Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Des Dichters Abendgang. Ergehst du dich im Abendlicht, -- Das ist die Zeit der Dichterwonne -- So wende stets dein Angesicht Zum Glanze der gesunknen Sonne! In hoher Feier schwebt dein Geist, Du schauest in des Tempels Hallen, Wo alles Heil'ge sich erschleußt Und himmlische Gebilde wallen. Wann aber um das Heiligthum Die dunkeln Wolken niederrollen: Dann ist's vollbracht, du kehrest um, Beseligt von dem Wundervollen. In stiller Rührung wirst du gehn, Du trägst in dir des Liedes Segen; Das Lichte, das du dort gesehn, Umglänzt dich mild auf finstern Wegen. Des Dichters Abendgang. Ergehſt du dich im Abendlicht, — Das iſt die Zeit der Dichterwonne — So wende ſtets dein Angeſicht Zum Glanze der geſunknen Sonne! In hoher Feier ſchwebt dein Geiſt, Du ſchaueſt in des Tempels Hallen, Wo alles Heil’ge ſich erſchleußt Und himmliſche Gebilde wallen. Wann aber um das Heiligthum Die dunkeln Wolken niederrollen: Dann iſt’s vollbracht, du kehreſt um, Beſeligt von dem Wundervollen. In ſtiller Rührung wirſt du gehn, Du trägſt in dir des Liedes Segen; Das Lichte, das du dort geſehn, Umglänzt dich mild auf finſtern Wegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0015" n="[9]"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Des Dichters Abendgang</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ergehſt du dich im Abendlicht, —</l><lb/> <l>Das iſt die Zeit der Dichterwonne —</l><lb/> <l>So wende ſtets dein Angeſicht</l><lb/> <l>Zum Glanze der geſunknen Sonne!</l><lb/> <l>In hoher Feier ſchwebt dein Geiſt,</l><lb/> <l>Du ſchaueſt in des Tempels Hallen,</l><lb/> <l>Wo alles Heil’ge ſich erſchleußt</l><lb/> <l>Und himmliſche Gebilde wallen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wann aber um das Heiligthum</l><lb/> <l>Die dunkeln Wolken niederrollen:</l><lb/> <l>Dann iſt’s vollbracht, du kehreſt um,</l><lb/> <l>Beſeligt von dem Wundervollen.</l><lb/> <l>In ſtiller Rührung wirſt du gehn,</l><lb/> <l>Du trägſt in dir des Liedes Segen;</l><lb/> <l>Das Lichte, das du dort geſehn,</l><lb/> <l>Umglänzt dich mild auf finſtern Wegen.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [[9]/0015]
Des Dichters Abendgang.
Ergehſt du dich im Abendlicht, —
Das iſt die Zeit der Dichterwonne —
So wende ſtets dein Angeſicht
Zum Glanze der geſunknen Sonne!
In hoher Feier ſchwebt dein Geiſt,
Du ſchaueſt in des Tempels Hallen,
Wo alles Heil’ge ſich erſchleußt
Und himmliſche Gebilde wallen.
Wann aber um das Heiligthum
Die dunkeln Wolken niederrollen:
Dann iſt’s vollbracht, du kehreſt um,
Beſeligt von dem Wundervollen.
In ſtiller Rührung wirſt du gehn,
Du trägſt in dir des Liedes Segen;
Das Lichte, das du dort geſehn,
Umglänzt dich mild auf finſtern Wegen.
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Zitationshilfe: | Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. [9]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/15>, abgerufen am 16.07.2024. |