wen ſeh’ ich hier? Die falſche Maid,</l><lb/> <l>Ach! weiland, ach, die Meine!</l><lb/> <l>Wo lieſſeſt du dein ſeiden Kleid?</l><lb/> <l>Wo Gold und Edelſteine?“</l><lb/> <l>„O daß ich von der Treue ließ!</l><lb/> <l>Verloren iſt mein Paradies,</l><lb/> <l>Bei dir nur find’ ich’s wieder.“</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Er hub zu Roß das ſchöne Weib,</l><lb/> <l>Er trug ein ſanft Erbarmen;</l><lb/> <l>Sie ſchlang ſich feſt um ſeinen Leib</l><lb/> <l>Mit weiſſen, weichen Armen.</l><lb/> <l>„Ach, Walther traut! mein liebend Herz,</l><lb/> <l>Es ſchlägt an kaltes, ſtarres Erz,</l><lb/> <l>Es klopft nicht an dem deinen.“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0179]
Vom treuen Walther.
Der treue Walther ritt vorbei
An unſrer Frau Kapelle.
Da kniete gar in tiefer Reu’
Ein Mägdlein an der Schwelle.
„Halt an, halt an, mein Walther traut!
Kennſt du nicht mehr der Stimme Laut,
Die du ſo gerne hörteſt?“
„Wen ſeh’ ich hier? Die falſche Maid,
Ach! weiland, ach, die Meine!
Wo lieſſeſt du dein ſeiden Kleid?
Wo Gold und Edelſteine?“
„O daß ich von der Treue ließ!
Verloren iſt mein Paradies,
Bei dir nur find’ ich’s wieder.“
Er hub zu Roß das ſchöne Weib,
Er trug ein ſanft Erbarmen;
Sie ſchlang ſich feſt um ſeinen Leib
Mit weiſſen, weichen Armen.
„Ach, Walther traut! mein liebend Herz,
Es ſchlägt an kaltes, ſtarres Erz,
Es klopft nicht an dem deinen.“
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