Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
Achte Scene.
(Wüste.)


Andalosia, Agrippina.
Andalosia.
Hier nun, wo rings die öde weite Luft,
Die taube See, ein mitleidlos Gefilde,
Hier --
Agrippina.
Weh mir! Weh! Wie bin ich hergerathen.
Wo bin ich denn? Wo ist mein Haus? Mir
schwindelt,
Es bricht mein Herz, und alles was ich denke
Stürzt gegen Wahnsinn, sucht den Ausweg dort --
Zusammen sinken mir die Knie, -- o bester,
O liebster aller Menschen, wie ich Dich
Nicht kenne, laß mein Flehn, die Thränen Dich
Bewegen, -- sey nicht taub der Hülfsbedürftgen --
O halte mich, ich falle --
Andalosia.
Lehne Dich
An diese Brust; -- mit diesen süßen Tönen
Kehrt alle Zärtlichkeit in mir zurück. --
Setz Dich hieher, -- an diesen Baumesstamm.
Agrippina.
O Himmel sieh, wie voll von rothen Aepfeln,
Daß sich die Zweige biegen, süßer Duft
Würzt rings die Luft und stärkt die matten Sinne,
Die Zunge lechzt, -- ach, könntest Du, mein Theurer,
Mir eine dieser holden Früchte brechen,
Den Gaumen mir in Todesnoth zu laben?

An-
Zweite Abtheilung.
Achte Scene.
(Wuͤſte.)


Andaloſia, Agrippina.
Andaloſia.
Hier nun, wo rings die oͤde weite Luft,
Die taube See, ein mitleidlos Gefilde,
Hier —
Agrippina.
Weh mir! Weh! Wie bin ich hergerathen.
Wo bin ich denn? Wo iſt mein Haus? Mir
ſchwindelt,
Es bricht mein Herz, und alles was ich denke
Stuͤrzt gegen Wahnſinn, ſucht den Ausweg dort —
Zuſammen ſinken mir die Knie, — o beſter,
O liebſter aller Menſchen, wie ich Dich
Nicht kenne, laß mein Flehn, die Thraͤnen Dich
Bewegen, — ſey nicht taub der Huͤlfsbeduͤrftgen —
O halte mich, ich falle —
Andaloſia.
Lehne Dich
An dieſe Bruſt; — mit dieſen ſuͤßen Toͤnen
Kehrt alle Zaͤrtlichkeit in mir zuruͤck. —
Setz Dich hieher, — an dieſen Baumesſtamm.
Agrippina.
O Himmel ſieh, wie voll von rothen Aepfeln,
Daß ſich die Zweige biegen, ſuͤßer Duft
Wuͤrzt rings die Luft und ſtaͤrkt die matten Sinne,
Die Zunge lechzt, — ach, koͤnnteſt Du, mein Theurer,
Mir eine dieſer holden Fruͤchte brechen,
Den Gaumen mir in Todesnoth zu laben?

An-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0362" n="352"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Achte Scene</hi>.</hi> </head><lb/>
              <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Wu&#x0364;&#x017F;te</hi>.)</hi> </stage><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Andalo&#x017F;ia, Agrippina</hi>.</hi> </stage><lb/>
              <sp who="#Andalo&#x017F;ia">
                <speaker><hi rendition="#g">Andalo&#x017F;ia</hi>.</speaker><lb/>
                <p>Hier nun, wo rings die o&#x0364;de weite Luft,<lb/>
Die taube See, ein mitleidlos Gefilde,<lb/>
Hier &#x2014;</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Agrippina">
                <speaker><hi rendition="#g">Agrippina</hi>.</speaker><lb/>
                <p>Weh mir! Weh! Wie bin ich hergerathen.<lb/>
Wo bin ich denn? Wo i&#x017F;t mein Haus? Mir<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chwindelt,</hi><lb/>
Es bricht mein Herz, und alles was ich denke<lb/>
Stu&#x0364;rzt gegen Wahn&#x017F;inn, &#x017F;ucht den Ausweg dort &#x2014;<lb/>
Zu&#x017F;ammen &#x017F;inken mir die Knie, &#x2014; o be&#x017F;ter,<lb/>
O lieb&#x017F;ter aller Men&#x017F;chen, wie ich Dich<lb/>
Nicht kenne, laß mein Flehn, die Thra&#x0364;nen Dich<lb/>
Bewegen, &#x2014; &#x017F;ey nicht taub der Hu&#x0364;lfsbedu&#x0364;rftgen &#x2014;<lb/>
O halte mich, ich falle &#x2014;</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Andalo&#x017F;ia">
                <speaker><hi rendition="#g">Andalo&#x017F;ia</hi>.</speaker><lb/>
                <p><hi rendition="#et">Lehne Dich</hi><lb/>
An die&#x017F;e Bru&#x017F;t; &#x2014; mit die&#x017F;en &#x017F;u&#x0364;ßen To&#x0364;nen<lb/>
Kehrt alle Za&#x0364;rtlichkeit in mir zuru&#x0364;ck. &#x2014;<lb/>
Setz Dich hieher, &#x2014; an die&#x017F;en Baumes&#x017F;tamm.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Agrippina">
                <speaker><hi rendition="#g">Agrippina</hi>.</speaker><lb/>
                <p>O Himmel &#x017F;ieh, wie voll von rothen Aepfeln,<lb/>
Daß &#x017F;ich die Zweige biegen, &#x017F;u&#x0364;ßer Duft<lb/>
Wu&#x0364;rzt rings die Luft und &#x017F;ta&#x0364;rkt die matten Sinne,<lb/>
Die Zunge lechzt, &#x2014; ach, ko&#x0364;nnte&#x017F;t Du, mein Theurer,<lb/>
Mir eine die&#x017F;er holden Fru&#x0364;chte brechen,<lb/>
Den Gaumen mir in Todesnoth zu laben?</p>
              </sp><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">An-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0362] Zweite Abtheilung. Achte Scene. (Wuͤſte.) Andaloſia, Agrippina. Andaloſia. Hier nun, wo rings die oͤde weite Luft, Die taube See, ein mitleidlos Gefilde, Hier — Agrippina. Weh mir! Weh! Wie bin ich hergerathen. Wo bin ich denn? Wo iſt mein Haus? Mir ſchwindelt, Es bricht mein Herz, und alles was ich denke Stuͤrzt gegen Wahnſinn, ſucht den Ausweg dort — Zuſammen ſinken mir die Knie, — o beſter, O liebſter aller Menſchen, wie ich Dich Nicht kenne, laß mein Flehn, die Thraͤnen Dich Bewegen, — ſey nicht taub der Huͤlfsbeduͤrftgen — O halte mich, ich falle — Andaloſia. Lehne Dich An dieſe Bruſt; — mit dieſen ſuͤßen Toͤnen Kehrt alle Zaͤrtlichkeit in mir zuruͤck. — Setz Dich hieher, — an dieſen Baumesſtamm. Agrippina. O Himmel ſieh, wie voll von rothen Aepfeln, Daß ſich die Zweige biegen, ſuͤßer Duft Wuͤrzt rings die Luft und ſtaͤrkt die matten Sinne, Die Zunge lechzt, — ach, koͤnnteſt Du, mein Theurer, Mir eine dieſer holden Fruͤchte brechen, Den Gaumen mir in Todesnoth zu laben? An-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/362
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/362>, abgerufen am 21.11.2024.