Wer entwandelt durch den Garten Bei der Sterne bleichem Schein? Hat er Süßes zu erwarten? Wird die Nacht ihm selig seyn? Ach! der Harfner ist's, er sinkt Nieder an des Thurmes Fuße, Wo es spät herunterblinkt, Und beginnt zum Saitengruße:
"Lausche, Jungfrau, aus der Höhe Einem Liede, dir geweiht! Daß ein Traum dich lind umwehe Aus der Kindheit Rosenzeit. Mit der Abendglocke Klang Kam ich, will vor Tage gehen, Und das Schloß, dem ich entsprang, Nicht im Sonnenstrale sehen.
Von dem kerzenhellen Saale, Wo du throntest, blieb ich fern, Wo um dich bei'm reichen Mahle Freudig saßen edle Herrn. Mit der Freude nur vertraut, Hätten Frohes sie begehret, Nicht der Liebe Klagelaut, Nicht der Kindheit Recht geehret.
Entſagung.
Wer entwandelt durch den Garten Bei der Sterne bleichem Schein? Hat er Süßes zu erwarten? Wird die Nacht ihm ſelig ſeyn? Ach! der Harfner iſt’s, er ſinkt Nieder an des Thurmes Fuße, Wo es ſpät herunterblinkt, Und beginnt zum Saitengruße:
„Lauſche, Jungfrau, aus der Höhe Einem Liede, dir geweiht! Daß ein Traum dich lind umwehe Aus der Kindheit Roſenzeit. Mit der Abendglocke Klang Kam ich, will vor Tage gehen, Und das Schloß, dem ich entſprang, Nicht im Sonnenſtrale ſehen.
Von dem kerzenhellen Saale, Wo du thronteſt, blieb ich fern, Wo um dich bei’m reichen Mahle Freudig ſaßen edle Herrn. Mit der Freude nur vertraut, Hätten Frohes ſie begehret, Nicht der Liebe Klagelaut, Nicht der Kindheit Recht geehret.
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[[155]/0161]
Entſagung.
Wer entwandelt durch den Garten
Bei der Sterne bleichem Schein?
Hat er Süßes zu erwarten?
Wird die Nacht ihm ſelig ſeyn?
Ach! der Harfner iſt’s, er ſinkt
Nieder an des Thurmes Fuße,
Wo es ſpät herunterblinkt,
Und beginnt zum Saitengruße:
„Lauſche, Jungfrau, aus der Höhe
Einem Liede, dir geweiht!
Daß ein Traum dich lind umwehe
Aus der Kindheit Roſenzeit.
Mit der Abendglocke Klang
Kam ich, will vor Tage gehen,
Und das Schloß, dem ich entſprang,
Nicht im Sonnenſtrale ſehen.
Von dem kerzenhellen Saale,
Wo du thronteſt, blieb ich fern,
Wo um dich bei’m reichen Mahle
Freudig ſaßen edle Herrn.
Mit der Freude nur vertraut,
Hätten Frohes ſie begehret,
Nicht der Liebe Klagelaut,
Nicht der Kindheit Recht geehret.
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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. [155]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/161>, abgerufen am 16.07.2024.
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