Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Rab nicht wie andere Vögel, sondernbleibet über Winter hie, und sucht seinen Aufenthalt an feuchten Or- ten und fruchtbaren Aeckern, da es ihme an Gewürme zu seiner Nahrung nicht mangeln kan. Er ist nicht nur den Ochsen und Eseln, sondern auch allen Raub-Vögeln feind, und so kühn, daß er sich mit ihnen in Kampff einlassen darff, und stehet in dergleichen Streit einer dem andern tapffer bey, daß auch der hertzhafteste Raub-Vogel, wenn er von etli- chen Raben zugleich angefallen wird, die Flucht vor ihnen nehmen muß. Dieser Vogel hat eine breite Zunge, und kan man ihm, sonderlich wo er jung eingefangen worden, allerley Stimmen der Menschen und Thiere nachzuma- chen lernen; ingleichen lässet er sich auch sonst zu vielerley lächer- lichen Possen angewehnen, bey allen diesen aber führt er die Ei- genschafft, daß er gerne stielt, daher das Sprichwort bleibet: Er stielt wie ein Rade. Der Rabe ist gegen das Wetter, wie viele andere Thiere und Vögel sehr empfindlich, und verkündi- get dessen Veränderung, denn wenn er gegen den Abend mit ei- ner hellen und muntern Stimme sich hören lässet, wird daraus ein gutes Wetter; wenn sie aber gleichsam gluchzeud oder schnar- rend schreyen, Regen und Unge- stüm geschlossen. Die Raben- Federn haben harte Kiele, dienen zu feinen Reiß-Federn, inglei- chen die Tangenten in den Spi- netten zu fiedern. Jn Liefland giebt es eine Raben-Art, die man See-Raben nennet, deren Schna- bel gleich einer Säge mit Zähnen versehen ist. Sie halten sich in [Spaltenumbruch] Rac Thürnen und alten Gebäudenauf, und nähren sich von Getreid und Früchten, auch von Fröschen und anderem Ungeziefer. Jn der Schweitz, auch in Friaul und in Franckreich wird der Wald- oder Stein-Rabe gefunden, welcher von seinem Geschrey auch der Scheller genennet wird. Er ist so groß wie eine Henne, hat schwar- tze mit grün unterspielende Federn, einen röthlichen spitzigen Schna- bel und braune Beine. Er wohnt in alten Gemäuern und Fels- Löchern, und wird, wenn er jung aus dem Neste genommen, vor ein Leckerbißlein gehalten. Rabenschnäbel, Becs de Corbin, Eine Leib-Garde des Königs in Rab-Zähne, Werden an einem Pferde die Raccolt, un pas raccolt, Eine alte Expression, und will digste
[Spaltenumbruch] Rab nicht wie andere Voͤgel, ſondernbleibet uͤber Winter hie, und ſucht ſeinen Aufenthalt an feuchten Or- ten und fruchtbaren Aeckern, da es ihme an Gewuͤrme zu ſeiner Nahrung nicht mangeln kan. Er iſt nicht nur den Ochſen und Eſeln, ſondern auch allen Raub-Voͤgeln feind, und ſo kuͤhn, daß er ſich mit ihnen in Kampff einlaſſen darff, und ſtehet in dergleichen Streit einer dem andern tapffer bey, daß auch der hertzhafteſte Raub-Vogel, wenn er von etli- chen Raben zugleich angefallen wird, die Flucht vor ihnen nehmen muß. Dieſer Vogel hat eine breite Zunge, und kan man ihm, ſonderlich wo er jung eingefangen worden, allerley Stimmen der Menſchen und Thiere nachzuma- chen lernen; ingleichen laͤſſet er ſich auch ſonſt zu vielerley laͤcher- lichen Poſſen angewehnen, bey allen dieſen aber fuͤhrt er die Ei- genſchafft, daß er gerne ſtielt, daher das Sprichwort bleibet: Er ſtielt wie ein Rade. Der Rabe iſt gegen das Wetter, wie viele andere Thiere und Voͤgel ſehr empfindlich, und verkuͤndi- get deſſen Veraͤnderung, denn wenn er gegen den Abend mit ei- ner hellen und muntern Stimme ſich hoͤren laͤſſet, wird daraus ein gutes Wetter; wenn ſie aber gleichſam gluchzeud oder ſchnar- rend ſchreyen, Regen und Unge- ſtuͤm geſchloſſen. Die Raben- Federn haben harte Kiele, dienen zu feinen Reiß-Federn, inglei- chen die Tangenten in den Spi- netten zu fiedern. Jn Liefland giebt es eine Raben-Art, die man See-Raben nennet, deren Schna- bel gleich einer Saͤge mit Zaͤhnen verſehen iſt. Sie halten ſich in [Spaltenumbruch] Rac Thuͤrnen und alten Gebaͤudenauf, und naͤhren ſich von Getreid und Fruͤchten, auch von Froͤſchen und anderem Ungeziefer. Jn der Schweitz, auch in Friaul und in Franckreich wird der Wald- oder Stein-Rabe gefunden, welcher von ſeinem Geſchrey auch der Scheller genennet wird. Er iſt ſo groß wie eine Henne, hat ſchwar- tze mit gruͤn unterſpielende Federn, einen roͤthlichen ſpitzigen Schna- bel und braune Beine. Er wohnt in alten Gemaͤuern und Fels- Loͤchern, und wird, wenn er jung aus dem Neſte genommen, vor ein Leckerbißlein gehalten. Rabenſchnaͤbel, Becs de Corbin, Eine Leib-Garde des Koͤnigs in Rab-Zaͤhne, Werden an einem Pferde die Raccolt, un pas raccolt, Eine alte Expreſſion, und will digſte
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Rab
Rac
nicht wie andere Voͤgel, ſondern
bleibet uͤber Winter hie, und ſucht
ſeinen Aufenthalt an feuchten Or-
ten und fruchtbaren Aeckern, da
es ihme an Gewuͤrme zu ſeiner
Nahrung nicht mangeln kan. Er
iſt nicht nur den Ochſen und Eſeln,
ſondern auch allen Raub-Voͤgeln
feind, und ſo kuͤhn, daß er ſich
mit ihnen in Kampff einlaſſen
darff, und ſtehet in dergleichen
Streit einer dem andern tapffer
bey, daß auch der hertzhafteſte
Raub-Vogel, wenn er von etli-
chen Raben zugleich angefallen
wird, die Flucht vor ihnen nehmen
muß. Dieſer Vogel hat eine
breite Zunge, und kan man ihm,
ſonderlich wo er jung eingefangen
worden, allerley Stimmen der
Menſchen und Thiere nachzuma-
chen lernen; ingleichen laͤſſet er
ſich auch ſonſt zu vielerley laͤcher-
lichen Poſſen angewehnen, bey
allen dieſen aber fuͤhrt er die Ei-
genſchafft, daß er gerne ſtielt,
daher das Sprichwort bleibet:
Er ſtielt wie ein Rade. Der
Rabe iſt gegen das Wetter, wie
viele andere Thiere und Voͤgel
ſehr empfindlich, und verkuͤndi-
get deſſen Veraͤnderung, denn
wenn er gegen den Abend mit ei-
ner hellen und muntern Stimme
ſich hoͤren laͤſſet, wird daraus ein
gutes Wetter; wenn ſie aber
gleichſam gluchzeud oder ſchnar-
rend ſchreyen, Regen und Unge-
ſtuͤm geſchloſſen. Die Raben-
Federn haben harte Kiele, dienen
zu feinen Reiß-Federn, inglei-
chen die Tangenten in den Spi-
netten zu fiedern. Jn Liefland
giebt es eine Raben-Art, die man
See-Raben nennet, deren Schna-
bel gleich einer Saͤge mit Zaͤhnen
verſehen iſt. Sie halten ſich in
Thuͤrnen und alten Gebaͤuden
auf, und naͤhren ſich von Getreid
und Fruͤchten, auch von Froͤſchen
und anderem Ungeziefer. Jn der
Schweitz, auch in Friaul und in
Franckreich wird der Wald- oder
Stein-Rabe gefunden, welcher
von ſeinem Geſchrey auch der
Scheller genennet wird. Er iſt
ſo groß wie eine Henne, hat ſchwar-
tze mit gruͤn unterſpielende Federn,
einen roͤthlichen ſpitzigen Schna-
bel und braune Beine. Er wohnt
in alten Gemaͤuern und Fels-
Loͤchern, und wird, wenn er jung
aus dem Neſte genommen, vor
ein Leckerbißlein gehalten.
Rabenſchnaͤbel, Becs de
Corbin,
Eine Leib-Garde des Koͤnigs in
Franckreich von 200 Edelleuten,
welche bey Ceremonien ie 2 und
2 vor dem Koͤnig hergehen, und
ihre Rabenſchnaͤbel, welche eine
Art von Hellebarden iſt, in der
Hand tragen.
Rab-Zaͤhne,
Werden an einem Pferde die
zwoͤlf vordern Zaͤhne genennet,
davon ſechs oben und ſechs unten
im Maule ſtehen, und aus wel-
chen nebſt denen vier Hacken oder
Hunds-Zaͤhnen das Alter eines
Pferdes erkannt wird.
Raccolt, un pas raccolt,
Eine alte Expreſſion, und will
ſagen un pas averti, ein erhabener
langſamer Schulſchritt. Galop
raccolte iſt die rechte Soldaten-
Schule, und die erſte Bezeigung,
ſo unter die hohen Schulen gerech-
net wird; wie denn auch dieſelbe
(nebſt dem Redop) der nuͤtzlich-
ſte, nothwendigſte, wohlanſtaͤn-
digſte
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