Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913.DREI BLICKE IN EINEN OPAL An Erhard Buschbeck 1. Blick in Opal: ein Dorf umkränzt von dürrem Wein, Der Stille grauer Wolken, gelber Felsenhügel Und abendlicher Quellen Kühle: Zwillingsspiegel Umrahmt von Schatten und von schleimigem Gestein. Des Herbstes Weg und Kreuze gehn in Abend ein, Singende Pilger und die blutbefleckten Linnen. Des Einsamen Gestalt kehrt also sich nach innen Und geht, ein bleicher Engel, durch den leeren Hain. Aus Schwarzem bläst der Föhn. Mit Satyrn im Verein Sind schlanke Weiblein; Mönche der Wollust bleiche Priester, Ihr Wahnsinn schmückt mit Lilien sich schön und düster Und hebt die Hände auf zu Gottes goldenem Schrein. 2. Der ihn befeuchtet, rosig hängt ein Tropfen Tau Im Rosmarin: hinfließt ein Hauch von Grabgerüchen, Spitälern, wirr erfüllt von Fieberschrein und Flüchen. Gebein steigt aus dem Erbbegräbnis morsch und grau. In blauem Schleim und Schleiern tanzt des Greisen Frau, Das schmutzstarrende Haar erfüllt von schwarzen Tränen, Die Knaben träumen wirr in dürren Weidensträhnen Und ihre Stirnen sind von Aussatz kahl und rauh. Durchs Bogenfenster sinkt ein Abend lind und lau. Ein Heiliger tritt aus seinen schwarzen Wundenmalen. Die Purpurschnecken kriechen aus zerbrochenen Schalen Und speien Blut in Dorngewinde starr und grau. DREI BLICKE IN EINEN OPAL An Erhard Buschbeck 1. Blick in Opal: ein Dorf umkränzt von dürrem Wein, Der Stille grauer Wolken, gelber Felsenhügel Und abendlicher Quellen Kühle: Zwillingsspiegel Umrahmt von Schatten und von schleimigem Gestein. Des Herbstes Weg und Kreuze gehn in Abend ein, Singende Pilger und die blutbefleckten Linnen. Des Einsamen Gestalt kehrt also sich nach innen Und geht, ein bleicher Engel, durch den leeren Hain. Aus Schwarzem bläst der Föhn. Mit Satyrn im Verein Sind schlanke Weiblein; Mönche der Wollust bleiche Priester, Ihr Wahnsinn schmückt mit Lilien sich schön und düster Und hebt die Hände auf zu Gottes goldenem Schrein. 2. Der ihn befeuchtet, rosig hängt ein Tropfen Tau Im Rosmarin: hinfließt ein Hauch von Grabgerüchen, Spitälern, wirr erfüllt von Fieberschrein und Flüchen. Gebein steigt aus dem Erbbegräbnis morsch und grau. In blauem Schleim und Schleiern tanzt des Greisen Frau, Das schmutzstarrende Haar erfüllt von schwarzen Tränen, Die Knaben träumen wirr in dürren Weidensträhnen Und ihre Stirnen sind von Aussatz kahl und rauh. Durchs Bogenfenster sinkt ein Abend lind und lau. Ein Heiliger tritt aus seinen schwarzen Wundenmalen. Die Purpurschnecken kriechen aus zerbrochenen Schalen Und speien Blut in Dorngewinde starr und grau. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0056" n="58"/> <div n="1"> <lg type="poem"> <head>DREI BLICKE IN EINEN OPAL</head><lb/> <argument> <p>An Erhard Buschbeck</p> </argument><lb/> <lg n="1"> <head>1.</head><lb/> <lg n="1"> <l>Blick in Opal: ein Dorf umkränzt von dürrem Wein,</l><lb/> <l>Der Stille grauer Wolken, gelber Felsenhügel</l><lb/> <l>Und abendlicher Quellen Kühle: Zwillingsspiegel</l><lb/> <l>Umrahmt von Schatten und von schleimigem Gestein.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Des Herbstes Weg und Kreuze gehn in Abend ein,</l><lb/> <l>Singende Pilger und die blutbefleckten Linnen.</l><lb/> <l>Des Einsamen Gestalt kehrt also sich nach innen</l><lb/> <l>Und geht, ein bleicher Engel, durch den leeren Hain.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Aus Schwarzem bläst der Föhn. Mit Satyrn im Verein</l><lb/> <l>Sind schlanke Weiblein; Mönche der Wollust bleiche Priester,</l><lb/> <l>Ihr Wahnsinn schmückt mit Lilien sich schön und düster</l><lb/> <l>Und hebt die Hände auf zu Gottes goldenem Schrein.</l><lb/> </lg> </lg> <lg n="2"> <head>2.</head><lb/> <lg n="1"> <l>Der ihn befeuchtet, rosig hängt ein Tropfen Tau</l><lb/> <l>Im Rosmarin: hinfließt ein Hauch von Grabgerüchen,</l><lb/> <l>Spitälern, wirr erfüllt von Fieberschrein und Flüchen.</l><lb/> <l>Gebein steigt aus dem Erbbegräbnis morsch und grau.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>In blauem Schleim und Schleiern tanzt des Greisen Frau,</l><lb/> <l>Das schmutzstarrende Haar erfüllt von schwarzen Tränen,</l><lb/> <l>Die Knaben träumen wirr in dürren Weidensträhnen</l><lb/> <l>Und ihre Stirnen sind von Aussatz kahl und rauh.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Durchs Bogenfenster sinkt ein Abend lind und lau.</l><lb/> <l>Ein Heiliger tritt aus seinen schwarzen Wundenmalen.</l><lb/> <l>Die Purpurschnecken kriechen aus zerbrochenen Schalen</l><lb/> <l>Und speien Blut in Dorngewinde starr und grau.</l><lb/> </lg> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [58/0056]
DREI BLICKE IN EINEN OPAL
An Erhard Buschbeck
1.
Blick in Opal: ein Dorf umkränzt von dürrem Wein,
Der Stille grauer Wolken, gelber Felsenhügel
Und abendlicher Quellen Kühle: Zwillingsspiegel
Umrahmt von Schatten und von schleimigem Gestein.
Des Herbstes Weg und Kreuze gehn in Abend ein,
Singende Pilger und die blutbefleckten Linnen.
Des Einsamen Gestalt kehrt also sich nach innen
Und geht, ein bleicher Engel, durch den leeren Hain.
Aus Schwarzem bläst der Föhn. Mit Satyrn im Verein
Sind schlanke Weiblein; Mönche der Wollust bleiche Priester,
Ihr Wahnsinn schmückt mit Lilien sich schön und düster
Und hebt die Hände auf zu Gottes goldenem Schrein.
2.
Der ihn befeuchtet, rosig hängt ein Tropfen Tau
Im Rosmarin: hinfließt ein Hauch von Grabgerüchen,
Spitälern, wirr erfüllt von Fieberschrein und Flüchen.
Gebein steigt aus dem Erbbegräbnis morsch und grau.
In blauem Schleim und Schleiern tanzt des Greisen Frau,
Das schmutzstarrende Haar erfüllt von schwarzen Tränen,
Die Knaben träumen wirr in dürren Weidensträhnen
Und ihre Stirnen sind von Aussatz kahl und rauh.
Durchs Bogenfenster sinkt ein Abend lind und lau.
Ein Heiliger tritt aus seinen schwarzen Wundenmalen.
Die Purpurschnecken kriechen aus zerbrochenen Schalen
Und speien Blut in Dorngewinde starr und grau.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-03-14T09:09:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-14T09:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-14T09:09:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |