Erstes Capitel. Gegenstand und Wichtigkeit der Biologie.
Wir finden die sichtbare Natur in zwey grosse Reiche geschieden, in die leblose und in die leben- de. Die erstere wurde schon sehr früh zum Gegen- stande einer eigenen Wissenschaft gemacht, die man mit dem zu viel umfassenden Namen Physik oder Naturlehre belegte. Die letztere blieb dage- gen immer verwaiset, und nur einzelne Theile von ihr wurden in andern Wissenschaften, wo man ihrer nicht entbehren konnte, als Gegenstände beyläufiger Untersuchungen behandelt. Man frage nicht, woher diese Vernachlässigung? Der Zufall gebahr die Wissenschaften, und ihre Eintheilung fiel daher eben so regellos aus, wie der Zufall selbst. Wohl aber mag man fragen, wie diese Vernachlässigung auch da noch fortdauern konnte, nachdem schon richtigere Begriffe über die ver- schiedenen Zweige des menschlichen Wissens in Umlauf gekommen waren? Erst in den neuesten
Zeiten
A 2
Einleitung.
Erstes Capitel. Gegenstand und Wichtigkeit der Biologie.
Wir finden die sichtbare Natur in zwey groſse Reiche geschieden, in die leblose und in die leben- de. Die erstere wurde schon sehr früh zum Gegen- stande einer eigenen Wissenschaft gemacht, die man mit dem zu viel umfassenden Namen Physik oder Naturlehre belegte. Die letztere blieb dage- gen immer verwaiset, und nur einzelne Theile von ihr wurden in andern Wissenschaften, wo man ihrer nicht entbehren konnte, als Gegenstände beyläufiger Untersuchungen behandelt. Man frage nicht, woher diese Vernachlässigung? Der Zufall gebahr die Wissenschaften, und ihre Eintheilung fiel daher eben so regellos aus, wie der Zufall selbst. Wohl aber mag man fragen, wie diese Vernachlässigung auch da noch fortdauern konnte, nachdem schon richtigere Begriffe über die ver- schiedenen Zweige des menschlichen Wissens in Umlauf gekommen waren? Erst in den neuesten
Zeiten
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Einleitung.
Erstes Capitel.
Gegenstand und Wichtigkeit der
Biologie.
Wir finden die sichtbare Natur in zwey groſse
Reiche geschieden, in die leblose und in die leben-
de. Die erstere wurde schon sehr früh zum Gegen-
stande einer eigenen Wissenschaft gemacht, die
man mit dem zu viel umfassenden Namen Physik
oder Naturlehre belegte. Die letztere blieb dage-
gen immer verwaiset, und nur einzelne Theile
von ihr wurden in andern Wissenschaften, wo
man ihrer nicht entbehren konnte, als Gegenstände
beyläufiger Untersuchungen behandelt. Man frage
nicht, woher diese Vernachlässigung? Der Zufall
gebahr die Wissenschaften, und ihre Eintheilung
fiel daher eben so regellos aus, wie der Zufall
selbst. Wohl aber mag man fragen, wie diese
Vernachlässigung auch da noch fortdauern konnte,
nachdem schon richtigere Begriffe über die ver-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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