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Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.

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Rec
ten, und mit Jnstrumenten, wo
er Vorzugsweise ein Accompa-
gnement
heißt. Diese Art zu sin-
gen hat die Freyheit, daß sie sich
nach der gemeinen Ausrede rich-
tet, und mit allerhand Ton-Ar-
ten ungebunden spielet, darinne
herum wandert, anfänget oder
schliesset, wie und wo sichs am
besten schicket. Der Recitativ
hat wol einen Tact, braucht ihn
aber nicht, das ist, der Sänger
darf sich nicht daran binden. Jn
dem Accompagnement aber hat
man, um die Spielende im Gleich-
gewichte zu halten, noch etwas
mehr Achtung auf die Zeit-Maasse,
iedoch muß solches im Singen
kaum gemercket werden. Dieses
ist vom Welschen Recitativ, und
vom Deutschen, der nach Jtalie-
nischer Art gesetzt worden, zu ver-
stehen. Die Frantzosen hingegen
nehmen in ihrem Recit fast alle
Tact-Arten eine nach der andern
vor, und meinen durch solche Ver-
änderung den Wort-Füssen, die
sehr ungleich ausfallen, zu Hülfe
und ihrer natürlichen Aussprache
desto näher zu kommen; alleine
sie machen dadurch den Gesang
nur desto gezwungener und un-
vernehmlicher, weil sie in ihrer
Sprache fast gar keine Länge oder
Kürtze der Sylben auf eine kunst-
mäßige Art beobachten; daher sie
destoweniger nöthig hätten, ihren
Recit nach dem Tact, oder viel-
mehr nach allerhand Täcten und
deren genauer Führung abzusin-
gen. Jndessen ist es keine so ge-
ringe Sache um einen guten Re-
citativ, wie mancher meinen möch-
te. Seine seltene Eigenschafften
sind: 1) Er will überall nicht ge-
zwungen, sondern gantz natürlich
seyn; 2) der Nachdruck muß sehr
[Spaltenumbruch]
Rec
wohl dabey in Acht genommen
werden; 3) der Affect darf nicht
den geringsten Abbruch leiden;
4) es muß alles so leicht und ver-
ständlich in die Ohren fallen, als
ob es geredet würde; 5) er dringt
weit schärfer auf die Richtigkeit
der Einschnitte, als alle Arien,
denn bey diesen siehet man bis-
weilen der angenehmen Melodie
etwas nach; 6) Melismata oder
öftere Wiederholungen gehören
eigentlich nicht in den Recitativ,
ausser bey einigen gar sonderlichen,
doch seltenen Vorfällen; 7) der
Accent ist keinen Augenblick aus
der Acht zu lassen; 8) die Caesur
des Tactes, ob diese gleich selbst
feyret, muß dennoch im Schrei-
ben ihre Richtigkeit haben; 9) die
eingeführte Schreibart muß, mit
allen ihren bekannten Clauseln,
beybehalten werden, und doch
immer was neues und unbekann-
tes in der Abwechselung mit den
Tonen darlegen; (welches der
wichtigste Punct ist:) 10) die er-
sinnlichste Veränderung in den
Gängen und Fällen muß, sonder-
lich in dem Baß, gesucht werden,
doch so als kämen sie von ohnge-
fehr, und ja nicht wider den Sinn
der Worte.

Reckheim,

Stadt und Schloß, welche der
freyen Reichs-Grafschaft auf
den Jülichischen und Lüttichischen
Grentzen den Nahmen giebt, und
welche den Grafen von Aspremont
und Reckheim, die auf der West-
phälischen Banck Sitz und Stim-
me haben, gehöret. Sie haben
im Wappen ein gülden Creutz im
rothen Felde, wegen der Grafschaft
Aspermont; einen rothen Löwen
im güldenen Felde, wegen der

Graf-

[Spaltenumbruch]

Rec
ten, und mit Jnſtrumenten, wo
er Vorzugsweiſe ein Accompa-
gnement
heißt. Dieſe Art zu ſin-
gen hat die Freyheit, daß ſie ſich
nach der gemeinen Ausrede rich-
tet, und mit allerhand Ton-Ar-
ten ungebunden ſpielet, darinne
herum wandert, anfaͤnget oder
ſchlieſſet, wie und wo ſichs am
beſten ſchicket. Der Recitativ
hat wol einen Tact, braucht ihn
aber nicht, das iſt, der Saͤnger
darf ſich nicht daran binden. Jn
dem Accompagnement aber hat
man, um die Spielende im Gleich-
gewichte zu halten, noch etwas
mehr Achtung auf die Zeit-Maaſſe,
iedoch muß ſolches im Singen
kaum gemercket werden. Dieſes
iſt vom Welſchen Recitativ, und
vom Deutſchen, der nach Jtalie-
niſcher Art geſetzt worden, zu ver-
ſtehen. Die Frantzoſen hingegen
nehmen in ihrem Recit faſt alle
Tact-Arten eine nach der andern
vor, und meinen durch ſolche Ver-
aͤnderung den Wort-Fuͤſſen, die
ſehr ungleich ausfallen, zu Huͤlfe
und ihrer natuͤrlichen Ausſprache
deſto naͤher zu kommen; alleine
ſie machen dadurch den Geſang
nur deſto gezwungener und un-
vernehmlicher, weil ſie in ihrer
Sprache faſt gar keine Laͤnge oder
Kuͤrtze der Sylben auf eine kunſt-
maͤßige Art beobachten; daher ſie
deſtoweniger noͤthig haͤtten, ihren
Recit nach dem Tact, oder viel-
mehr nach allerhand Taͤcten und
deren genauer Fuͤhrung abzuſin-
gen. Jndeſſen iſt es keine ſo ge-
ringe Sache um einen guten Re-
citativ, wie mancher meinen moͤch-
te. Seine ſeltene Eigenſchafften
ſind: 1) Er will uͤberall nicht ge-
zwungen, ſondern gantz natuͤrlich
ſeyn; 2) der Nachdruck muß ſehr
[Spaltenumbruch]
Rec
wohl dabey in Acht genommen
werden; 3) der Affect darf nicht
den geringſten Abbruch leiden;
4) es muß alles ſo leicht und ver-
ſtaͤndlich in die Ohren fallen, als
ob es geredet wuͤrde; 5) er dringt
weit ſchaͤrfer auf die Richtigkeit
der Einſchnitte, als alle Arien,
denn bey dieſen ſiehet man bis-
weilen der angenehmen Melodie
etwas nach; 6) Melismata oder
oͤftere Wiederholungen gehoͤren
eigentlich nicht in den Recitativ,
auſſer bey einigen gar ſonderlichen,
doch ſeltenen Vorfaͤllen; 7) der
Accent iſt keinen Augenblick aus
der Acht zu laſſen; 8) die Cæſur
des Tactes, ob dieſe gleich ſelbſt
feyret, muß dennoch im Schrei-
ben ihre Richtigkeit haben; 9) die
eingefuͤhrte Schreibart muß, mit
allen ihren bekannten Clauſeln,
beybehalten werden, und doch
immer was neues und unbekann-
tes in der Abwechſelung mit den
Tonen darlegen; (welches der
wichtigſte Punct iſt:) 10) die er-
ſinnlichſte Veraͤnderung in den
Gaͤngen und Faͤllen muß, ſonder-
lich in dem Baß, geſucht werden,
doch ſo als kaͤmen ſie von ohnge-
fehr, und ja nicht wider den Sinn
der Worte.

Reckheim,

Stadt und Schloß, welche der
freyen Reichs-Grafſchaft auf
den Juͤlichiſchen und Luͤttichiſchen
Grentzen den Nahmen giebt, und
welche den Grafen von Aſpremont
und Reckheim, die auf der Weſt-
phaͤliſchen Banck Sitz und Stim-
me haben, gehoͤret. Sie haben
im Wappen ein guͤlden Creutz im
rothen Felde, wegen der Grafſchaft
Aſpermont; einen rothen Loͤwen
im guͤldenen Felde, wegen der

Graf-
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[0968] Rec Rec ten, und mit Jnſtrumenten, wo er Vorzugsweiſe ein Accompa- gnement heißt. Dieſe Art zu ſin- gen hat die Freyheit, daß ſie ſich nach der gemeinen Ausrede rich- tet, und mit allerhand Ton-Ar- ten ungebunden ſpielet, darinne herum wandert, anfaͤnget oder ſchlieſſet, wie und wo ſichs am beſten ſchicket. Der Recitativ hat wol einen Tact, braucht ihn aber nicht, das iſt, der Saͤnger darf ſich nicht daran binden. Jn dem Accompagnement aber hat man, um die Spielende im Gleich- gewichte zu halten, noch etwas mehr Achtung auf die Zeit-Maaſſe, iedoch muß ſolches im Singen kaum gemercket werden. Dieſes iſt vom Welſchen Recitativ, und vom Deutſchen, der nach Jtalie- niſcher Art geſetzt worden, zu ver- ſtehen. Die Frantzoſen hingegen nehmen in ihrem Recit faſt alle Tact-Arten eine nach der andern vor, und meinen durch ſolche Ver- aͤnderung den Wort-Fuͤſſen, die ſehr ungleich ausfallen, zu Huͤlfe und ihrer natuͤrlichen Ausſprache deſto naͤher zu kommen; alleine ſie machen dadurch den Geſang nur deſto gezwungener und un- vernehmlicher, weil ſie in ihrer Sprache faſt gar keine Laͤnge oder Kuͤrtze der Sylben auf eine kunſt- maͤßige Art beobachten; daher ſie deſtoweniger noͤthig haͤtten, ihren Recit nach dem Tact, oder viel- mehr nach allerhand Taͤcten und deren genauer Fuͤhrung abzuſin- gen. Jndeſſen iſt es keine ſo ge- ringe Sache um einen guten Re- citativ, wie mancher meinen moͤch- te. Seine ſeltene Eigenſchafften ſind: 1) Er will uͤberall nicht ge- zwungen, ſondern gantz natuͤrlich ſeyn; 2) der Nachdruck muß ſehr wohl dabey in Acht genommen werden; 3) der Affect darf nicht den geringſten Abbruch leiden; 4) es muß alles ſo leicht und ver- ſtaͤndlich in die Ohren fallen, als ob es geredet wuͤrde; 5) er dringt weit ſchaͤrfer auf die Richtigkeit der Einſchnitte, als alle Arien, denn bey dieſen ſiehet man bis- weilen der angenehmen Melodie etwas nach; 6) Melismata oder oͤftere Wiederholungen gehoͤren eigentlich nicht in den Recitativ, auſſer bey einigen gar ſonderlichen, doch ſeltenen Vorfaͤllen; 7) der Accent iſt keinen Augenblick aus der Acht zu laſſen; 8) die Cæſur des Tactes, ob dieſe gleich ſelbſt feyret, muß dennoch im Schrei- ben ihre Richtigkeit haben; 9) die eingefuͤhrte Schreibart muß, mit allen ihren bekannten Clauſeln, beybehalten werden, und doch immer was neues und unbekann- tes in der Abwechſelung mit den Tonen darlegen; (welches der wichtigſte Punct iſt:) 10) die er- ſinnlichſte Veraͤnderung in den Gaͤngen und Faͤllen muß, ſonder- lich in dem Baß, geſucht werden, doch ſo als kaͤmen ſie von ohnge- fehr, und ja nicht wider den Sinn der Worte. Reckheim, Stadt und Schloß, welche der freyen Reichs-Grafſchaft auf den Juͤlichiſchen und Luͤttichiſchen Grentzen den Nahmen giebt, und welche den Grafen von Aſpremont und Reckheim, die auf der Weſt- phaͤliſchen Banck Sitz und Stim- me haben, gehoͤret. Sie haben im Wappen ein guͤlden Creutz im rothen Felde, wegen der Grafſchaft Aſpermont; einen rothen Loͤwen im guͤldenen Felde, wegen der Graf-

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Zitationshilfe: Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trichter_ritterexercitienlexikon_1742/968>, abgerufen am 21.12.2024.