Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Däumchen. Thoms. (oben). Ich sehe Licht! Peter. Wo? Thoms. Links, da unten, weit, weit weg. Ich komme herunter, ich habe mir die Richtung gemerkt (steigt herab). Ach, was der Wind tobt, was der Regen rauscht und der Donner lärmt? -- Hieher kommt! hieher! (sie gehn klagend ab). Dritte Scene. (Hütte, von einem großen Feuer beleuchtet). Malwina spinnt, Semmelziegedreht einen gan- zen Hammel am Spieß. Malwina. Ja, Herr Hofrath, unser Schick- sal hat uns in eine wunderliche Situation versetzt. Hätte sich meine blühende Jugend, mein gepflegtes Talent, meine hohe Bildung dergleichen können träumen lassen, daß man mich, nun sind es schon fünf Jahr, von einem Spaziergange, indem ich mich neckend ein wenig von meinen Gespielinnen entfernt hatte, rauben würde, um die Gattin eines Unholdes zu werden? O Himmel, verzweifeln müßt' ich, wenn das Geschick nicht auch Sie, frei- lich zu Ihrer Kränkung in unser Haus geführt hätte, und ihre holde Seelenfreundschaft, Ihr edles Gemüth mich einigermaßen tröstete und beruhigte. Semmelziege. Edle, große Seele, daß ich Daͤumchen. Thoms. (oben). Ich ſehe Licht! Peter. Wo? Thoms. Links, da unten, weit, weit weg. Ich komme herunter, ich habe mir die Richtung gemerkt (ſteigt herab). Ach, was der Wind tobt, was der Regen rauſcht und der Donner laͤrmt? — Hieher kommt! hieher! (ſie gehn klagend ab). Dritte Scene. (Huͤtte, von einem großen Feuer beleuchtet). Malwina ſpinnt, Semmelziegedreht einen gan- zen Hammel am Spieß. Malwina. Ja, Herr Hofrath, unſer Schick- ſal hat uns in eine wunderliche Situation verſetzt. Haͤtte ſich meine bluͤhende Jugend, mein gepflegtes Talent, meine hohe Bildung dergleichen koͤnnen traͤumen laſſen, daß man mich, nun ſind es ſchon fuͤnf Jahr, von einem Spaziergange, indem ich mich neckend ein wenig von meinen Geſpielinnen entfernt hatte, rauben wuͤrde, um die Gattin eines Unholdes zu werden? O Himmel, verzweifeln muͤßt' ich, wenn das Geſchick nicht auch Sie, frei- lich zu Ihrer Kraͤnkung in unſer Haus gefuͤhrt haͤtte, und ihre holde Seelenfreundſchaft, Ihr edles Gemuͤth mich einigermaßen troͤſtete und beruhigte. Semmelziege. Edle, große Seele, daß ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0502" n="493"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Daͤumchen</hi>.</fw><lb/> <sp who="#THO"> <speaker><hi rendition="#g">Thoms</hi>.</speaker> <stage>(oben).</stage> <p>Ich ſehe Licht!</p> </sp><lb/> <sp who="#PET"> <speaker><hi rendition="#g">Peter</hi>.</speaker> <p>Wo?</p> </sp><lb/> <sp who="#THO"> <speaker><hi rendition="#g">Thoms</hi>.</speaker> <p>Links, da unten, weit, weit weg.<lb/> Ich komme herunter, ich habe mir die Richtung<lb/> gemerkt <stage>(ſteigt herab).</stage> Ach, was der Wind tobt,<lb/> was der Regen rauſcht und der Donner laͤrmt? —<lb/> Hieher kommt! hieher!</p> <stage>(ſie gehn klagend ab).</stage> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Dritte Scene</hi>.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Huͤtte</hi>, von einem großen Feuer beleuchtet).</hi> </stage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Malwina</hi> ſpinnt, <hi rendition="#g">Semmelziege</hi>dreht einen gan-<lb/> zen Hammel am Spieß.</hi> </stage><lb/> <sp who="#MAL"> <speaker><hi rendition="#g">Malwina</hi>.</speaker> <p>Ja, Herr Hofrath, unſer Schick-<lb/> ſal hat uns in eine wunderliche Situation verſetzt.<lb/> Haͤtte ſich meine bluͤhende Jugend, mein gepflegtes<lb/> Talent, meine hohe Bildung dergleichen koͤnnen<lb/> traͤumen laſſen, daß man mich, nun ſind es ſchon<lb/> fuͤnf Jahr, von einem Spaziergange, indem ich<lb/> mich neckend ein wenig von meinen Geſpielinnen<lb/> entfernt hatte, rauben wuͤrde, um die Gattin eines<lb/> Unholdes zu werden? O Himmel, verzweifeln<lb/> muͤßt' ich, wenn das Geſchick nicht auch Sie, frei-<lb/> lich zu Ihrer Kraͤnkung in unſer Haus gefuͤhrt<lb/> haͤtte, und ihre holde Seelenfreundſchaft, Ihr edles<lb/> Gemuͤth mich einigermaßen troͤſtete und beruhigte.</p> </sp><lb/> <sp who="#SEM"> <speaker><hi rendition="#g">Semmelziege</hi>.</speaker> <p>Edle, große Seele, daß ich<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [493/0502]
Daͤumchen.
Thoms. (oben). Ich ſehe Licht!
Peter. Wo?
Thoms. Links, da unten, weit, weit weg.
Ich komme herunter, ich habe mir die Richtung
gemerkt (ſteigt herab). Ach, was der Wind tobt,
was der Regen rauſcht und der Donner laͤrmt? —
Hieher kommt! hieher! (ſie gehn klagend ab).
Dritte Scene.
(Huͤtte, von einem großen Feuer beleuchtet).
Malwina ſpinnt, Semmelziegedreht einen gan-
zen Hammel am Spieß.
Malwina. Ja, Herr Hofrath, unſer Schick-
ſal hat uns in eine wunderliche Situation verſetzt.
Haͤtte ſich meine bluͤhende Jugend, mein gepflegtes
Talent, meine hohe Bildung dergleichen koͤnnen
traͤumen laſſen, daß man mich, nun ſind es ſchon
fuͤnf Jahr, von einem Spaziergange, indem ich
mich neckend ein wenig von meinen Geſpielinnen
entfernt hatte, rauben wuͤrde, um die Gattin eines
Unholdes zu werden? O Himmel, verzweifeln
muͤßt' ich, wenn das Geſchick nicht auch Sie, frei-
lich zu Ihrer Kraͤnkung in unſer Haus gefuͤhrt
haͤtte, und ihre holde Seelenfreundſchaft, Ihr edles
Gemuͤth mich einigermaßen troͤſtete und beruhigte.
Semmelziege. Edle, große Seele, daß ich
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/502>, abgerufen am 23.02.2025. |