Trichter, Valentin: Curiöses Reit- Jagd- Fecht- Tantz- oder Ritter-Exercitien-Lexicon. Leipzig, 1742.[Spaltenumbruch] Mus prattico nennen sie einen, der sichauf ein gewisses Jnstrument ins besondere leget. Obwohl zur Vollziehung einer Music Leute er- fodert werden, welche ein Werck erfinden, setzen, machen, verfas- sen und vorschreiben, das ist Com- ponisten, und solche, die es mit Singen und Klingen vortragen, das sind die Executeurs. Musicienne, Eine Sängerin, oder ein Frau- Musiciens, Nennen die Frantzosen die kop- Musick, Jst eine Wissenschafft und Mus Kreis-Kette aller Wissenschaff-ten und Künste, aller Reiche, Stände, Staaten etc. verstanden. 3) Musica Instrumentalis aber war bey ihnen das, was wir Musick nennen. Daß sie ihre Wirckungen zeige in Leibes- und Gemüths- Kranckheiten, sonderlich in Ver- treibung der Melancholey, in Er- regung und Stillung der Affecten, ist schon oben unter Musica ange- führet worden. Sonsten findet man noch verschiedene Beysatz- Worte bey den Schrifft-Stellern, welche sich aber meistens selber er- klären, als: Musica activa, arti- ficialis, choralis, colorata, com- binatoria, dramatica, Ecclesiasti- ca, figuralis, harmonica, histo- rica, hyporchematica, instru- mentalis, manierosa, mathemati- ca, melismatica, melodica, me- lopoetica, mensurata, metaboli- ca, metrica, mimica, mixta, mo- dulatoria, muta, occidentaria, odica, organica, pathetica, plana, poetica, politica, pythagorica, re- citativa, rhythmica, scenica, signatoria, speculativa, sympho- nialis, theatralis, tragica, vocalis, usualis. Da die Music bey den Gemüths-Neigungen sich geschäf- tig erweiset, und die nützlichen und guten erreget, die bösen und schädlichen hingegen lindert und dämpfet, so kan man sie mit Recht eine Zucht-Lehre nennen. Mr. Rollin sagt davon: Die Music mache die wilden Geister zahm, erweiche das harte und rohe We- sen der Gemüther, polire die Sit- ten, mache die Leute fähiger zur Zucht-Lehre, verbinde die mensch- lichen Hertzen auf eine süsse und angenehme Art mit einander, und bringe einen Abscheu zu wege vor allen solchen Lastern, die zur Strenge,
[Spaltenumbruch] Muſ prattico nennen ſie einen, der ſichauf ein gewiſſes Jnſtrument ins beſondere leget. Obwohl zur Vollziehung einer Muſic Leute er- fodert werden, welche ein Werck erfinden, ſetzen, machen, verfaſ- ſen und vorſchreiben, das iſt Com- poniſten, und ſolche, die es mit Singen und Klingen vortragen, das ſind die Executeurs. Muſicienne, Eine Saͤngerin, oder ein Frau- Muſiciens, Nennen die Frantzoſen die kop- Muſick, Jſt eine Wiſſenſchafft und Muſ Kreis-Kette aller Wiſſenſchaff-ten und Kuͤnſte, aller Reiche, Staͤnde, Staaten ꝛc. verſtanden. 3) Muſica Inſtrumentalis aber war bey ihnen das, was wir Muſick nennen. Daß ſie ihre Wirckungen zeige in Leibes- und Gemuͤths- Kranckheiten, ſonderlich in Ver- treibung der Melancholey, in Er- regung und Stillung der Affecten, iſt ſchon oben unter Muſica ange- fuͤhret worden. Sonſten findet man noch verſchiedene Beyſatz- Worte bey den Schrifft-Stellern, welche ſich aber meiſtens ſelber er- klaͤren, als: Muſica activa, arti- ficialis, choralis, colorata, com- binatoria, dramatica, Eccleſiaſti- ca, figuralis, harmonica, hiſto- rica, hyporchematica, inſtru- mentalis, manieroſa, mathemati- ca, meliſmatica, melodica, me- lopoëtica, menſurata, metaboli- ca, metrica, mimica, mixta, mo- dulatoria, muta, occidentaria, odica, organica, pathetica, plana, poëtica, politica, pythagorica, re- citativa, rhythmica, ſcenica, ſignatoria, ſpeculativa, ſympho- nialis, theatralis, tragica, vocalis, uſualis. Da die Muſic bey den Gemuͤths-Neigungen ſich geſchaͤf- tig erweiſet, und die nuͤtzlichen und guten erreget, die boͤſen und ſchaͤdlichen hingegen lindert und daͤmpfet, ſo kan man ſie mit Recht eine Zucht-Lehre nennen. Mr. Rollin ſagt davon: Die Muſic mache die wilden Geiſter zahm, erweiche das harte und rohe We- ſen der Gemuͤther, polire die Sit- ten, mache die Leute faͤhiger zur Zucht-Lehre, verbinde die menſch- lichen Hertzen auf eine ſuͤſſe und angenehme Art mit einander, und bringe einen Abſcheu zu wege vor allen ſolchen Laſtern, die zur Strenge,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0796"/><cb n="1551"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Muſ</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">prattico</hi> nennen ſie einen, der ſich<lb/> auf ein gewiſſes Jnſtrument ins<lb/> beſondere leget. Obwohl zur<lb/> Vollziehung einer Muſic Leute er-<lb/> fodert werden, welche ein Werck<lb/> erfinden, ſetzen, machen, verfaſ-<lb/> ſen und vorſchreiben, das iſt Com-<lb/> poniſten, und ſolche, die es mit<lb/> Singen und Klingen vortragen,<lb/> das ſind die <hi rendition="#aq">Executeurs.</hi></p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Muſicienne,</hi> </hi> </head><lb/> <p>Eine Saͤngerin, oder ein Frau-<lb/> enzimmer, welches auf einem oder<lb/> dem andern Jnſtrumente ſpie-<lb/> let.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Muſiciens,</hi> </hi> </head><lb/> <p>Nennen die Frantzoſen die kop-<lb/> penden Pferde oder die Groͤltzer,<lb/> weil ſie nicht einerley Ton von ſich<lb/> hoͤren laſſen, ſondern einer groͤl-<lb/> tzet klar, der andere grob, und ma-<lb/> chen im Stall eine beſondere Mu-<lb/> ſic, wem ſie gefaͤllt.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Muſick,</hi> </head><lb/> <p>Jſt eine Wiſſenſchafft und<lb/> Kunſt, geſchickte und angenehme<lb/> Klaͤnge kluͤglich zu ſtellen, richtig<lb/> an einander zu fuͤgen, und lieb-<lb/> lich heraus zu bringen, damit<lb/> durch ihren Wohllaut Gottes Eh-<lb/> re und alle Tugenden befoͤrdert<lb/> werden. Sie wird in die theo-<lb/> retiſche und practiſche eingethei-<lb/> let. Die Alten theilten ſie 1) <hi rendition="#aq">in<lb/> Muſicam mundanam,</hi> worunter<lb/> ſie die Zuſammenfuͤgung aller<lb/> ſichtbaren himmliſchen Coͤrper,<lb/> Sonne, Mond, Sterne ꝛc. die<lb/> Vermiſchung der Elementen, ja<lb/> den gantzen Weltbau verſtunden;<lb/> 2) <hi rendition="#aq">in Muſicam humanam,</hi> dar-<lb/> unter ward die Vereinigung<lb/> menſchlicher Seelen und Leiber,<lb/> die Verhaͤltniß eines Gliedes mit<lb/> dem andern, die Ordnung und<lb/><cb n="1552"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Muſ</hi></hi></fw><lb/> Kreis-Kette aller Wiſſenſchaff-<lb/> ten und Kuͤnſte, aller Reiche,<lb/> Staͤnde, Staaten ꝛc. verſtanden.<lb/> 3) <hi rendition="#aq">Muſica Inſtrumentalis</hi> aber war<lb/> bey ihnen das, was wir Muſick<lb/> nennen. Daß ſie ihre Wirckungen<lb/> zeige in Leibes- und Gemuͤths-<lb/> Kranckheiten, ſonderlich in Ver-<lb/> treibung der Melancholey, in Er-<lb/> regung und Stillung der Affecten,<lb/> iſt ſchon oben unter <hi rendition="#aq">Muſica</hi> ange-<lb/> fuͤhret worden. Sonſten findet<lb/> man noch verſchiedene Beyſatz-<lb/> Worte bey den Schrifft-Stellern,<lb/> welche ſich aber meiſtens ſelber er-<lb/> klaͤren, als: <hi rendition="#aq">Muſica activa, arti-<lb/> ficialis, choralis, colorata, com-<lb/> binatoria, dramatica, Eccleſiaſti-<lb/> ca, figuralis, harmonica, hiſto-<lb/> rica, hyporchematica, inſtru-<lb/> mentalis, manieroſa, mathemati-<lb/> ca, meliſmatica, melodica, me-<lb/> lopoëtica, menſurata, metaboli-<lb/> ca, metrica, mimica, mixta, mo-<lb/> dulatoria, muta, occidentaria,<lb/> odica, organica, pathetica, plana,<lb/> poëtica, politica, pythagorica, re-<lb/> citativa, rhythmica, ſcenica,<lb/> ſignatoria, ſpeculativa, ſympho-<lb/> nialis, theatralis, tragica, vocalis,<lb/> uſualis.</hi> Da die Muſic bey den<lb/> Gemuͤths-Neigungen ſich geſchaͤf-<lb/> tig erweiſet, und die nuͤtzlichen<lb/> und guten erreget, die boͤſen und<lb/> ſchaͤdlichen hingegen lindert und<lb/> daͤmpfet, ſo kan man ſie mit Recht<lb/> eine Zucht-Lehre nennen. <hi rendition="#aq">Mr.<lb/> Rollin</hi> ſagt davon: Die Muſic<lb/> mache die wilden Geiſter zahm,<lb/> erweiche das harte und rohe We-<lb/> ſen der Gemuͤther, polire die Sit-<lb/> ten, mache die Leute faͤhiger zur<lb/> Zucht-Lehre, verbinde die menſch-<lb/> lichen Hertzen auf eine ſuͤſſe und<lb/> angenehme Art mit einander, und<lb/> bringe einen Abſcheu zu wege vor<lb/> allen ſolchen Laſtern, die zur<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Strenge,</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0796]
Muſ
Muſ
prattico nennen ſie einen, der ſich
auf ein gewiſſes Jnſtrument ins
beſondere leget. Obwohl zur
Vollziehung einer Muſic Leute er-
fodert werden, welche ein Werck
erfinden, ſetzen, machen, verfaſ-
ſen und vorſchreiben, das iſt Com-
poniſten, und ſolche, die es mit
Singen und Klingen vortragen,
das ſind die Executeurs.
Muſicienne,
Eine Saͤngerin, oder ein Frau-
enzimmer, welches auf einem oder
dem andern Jnſtrumente ſpie-
let.
Muſiciens,
Nennen die Frantzoſen die kop-
penden Pferde oder die Groͤltzer,
weil ſie nicht einerley Ton von ſich
hoͤren laſſen, ſondern einer groͤl-
tzet klar, der andere grob, und ma-
chen im Stall eine beſondere Mu-
ſic, wem ſie gefaͤllt.
Muſick,
Jſt eine Wiſſenſchafft und
Kunſt, geſchickte und angenehme
Klaͤnge kluͤglich zu ſtellen, richtig
an einander zu fuͤgen, und lieb-
lich heraus zu bringen, damit
durch ihren Wohllaut Gottes Eh-
re und alle Tugenden befoͤrdert
werden. Sie wird in die theo-
retiſche und practiſche eingethei-
let. Die Alten theilten ſie 1) in
Muſicam mundanam, worunter
ſie die Zuſammenfuͤgung aller
ſichtbaren himmliſchen Coͤrper,
Sonne, Mond, Sterne ꝛc. die
Vermiſchung der Elementen, ja
den gantzen Weltbau verſtunden;
2) in Muſicam humanam, dar-
unter ward die Vereinigung
menſchlicher Seelen und Leiber,
die Verhaͤltniß eines Gliedes mit
dem andern, die Ordnung und
Kreis-Kette aller Wiſſenſchaff-
ten und Kuͤnſte, aller Reiche,
Staͤnde, Staaten ꝛc. verſtanden.
3) Muſica Inſtrumentalis aber war
bey ihnen das, was wir Muſick
nennen. Daß ſie ihre Wirckungen
zeige in Leibes- und Gemuͤths-
Kranckheiten, ſonderlich in Ver-
treibung der Melancholey, in Er-
regung und Stillung der Affecten,
iſt ſchon oben unter Muſica ange-
fuͤhret worden. Sonſten findet
man noch verſchiedene Beyſatz-
Worte bey den Schrifft-Stellern,
welche ſich aber meiſtens ſelber er-
klaͤren, als: Muſica activa, arti-
ficialis, choralis, colorata, com-
binatoria, dramatica, Eccleſiaſti-
ca, figuralis, harmonica, hiſto-
rica, hyporchematica, inſtru-
mentalis, manieroſa, mathemati-
ca, meliſmatica, melodica, me-
lopoëtica, menſurata, metaboli-
ca, metrica, mimica, mixta, mo-
dulatoria, muta, occidentaria,
odica, organica, pathetica, plana,
poëtica, politica, pythagorica, re-
citativa, rhythmica, ſcenica,
ſignatoria, ſpeculativa, ſympho-
nialis, theatralis, tragica, vocalis,
uſualis. Da die Muſic bey den
Gemuͤths-Neigungen ſich geſchaͤf-
tig erweiſet, und die nuͤtzlichen
und guten erreget, die boͤſen und
ſchaͤdlichen hingegen lindert und
daͤmpfet, ſo kan man ſie mit Recht
eine Zucht-Lehre nennen. Mr.
Rollin ſagt davon: Die Muſic
mache die wilden Geiſter zahm,
erweiche das harte und rohe We-
ſen der Gemuͤther, polire die Sit-
ten, mache die Leute faͤhiger zur
Zucht-Lehre, verbinde die menſch-
lichen Hertzen auf eine ſuͤſſe und
angenehme Art mit einander, und
bringe einen Abſcheu zu wege vor
allen ſolchen Laſtern, die zur
Strenge,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |