Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Die verkehrte Welt.
Scävola. Das war nun nemlich die Ein-
leitung.
Pierrot. So ein erster Akt ist immer zum
Verständniß nothwendig.
Der Andre (zu Scävola). In dem Stück
liegt viel Moral.
Scävola. Gewiß, ich fange schon an, bes-
ser zu werden.
Pierrot. Die Musik!


Orchester.
Adagio. As Moll.

Wie alles fort eilt! Wie in dieser Sterblich-
keit so gar nichts Stand hält! Womit willst du
das Leben des Menschen vergleichen? Mit dem
Schatten? Mit der Wolke? Ach! beide sind im-
mer noch zuverläßiger, als dieser Hauch, der uns
jetzt beseelt, und im nächsten Augenblicke ver-
schwunden ist.

So erfüllt jetzt der schmeichelnde Ton der Mu-
sik die Luft, und jede Luftwelle erzittert vor Freu-
de, und doch darf nur der Finger inne halten, so
verstummen alle diese beredten Geister, so fällt das
glänzende Gebäude zusammen, und keine Spur
aller der Krystalle und funkelnden Regenbogen bleibt
zurück, die sich jetzt so majestätisch auf und nieder
bewegen. Wenn nicht alles vergänglich wäre, o
was fänden wir dann noch zu klagen Ursach?


II. [18]
Die verkehrte Welt.
Scaͤvola. Das war nun nemlich die Ein-
leitung.
Pierrot. So ein erſter Akt iſt immer zum
Verſtaͤndniß nothwendig.
Der Andre (zu Scaͤvola). In dem Stuͤck
liegt viel Moral.
Scaͤvola. Gewiß, ich fange ſchon an, beſ-
ſer zu werden.
Pierrot. Die Muſik!


Orcheſter.
Adagio. As Moll.

Wie alles fort eilt! Wie in dieſer Sterblich-
keit ſo gar nichts Stand haͤlt! Womit willſt du
das Leben des Menſchen vergleichen? Mit dem
Schatten? Mit der Wolke? Ach! beide ſind im-
mer noch zuverlaͤßiger, als dieſer Hauch, der uns
jetzt beſeelt, und im naͤchſten Augenblicke ver-
ſchwunden iſt.

So erfuͤllt jetzt der ſchmeichelnde Ton der Mu-
ſik die Luft, und jede Luftwelle erzittert vor Freu-
de, und doch darf nur der Finger inne halten, ſo
verſtummen alle dieſe beredten Geiſter, ſo faͤllt das
glaͤnzende Gebaͤude zuſammen, und keine Spur
aller der Kryſtalle und funkelnden Regenbogen bleibt
zuruͤck, die ſich jetzt ſo majeſtaͤtiſch auf und nieder
bewegen. Wenn nicht alles vergaͤnglich waͤre, o
was faͤnden wir dann noch zu klagen Urſach?


II. [18]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0282" n="273"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die verkehrte Welt</hi>.</fw><lb/>
            <sp who="#SCAEVOLA">
              <speaker><hi rendition="#g">Sca&#x0364;vola</hi>.</speaker>
              <p>Das war nun nemlich die Ein-<lb/>
leitung.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#PIE">
              <speaker><hi rendition="#g">Pierrot</hi>.</speaker>
              <p>So ein er&#x017F;ter Akt i&#x017F;t immer zum<lb/>
Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß nothwendig.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#ANDRE">
              <speaker> <hi rendition="#g">Der Andre</hi> </speaker>
              <stage>(zu Sca&#x0364;vola).</stage>
              <p>In dem Stu&#x0364;ck<lb/>
liegt viel Moral.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#SCAEVOLA">
              <speaker><hi rendition="#g">Sca&#x0364;vola</hi>.</speaker>
              <p>Gewiß, ich fange &#x017F;chon an, be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er zu werden.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#PIE">
              <speaker><hi rendition="#g">Pierrot</hi>.</speaker>
              <p>Die Mu&#x017F;ik!</p>
            </sp><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Orche&#x017F;ter</hi>.</hi> </hi> </head><lb/>
              <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Adagio. As Moll</hi>.</hi> </stage><lb/>
              <p>Wie alles fort eilt! Wie in die&#x017F;er Sterblich-<lb/>
keit &#x017F;o gar nichts Stand ha&#x0364;lt! Womit will&#x017F;t du<lb/>
das Leben des Men&#x017F;chen vergleichen? Mit dem<lb/>
Schatten? Mit der Wolke? Ach! beide &#x017F;ind im-<lb/>
mer noch zuverla&#x0364;ßiger, als die&#x017F;er Hauch, der uns<lb/>
jetzt be&#x017F;eelt, und im na&#x0364;ch&#x017F;ten Augenblicke ver-<lb/>
&#x017F;chwunden i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>So erfu&#x0364;llt jetzt der &#x017F;chmeichelnde Ton der Mu-<lb/>
&#x017F;ik die Luft, und jede Luftwelle erzittert vor Freu-<lb/>
de, und doch darf nur der Finger inne halten, &#x017F;o<lb/>
ver&#x017F;tummen alle die&#x017F;e beredten Gei&#x017F;ter, &#x017F;o fa&#x0364;llt das<lb/>
gla&#x0364;nzende Geba&#x0364;ude zu&#x017F;ammen, und keine Spur<lb/>
aller der Kry&#x017F;talle und funkelnden Regenbogen bleibt<lb/>
zuru&#x0364;ck, die &#x017F;ich jetzt &#x017F;o maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ch auf und nieder<lb/>
bewegen. Wenn nicht alles verga&#x0364;nglich wa&#x0364;re, o<lb/>
was fa&#x0364;nden wir dann noch zu klagen Ur&#x017F;ach?</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi> [18]</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0282] Die verkehrte Welt. Scaͤvola. Das war nun nemlich die Ein- leitung. Pierrot. So ein erſter Akt iſt immer zum Verſtaͤndniß nothwendig. Der Andre (zu Scaͤvola). In dem Stuͤck liegt viel Moral. Scaͤvola. Gewiß, ich fange ſchon an, beſ- ſer zu werden. Pierrot. Die Muſik! Orcheſter. Adagio. As Moll. Wie alles fort eilt! Wie in dieſer Sterblich- keit ſo gar nichts Stand haͤlt! Womit willſt du das Leben des Menſchen vergleichen? Mit dem Schatten? Mit der Wolke? Ach! beide ſind im- mer noch zuverlaͤßiger, als dieſer Hauch, der uns jetzt beſeelt, und im naͤchſten Augenblicke ver- ſchwunden iſt. So erfuͤllt jetzt der ſchmeichelnde Ton der Mu- ſik die Luft, und jede Luftwelle erzittert vor Freu- de, und doch darf nur der Finger inne halten, ſo verſtummen alle dieſe beredten Geiſter, ſo faͤllt das glaͤnzende Gebaͤude zuſammen, und keine Spur aller der Kryſtalle und funkelnden Regenbogen bleibt zuruͤck, die ſich jetzt ſo majeſtaͤtiſch auf und nieder bewegen. Wenn nicht alles vergaͤnglich waͤre, o was faͤnden wir dann noch zu klagen Urſach? II. [18]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/282
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/282>, abgerufen am 21.11.2024.