Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Oeder Frühling. Wohl denk' ich jener sel'gen Jugendträume, Obschon sich die Gefühle mir versagen, Wann in den ersten, milden Frühlingstagen Im Busen sich mir drängten volle Keime. Die Ahnung lockte mich in ferne Räume, Wann wo ein Laut des Lenzes angeschlagen; Die Hoffnung wollte sich zum Lichte wagen, Wie aus den Knospen frisches Grün der Bäume. Doch nun, da ich das Höchste jüngst genossen, Gerissen aus dem innigsten Vereine, Vom reichsten Paradiese kaum verstoßen: Was sollen nun mir halbergrünte Triften, Einsamer Amselschlag im todten Haine, Ein armes Veilchen, noch so süß von Düften? Oeder Frühling. Wohl denk’ ich jener ſel’gen Jugendträume, Obſchon ſich die Gefühle mir verſagen, Wann in den erſten, milden Frühlingstagen Im Buſen ſich mir drängten volle Keime. Die Ahnung lockte mich in ferne Räume, Wann wo ein Laut des Lenzes angeſchlagen; Die Hoffnung wollte ſich zum Lichte wagen, Wie aus den Knoſpen friſches Grün der Bäume. Doch nun, da ich das Höchſte jüngſt genoſſen, Geriſſen aus dem innigſten Vereine, Vom reichſten Paradieſe kaum verſtoßen: Was ſollen nun mir halbergrünte Triften, Einſamer Amſelſchlag im todten Haine, Ein armes Veilchen, noch ſo ſüß von Düften? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0114" n="108"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Oeder Frühling</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wohl denk’ ich jener ſel’gen Jugendträume,</l><lb/> <l>Obſchon ſich die Gefühle mir verſagen,</l><lb/> <l>Wann in den erſten, milden Frühlingstagen</l><lb/> <l>Im Buſen ſich mir drängten volle Keime.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Ahnung lockte mich in ferne Räume,</l><lb/> <l>Wann wo ein Laut des Lenzes angeſchlagen;</l><lb/> <l>Die Hoffnung wollte ſich zum Lichte wagen,</l><lb/> <l>Wie aus den Knoſpen friſches Grün der Bäume.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch nun, da ich das Höchſte jüngſt genoſſen,</l><lb/> <l>Geriſſen aus dem innigſten Vereine,</l><lb/> <l>Vom reichſten Paradieſe kaum verſtoßen:</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Was ſollen nun mir halbergrünte Triften,</l><lb/> <l>Einſamer Amſelſchlag im todten Haine,</l><lb/> <l>Ein armes Veilchen, noch ſo ſüß von Düften?</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [108/0114]
Oeder Frühling.
Wohl denk’ ich jener ſel’gen Jugendträume,
Obſchon ſich die Gefühle mir verſagen,
Wann in den erſten, milden Frühlingstagen
Im Buſen ſich mir drängten volle Keime.
Die Ahnung lockte mich in ferne Räume,
Wann wo ein Laut des Lenzes angeſchlagen;
Die Hoffnung wollte ſich zum Lichte wagen,
Wie aus den Knoſpen friſches Grün der Bäume.
Doch nun, da ich das Höchſte jüngſt genoſſen,
Geriſſen aus dem innigſten Vereine,
Vom reichſten Paradieſe kaum verſtoßen:
Was ſollen nun mir halbergrünte Triften,
Einſamer Amſelſchlag im todten Haine,
Ein armes Veilchen, noch ſo ſüß von Düften?
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