Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.XXXV. Kühne an Bodelschwingh. daß die Krone sich in meiner Linie vererben soll! Da ist es denn meine heilige Pflicht,darüber zu wachen, daß der Nachfolger auf dem Throne die Krone mit ungeschmälerten Rechten und mit der Würde und mit der Macht überkomme, wie ich sie heute vor mir sehe." Endlich bittet er den Bruder, die volljährigen Prinzen zu einer Berathung zu berufen, wie sie durch das Testament des Vaters vorgeschrieben und vom Könige selbst im Jahre 1840 beabsichtigt worden sei. Sollten die Agnaten seine Bedenken nicht theilen, so behalte er sich weitere Ueberlegung vor. So schließt er "mit tiefbewegtem Herzen, Gottes gnädigen Beistand wünschend." Am 4. Januar 1847 fügte er eine Nachschrift hinzu, da die Entwürfe mittlerweile Als der Vereinigte Landtag versammelt war, stand der Prinz nicht an, sich selber XXXV. Kühne an Bodelschwingh. Zu Bd. V. S. 614. Verehrteste Excellenz. Ich möchte gar zu gern Sie in diesen wichtigen Tagen nur auf eine viertel Stunde Ich bin keiner der bange machen will oder leicht bange wird, das müssen Sie mir Ob der König das Recht hat zu sagen "so hab ich's befohlen und so soll's sein Da bin ich denn so frei, den Unterschied zwischen der Periodicität des vereinigten XXXV. Kühne an Bodelſchwingh. daß die Krone ſich in meiner Linie vererben ſoll! Da iſt es denn meine heilige Pflicht,darüber zu wachen, daß der Nachfolger auf dem Throne die Krone mit ungeſchmälerten Rechten und mit der Würde und mit der Macht überkomme, wie ich ſie heute vor mir ſehe.“ Endlich bittet er den Bruder, die volljährigen Prinzen zu einer Berathung zu berufen, wie ſie durch das Teſtament des Vaters vorgeſchrieben und vom Könige ſelbſt im Jahre 1840 beabſichtigt worden ſei. Sollten die Agnaten ſeine Bedenken nicht theilen, ſo behalte er ſich weitere Ueberlegung vor. So ſchließt er „mit tiefbewegtem Herzen, Gottes gnädigen Beiſtand wünſchend.“ Am 4. Januar 1847 fügte er eine Nachſchrift hinzu, da die Entwürfe mittlerweile Als der Vereinigte Landtag verſammelt war, ſtand der Prinz nicht an, ſich ſelber XXXV. Kühne an Bodelſchwingh. Zu Bd. V. S. 614. Verehrteſte Excellenz. Ich möchte gar zu gern Sie in dieſen wichtigen Tagen nur auf eine viertel Stunde Ich bin keiner der bange machen will oder leicht bange wird, das müſſen Sie mir Ob der König das Recht hat zu ſagen „ſo hab ich’s befohlen und ſo ſoll’s ſein Da bin ich denn ſo frei, den Unterſchied zwiſchen der Periodicität des vereinigten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0787" n="773"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXXV.</hi> Kühne an Bodelſchwingh.</fw><lb/> daß die Krone ſich in meiner Linie vererben ſoll! 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Der Thronfolger fand dies nur dann unbedenklich, wenn man den<lb/> Herrenſtand ſelbſtändig, für ſich allein tagen ließe; den Stürmen einer großen Ver-<lb/> ſammlung, wo „alle Wirren der politiſchen Leidenſchaften ſich zügellos Luft machen“<lb/> würden, dürfe man die Prinzen nicht ausſetzen. Auch die inzwiſchen beſchloſſene Ver-<lb/> ſtärkung der Herren-Curie genügte ihm nicht: Man muß die Ariſtokratie ganz gewinnen,<lb/> indem man ſie ehrt; „denn nur wenn bei ſtändiſchen Inſtitutionen, wie ſie jetzt ge-<lb/> ſchaffen werden ſollen, das Zweikammerſyſtem angenommen wird, iſt Heil und Segen<lb/> noch für die Zukunft des Vaterlandes zu erwarten.“ —</p><lb/> <p>Als der Vereinigte Landtag verſammelt war, ſtand der Prinz nicht an, ſich ſelber<lb/> jenem Sturme politiſcher Leidenſchaften, wovor er kürzlich noch gewarnt, auszuſetzen und<lb/> vertheidigte ritterlich die Regierung ſeines königlichen Bruders. Mit der gleichen Selbſt-<lb/> verleugnung fügte er ſich ein Jahr nachher in die conſtitutionelle Staatsform; und die<lb/> Welt weiß, wie er dann als Herrſcher verſtanden hat, das neue Preußen noch höher zu<lb/> erheben, als das alte, Geiſt und Macht des alten preußiſchen Königthums auch unter<lb/> der neuen Verfaſſung lebendig zu erhalten. —</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXXV.</hi> Kühne an Bodelſchwingh.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Zu Bd. <hi rendition="#aq">V.</hi> S. 614.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Verehrteſte Excellenz.</hi> </p><lb/> <p>Ich möchte gar zu gern Sie in dieſen wichtigen Tagen nur auf eine viertel Stunde<lb/> — denn die wird’s wohl koſten — ſprechen dürfen, wahrhaftig nicht meinetwegen, ſondern<lb/> Ihretwegen und der Sache wegen. —</p><lb/> <p>Ich bin keiner der bange machen will oder leicht bange wird, das müſſen Sie mir<lb/> zutrauen, ſonſt zerreißen Sie dieſen Brief, dann werde ich zu Hauſe bleiben d. h. nicht<lb/> zu Ihnen kommen, aber doch mitfahren, wo es befohlen wird; aber mit welcher Hoffnung<lb/> auf Erfolg? 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XXXV. Kühne an Bodelſchwingh.
daß die Krone ſich in meiner Linie vererben ſoll! Da iſt es denn meine heilige Pflicht,
darüber zu wachen, daß der Nachfolger auf dem Throne die Krone mit ungeſchmälerten
Rechten und mit der Würde und mit der Macht überkomme, wie ich ſie heute vor mir
ſehe.“ Endlich bittet er den Bruder, die volljährigen Prinzen zu einer Berathung zu
berufen, wie ſie durch das Teſtament des Vaters vorgeſchrieben und vom Könige ſelbſt
im Jahre 1840 beabſichtigt worden ſei. Sollten die Agnaten ſeine Bedenken nicht theilen,
ſo behalte er ſich weitere Ueberlegung vor. So ſchließt er „mit tiefbewegtem Herzen,
Gottes gnädigen Beiſtand wünſchend.“
Am 4. Januar 1847 fügte er eine Nachſchrift hinzu, da die Entwürfe mittlerweile
noch einige Aenderungen erlitten hatten. Auf Befehl des Königs hatte die Commiſſion
den Zuſatz angenommen, daß auch die königlichen Prinzen in den Vereinigten Landtag
eintreten ſollten. Der Thronfolger fand dies nur dann unbedenklich, wenn man den
Herrenſtand ſelbſtändig, für ſich allein tagen ließe; den Stürmen einer großen Ver-
ſammlung, wo „alle Wirren der politiſchen Leidenſchaften ſich zügellos Luft machen“
würden, dürfe man die Prinzen nicht ausſetzen. Auch die inzwiſchen beſchloſſene Ver-
ſtärkung der Herren-Curie genügte ihm nicht: Man muß die Ariſtokratie ganz gewinnen,
indem man ſie ehrt; „denn nur wenn bei ſtändiſchen Inſtitutionen, wie ſie jetzt ge-
ſchaffen werden ſollen, das Zweikammerſyſtem angenommen wird, iſt Heil und Segen
noch für die Zukunft des Vaterlandes zu erwarten.“ —
Als der Vereinigte Landtag verſammelt war, ſtand der Prinz nicht an, ſich ſelber
jenem Sturme politiſcher Leidenſchaften, wovor er kürzlich noch gewarnt, auszuſetzen und
vertheidigte ritterlich die Regierung ſeines königlichen Bruders. Mit der gleichen Selbſt-
verleugnung fügte er ſich ein Jahr nachher in die conſtitutionelle Staatsform; und die
Welt weiß, wie er dann als Herrſcher verſtanden hat, das neue Preußen noch höher zu
erheben, als das alte, Geiſt und Macht des alten preußiſchen Königthums auch unter
der neuen Verfaſſung lebendig zu erhalten. —
XXXV. Kühne an Bodelſchwingh.
Zu Bd. V. S. 614.
Verehrteſte Excellenz.
Ich möchte gar zu gern Sie in dieſen wichtigen Tagen nur auf eine viertel Stunde
— denn die wird’s wohl koſten — ſprechen dürfen, wahrhaftig nicht meinetwegen, ſondern
Ihretwegen und der Sache wegen. —
Ich bin keiner der bange machen will oder leicht bange wird, das müſſen Sie mir
zutrauen, ſonſt zerreißen Sie dieſen Brief, dann werde ich zu Hauſe bleiben d. h. nicht
zu Ihnen kommen, aber doch mitfahren, wo es befohlen wird; aber mit welcher Hoffnung
auf Erfolg? Das hängt viel von der Unterredung ab, die ich mir erbitte.
Ob der König das Recht hat zu ſagen „ſo hab ich’s befohlen und ſo ſoll’s ſein
oder nicht ſein“, darüber ſtreite ich niemals, das ſind Ideologien, um die ich mich
nicht kümmere. Aber was iſt gut, was zweckmäßig, was gegenüber einer von Grund
auf durchwühlten und unterwaſchenen Maſſe durchzuführen?
Da bin ich denn ſo frei, den Unterſchied zwiſchen der Periodicität des vereinigten
Landtags und der vereinigten Ausſchüſſe auch für kaum etwas mehr als für eine Ideo-
logie zu halten. Sie ſind gut und edel und wollen Ihre Zwecke nur mit entſprechenden
Mitteln (entſprechend dieſer Ihrer Geſinnung) durchführen. — Wie aber ſind Ihre Gegner?
Sie ſind im Vertrauen auf die gute Sache, der Sie ſich geweiht haben, tapfer und un-
erſchrocken in der Vertheidigung der Stellung die Sie einmal eingenommen haben (oder
haben einnehmen müſſen) und in den Angriffen gegen die, die Sie daraus vertreiben wollen.
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