Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite
WINKEL AM WALD

An Karl Minnich

Braune Kastanien. Leise gleiten die alten Leute
In stilleren Abend; weich verwelken schöne Blätter.
Am Friedhof scherzt die Amsel mit dem toten Vetter,
Angelen gibt der blonde Lehrer das Geleite.
Des Todes reine Bilder schaun von Kirchenfenstern;
Doch wirkt ein blutiger Grund sehr trauervoll und düster.
Das Tor blieb heut verschlossen. Den Schlüssel hat der Küster.
Im Garten spricht die Schwester freundlich mit Gespenstern.
In alten Kellern reift der Wein ins Goldne, Klare.
Süß duften Äpfel. Freude glänzt nicht allzu ferne.
Den langen Abend hören Kinder Märchen gerne;
Auch zeigt sich sanftem Wahnsinn oft das Goldne, Wahre.
Das Blau fließt voll Reseden; in Zimmern Kerzenhelle.
Bescheidenen ist ihre Stätte wohl bereitet.
Den Saum des Walds hinab ein einsam Schicksal gleitet;
Die Nacht erscheint, der Ruhe Engel, auf der Schwelle.
WINKEL AM WALD

An Karl Minnich

Braune Kastanien. Leise gleiten die alten Leute
In stilleren Abend; weich verwelken schöne Blätter.
Am Friedhof scherzt die Amsel mit dem toten Vetter,
Angelen gibt der blonde Lehrer das Geleite.
Des Todes reine Bilder schaun von Kirchenfenstern;
Doch wirkt ein blutiger Grund sehr trauervoll und düster.
Das Tor blieb heut verschlossen. Den Schlüssel hat der Küster.
Im Garten spricht die Schwester freundlich mit Gespenstern.
In alten Kellern reift der Wein ins Goldne, Klare.
Süß duften Äpfel. Freude glänzt nicht allzu ferne.
Den langen Abend hören Kinder Märchen gerne;
Auch zeigt sich sanftem Wahnsinn oft das Goldne, Wahre.
Das Blau fließt voll Reseden; in Zimmern Kerzenhelle.
Bescheidenen ist ihre Stätte wohl bereitet.
Den Saum des Walds hinab ein einsam Schicksal gleitet;
Die Nacht erscheint, der Ruhe Engel, auf der Schwelle.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0028" n="30"/>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <head>WINKEL AM WALD</head><lb/>
          <argument>
            <p>An Karl Minnich</p>
          </argument><lb/>
          <lg n="1">
            <l>Braune Kastanien. Leise gleiten die alten Leute</l><lb/>
            <l>In stilleren Abend; weich verwelken schöne Blätter.</l><lb/>
            <l>Am Friedhof scherzt die Amsel mit dem toten Vetter,</l><lb/>
            <l>Angelen gibt der blonde Lehrer das Geleite.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Des Todes reine Bilder schaun von Kirchenfenstern;</l><lb/>
            <l>Doch wirkt ein blutiger Grund sehr trauervoll und düster.</l><lb/>
            <l>Das Tor blieb heut verschlossen. Den Schlüssel hat der Küster.</l><lb/>
            <l>Im Garten spricht die Schwester freundlich mit Gespenstern.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="3">
            <l>In alten Kellern reift der Wein ins Goldne, Klare.</l><lb/>
            <l>Süß duften Äpfel. Freude glänzt nicht allzu ferne.</l><lb/>
            <l>Den langen Abend hören Kinder Märchen gerne;</l><lb/>
            <l>Auch zeigt sich sanftem Wahnsinn oft das Goldne, Wahre.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>Das Blau fließt voll Reseden; in Zimmern Kerzenhelle.</l><lb/>
            <l>Bescheidenen ist ihre Stätte wohl bereitet.</l><lb/>
            <l>Den Saum des Walds hinab ein einsam Schicksal gleitet;</l><lb/>
            <l>Die Nacht erscheint, der Ruhe Engel, auf der Schwelle.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0028] WINKEL AM WALD An Karl Minnich Braune Kastanien. Leise gleiten die alten Leute In stilleren Abend; weich verwelken schöne Blätter. Am Friedhof scherzt die Amsel mit dem toten Vetter, Angelen gibt der blonde Lehrer das Geleite. Des Todes reine Bilder schaun von Kirchenfenstern; Doch wirkt ein blutiger Grund sehr trauervoll und düster. Das Tor blieb heut verschlossen. Den Schlüssel hat der Küster. Im Garten spricht die Schwester freundlich mit Gespenstern. In alten Kellern reift der Wein ins Goldne, Klare. Süß duften Äpfel. Freude glänzt nicht allzu ferne. Den langen Abend hören Kinder Märchen gerne; Auch zeigt sich sanftem Wahnsinn oft das Goldne, Wahre. Das Blau fließt voll Reseden; in Zimmern Kerzenhelle. Bescheidenen ist ihre Stätte wohl bereitet. Den Saum des Walds hinab ein einsam Schicksal gleitet; Die Nacht erscheint, der Ruhe Engel, auf der Schwelle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-14T09:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-14T09:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-14T09:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/28
Zitationshilfe: Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/28>, abgerufen am 22.12.2024.