Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.2) Ackerbau; beruht auf Gewohnheiten: nämlich regelmässig wiederholter Arbeiten. In Bräuchen wird dem Zusammenarbeiten Maas und Rich- tung gewiesen. 3) Kunst; beruht auf Gedächtnissen: nämlich empfangener Lehre, eingeprägter Regeln, eigener Ideen. Im Glauben an Aufgabe und Werk verbinden sich die künstlerischen Willen. B. 1) Handel; beruht auf Bedachten: nämlich Auf- merksamkeit, Vergleichung, Rechnung ist die Grundbedingung alles Geschäftes: Handel ist die reine (willkürliche) Handlung. Und Con- tract ist Brauch und Glaube des Handels. 2) Industrie; beruht auf Beschlüssen: nämlich vernünftiger productiver Anwendung von Ka- pital und des Verkaufes von Arbeitskraft. Satzungen beherrschen die Fabrik. 3) Wissenschaft; beruht auf Begriffen: wie von selber evident. In Doctrinen gibt sie sich ihre eigenen Gesetze, und stellt ihre Wahrheiten dar. § 8. In dem früheren Zeitalter gibt Familienleben und 2) Ackerbau; beruht auf Gewohnheiten: nämlich regelmässig wiederholter Arbeiten. In Bräuchen wird dem Zusammenarbeiten Maas und Rich- tung gewiesen. 3) Kunst; beruht auf Gedächtnissen: nämlich empfangener Lehre, eingeprägter Regeln, eigener Ideen. Im Glauben an Aufgabe und Werk verbinden sich die künstlerischen Willen. B. 1) Handel; beruht auf Bedachten: nämlich Auf- merksamkeit, Vergleichung, Rechnung ist die Grundbedingung alles Geschäftes: Handel ist die reine (willkürliche) Handlung. Und Con- tract ist Brauch und Glaube des Handels. 2) Industrie; beruht auf Beschlüssen: nämlich vernünftiger productiver Anwendung von Ka- pital und des Verkaufes von Arbeitskraft. Satzungen beherrschen die Fabrik. 3) Wissenschaft; beruht auf Begriffen: wie von selber evident. In Doctrinen gibt sie sich ihre eigenen Gesetze, und stellt ihre Wahrheiten dar. § 8. In dem früheren Zeitalter gibt Familienleben und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <list> <item> <pb facs="#f0326" n="290"/> <list> <item>2) Ackerbau; beruht auf Gewohnheiten: nämlich<lb/> regelmässig wiederholter Arbeiten. In Bräuchen<lb/> wird dem Zusammenarbeiten Maas und Rich-<lb/> tung gewiesen.</item><lb/> <item>3) Kunst; beruht auf Gedächtnissen: nämlich<lb/> empfangener Lehre, eingeprägter Regeln,<lb/> eigener Ideen. Im Glauben an Aufgabe und<lb/> Werk verbinden sich die künstlerischen Willen.</item> </list> </item><lb/> <item>B. <list><item>1) Handel; beruht auf Bedachten: nämlich Auf-<lb/> merksamkeit, Vergleichung, Rechnung ist die<lb/> Grundbedingung alles Geschäftes: Handel ist<lb/> die reine (willkürliche) Handlung. Und Con-<lb/> tract ist Brauch und Glaube des Handels.</item><lb/><item>2) Industrie; beruht auf Beschlüssen: nämlich<lb/> vernünftiger productiver Anwendung von Ka-<lb/> pital und des Verkaufes von Arbeitskraft.<lb/> Satzungen beherrschen die Fabrik.</item><lb/><item>3) Wissenschaft; beruht auf Begriffen: wie von<lb/> selber evident. In Doctrinen gibt sie sich ihre<lb/> eigenen Gesetze, und stellt ihre Wahrheiten dar.</item></list></item> </list> </div><lb/> <div n="2"> <head>§ 8.</head><lb/> <p>In dem früheren Zeitalter gibt Familienleben und<lb/> Hauswirthschaft den Grundton ab, in dem späteren Handel<lb/> und grosstädtisches Leben. Wenn wir aber das Zeitalter<lb/> der Gemeinschaft näher betrachten, so machen sich mehrere<lb/> Epochen in ihm sichtbar. Seine ganze Entwicklung ist auf<lb/> eine Annäherung zu Gesellschaft hin gerichtet; wie aber<lb/> andererseits die Kraft der Gemeinschaft auch innerhalb des<lb/> gesellschaftlichen Zeitalters, wenn auch abnehmend, sich<lb/> erhält und die Realität des socialen <hi rendition="#g">Lebens</hi> bleibt. Die<lb/> erste Epoche aber wird gebildet durch die Wirkungen der<lb/> neuen Basis des Zusammenlebens, welche mit dem bebauten<lb/> Grund und Boden gegeben ist, der Nachbarschaft neben<lb/> der alten und beharrenden Basis der Blutsverwandtschaft;<lb/> des Dorfes neben dem Geschlechte. Die andere Epoche ist<lb/> gegeben, wenn sich aus Dörfern Städte entwickeln. Ge-<lb/> meinsam ist Dörfern und Städten das räumliche Princip<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [290/0326]
2) Ackerbau; beruht auf Gewohnheiten: nämlich
regelmässig wiederholter Arbeiten. In Bräuchen
wird dem Zusammenarbeiten Maas und Rich-
tung gewiesen.
3) Kunst; beruht auf Gedächtnissen: nämlich
empfangener Lehre, eingeprägter Regeln,
eigener Ideen. Im Glauben an Aufgabe und
Werk verbinden sich die künstlerischen Willen.
B. 1) Handel; beruht auf Bedachten: nämlich Auf-
merksamkeit, Vergleichung, Rechnung ist die
Grundbedingung alles Geschäftes: Handel ist
die reine (willkürliche) Handlung. Und Con-
tract ist Brauch und Glaube des Handels.
2) Industrie; beruht auf Beschlüssen: nämlich
vernünftiger productiver Anwendung von Ka-
pital und des Verkaufes von Arbeitskraft.
Satzungen beherrschen die Fabrik.
3) Wissenschaft; beruht auf Begriffen: wie von
selber evident. In Doctrinen gibt sie sich ihre
eigenen Gesetze, und stellt ihre Wahrheiten dar.
§ 8.
In dem früheren Zeitalter gibt Familienleben und
Hauswirthschaft den Grundton ab, in dem späteren Handel
und grosstädtisches Leben. Wenn wir aber das Zeitalter
der Gemeinschaft näher betrachten, so machen sich mehrere
Epochen in ihm sichtbar. Seine ganze Entwicklung ist auf
eine Annäherung zu Gesellschaft hin gerichtet; wie aber
andererseits die Kraft der Gemeinschaft auch innerhalb des
gesellschaftlichen Zeitalters, wenn auch abnehmend, sich
erhält und die Realität des socialen Lebens bleibt. Die
erste Epoche aber wird gebildet durch die Wirkungen der
neuen Basis des Zusammenlebens, welche mit dem bebauten
Grund und Boden gegeben ist, der Nachbarschaft neben
der alten und beharrenden Basis der Blutsverwandtschaft;
des Dorfes neben dem Geschlechte. Die andere Epoche ist
gegeben, wenn sich aus Dörfern Städte entwickeln. Ge-
meinsam ist Dörfern und Städten das räumliche Princip
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Zitationshilfe: | Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/326>, abgerufen am 22.02.2025. |