Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Ein Abend. Als wäre nichts geschehen, wird es stille, Die Glocken hallen aus, die Lieder enden. Und leichter ward mir in der Thränen Fülle, Seit Sie versenket war von frommen Händen. Als noch im Hause lag die bleiche Hülle, Da wußt' ich nicht, wohin nach Ihr mich wenden; Sie schien mir, heimathlos, mit Klaggebärde, Zu schweben zwischen Himmel hin und Erde. Die Abendsonne stralt', ich saß im Kühlen Und blickte tief in's lichte Grün der Matten; Mir dünkte bald, zwei Kinder säh' ich spielen, So blühend, wie einst wir geblühet hatten. Da sank die Sonne, graue Schleier fielen, Die Bilder fliehn, die Erde liegt im Schatten; Ich blick' empor, und hoch in Aethers Auen Ist Abendroth und all mein Glück zu schauen. Ein Abend. Als wäre nichts geſchehen, wird es ſtille, Die Glocken hallen aus, die Lieder enden. Und leichter ward mir in der Thränen Fülle, Seit Sie verſenket war von frommen Händen. Als noch im Hauſe lag die bleiche Hülle, Da wußt’ ich nicht, wohin nach Ihr mich wenden; Sie ſchien mir, heimathlos, mit Klaggebärde, Zu ſchweben zwiſchen Himmel hin und Erde. Die Abendſonne ſtralt’, ich ſaß im Kühlen Und blickte tief in’s lichte Grün der Matten; Mir dünkte bald, zwei Kinder ſäh’ ich ſpielen, So blühend, wie einſt wir geblühet hatten. Da ſank die Sonne, graue Schleier fielen, Die Bilder fliehn, die Erde liegt im Schatten; Ich blick’ empor, und hoch in Aethers Auen Iſt Abendroth und all mein Glück zu ſchauen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0124" n="118"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Ein Abend</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Als wäre nichts geſchehen, wird es ſtille,</l><lb/> <l>Die Glocken hallen aus, die Lieder enden.</l><lb/> <l>Und leichter ward mir in der Thränen Fülle,</l><lb/> <l>Seit Sie verſenket war von frommen Händen.</l><lb/> <l>Als noch im Hauſe lag die bleiche Hülle,</l><lb/> <l>Da wußt’ ich nicht, wohin nach Ihr mich wenden;</l><lb/> <l>Sie ſchien mir, heimathlos, mit Klaggebärde,</l><lb/> <l>Zu ſchweben zwiſchen Himmel hin und Erde.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Abendſonne ſtralt’, ich ſaß im Kühlen</l><lb/> <l>Und blickte tief in’s lichte Grün der Matten;</l><lb/> <l>Mir dünkte bald, zwei Kinder ſäh’ ich ſpielen,</l><lb/> <l>So blühend, wie einſt wir geblühet hatten.</l><lb/> <l>Da ſank die Sonne, graue Schleier fielen,</l><lb/> <l>Die Bilder fliehn, die Erde liegt im Schatten;</l><lb/> <l>Ich blick’ empor, und hoch in Aethers Auen</l><lb/> <l>Iſt Abendroth und all mein Glück zu ſchauen.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [118/0124]
Ein Abend.
Als wäre nichts geſchehen, wird es ſtille,
Die Glocken hallen aus, die Lieder enden.
Und leichter ward mir in der Thränen Fülle,
Seit Sie verſenket war von frommen Händen.
Als noch im Hauſe lag die bleiche Hülle,
Da wußt’ ich nicht, wohin nach Ihr mich wenden;
Sie ſchien mir, heimathlos, mit Klaggebärde,
Zu ſchweben zwiſchen Himmel hin und Erde.
Die Abendſonne ſtralt’, ich ſaß im Kühlen
Und blickte tief in’s lichte Grün der Matten;
Mir dünkte bald, zwei Kinder ſäh’ ich ſpielen,
So blühend, wie einſt wir geblühet hatten.
Da ſank die Sonne, graue Schleier fielen,
Die Bilder fliehn, die Erde liegt im Schatten;
Ich blick’ empor, und hoch in Aethers Auen
Iſt Abendroth und all mein Glück zu ſchauen.
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