Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Entsagung. Wer entwandelt durch den Garten Bei der Sterne bleichem Schein? Hat er Süßes zu erwarten? Wird die Nacht ihm selig seyn? Ach! der Harfner ist's, er sinkt Nieder an des Thurmes Fuße, Wo es spät herunterblinkt, Und beginnt zum Saitengruße: "Lausche, Jungfrau, aus der Höhe Einem Liede, dir geweiht! Daß ein Traum dich lind umwehe Aus der Kindheit Rosenzeit. Mit der Abendglocke Klang Kam ich, will vor Tage gehen, Und das Schloß, dem ich entsprang, Nicht im Sonnenstrale sehen. Von dem kerzenhellen Saale, Wo du throntest, blieb ich fern, Wo um dich bei'm reichen Mahle Freudig saßen edle Herrn. Mit der Freude nur vertraut, Hätten Frohes sie begehret, Nicht der Liebe Klagelaut, Nicht der Kindheit Recht geehret. Entſagung. Wer entwandelt durch den Garten Bei der Sterne bleichem Schein? Hat er Süßes zu erwarten? Wird die Nacht ihm ſelig ſeyn? Ach! der Harfner iſt’s, er ſinkt Nieder an des Thurmes Fuße, Wo es ſpät herunterblinkt, Und beginnt zum Saitengruße: „Lauſche, Jungfrau, aus der Höhe Einem Liede, dir geweiht! Daß ein Traum dich lind umwehe Aus der Kindheit Roſenzeit. Mit der Abendglocke Klang Kam ich, will vor Tage gehen, Und das Schloß, dem ich entſprang, Nicht im Sonnenſtrale ſehen. Von dem kerzenhellen Saale, Wo du thronteſt, blieb ich fern, Wo um dich bei’m reichen Mahle Freudig ſaßen edle Herrn. Mit der Freude nur vertraut, Hätten Frohes ſie begehret, Nicht der Liebe Klagelaut, Nicht der Kindheit Recht geehret. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0161" n="[155]"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Entſagung</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wer entwandelt durch den Garten</l><lb/> <l>Bei der Sterne bleichem Schein?</l><lb/> <l>Hat er Süßes zu erwarten?</l><lb/> <l>Wird die Nacht ihm ſelig ſeyn?</l><lb/> <l>Ach! der Harfner iſt’s, er ſinkt</l><lb/> <l>Nieder an des Thurmes Fuße,</l><lb/> <l>Wo es ſpät herunterblinkt,</l><lb/> <l>Und beginnt zum Saitengruße:</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>„Lauſche, Jungfrau, aus der Höhe</l><lb/> <l>Einem Liede, dir geweiht!</l><lb/> <l>Daß ein Traum dich lind umwehe</l><lb/> <l>Aus der Kindheit Roſenzeit.</l><lb/> <l>Mit der Abendglocke Klang</l><lb/> <l>Kam ich, will vor Tage gehen,</l><lb/> <l>Und das Schloß, dem ich entſprang,</l><lb/> <l>Nicht im Sonnenſtrale ſehen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Von dem kerzenhellen Saale,</l><lb/> <l>Wo du thronteſt, blieb ich fern,</l><lb/> <l>Wo um dich bei’m reichen Mahle</l><lb/> <l>Freudig ſaßen edle Herrn.</l><lb/> <l>Mit der Freude nur vertraut,</l><lb/> <l>Hätten Frohes ſie begehret,</l><lb/> <l>Nicht der Liebe Klagelaut,</l><lb/> <l>Nicht der Kindheit Recht geehret.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[155]/0161]
Entſagung.
Wer entwandelt durch den Garten
Bei der Sterne bleichem Schein?
Hat er Süßes zu erwarten?
Wird die Nacht ihm ſelig ſeyn?
Ach! der Harfner iſt’s, er ſinkt
Nieder an des Thurmes Fuße,
Wo es ſpät herunterblinkt,
Und beginnt zum Saitengruße:
„Lauſche, Jungfrau, aus der Höhe
Einem Liede, dir geweiht!
Daß ein Traum dich lind umwehe
Aus der Kindheit Roſenzeit.
Mit der Abendglocke Klang
Kam ich, will vor Tage gehen,
Und das Schloß, dem ich entſprang,
Nicht im Sonnenſtrale ſehen.
Von dem kerzenhellen Saale,
Wo du thronteſt, blieb ich fern,
Wo um dich bei’m reichen Mahle
Freudig ſaßen edle Herrn.
Mit der Freude nur vertraut,
Hätten Frohes ſie begehret,
Nicht der Liebe Klagelaut,
Nicht der Kindheit Recht geehret.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |