Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
30.
Rosa an William Lovell.

Lieber Lovell, Sie sollen einsehn, daß sowohl
Andrea als Sie sich in mir geirrt haben. Ich
denke mein Vermögen nicht zu verschwenden,
sondern auf eine angenehme Weise zu genießen,
und zwar in Ihrer Gesellschaft. Sie stehn jetzt
einsam und verlassen in der Welt; kommen
Sie zu mir nach Tivoli, hier ist Raum für
uns beyde, und in einer schönen Einsamkeit
wird Ihr kranker Geist vielleicht etwas wieder
hergestellt. Denken Sie nicht mehr an meinen
unmenschlichen Brief, den Sie in Paris erhiel-
ten, damals war ich gezwungen, so zu schrei-
ben, weil Andrea noch lebte, jetzt aber kann
ich nach meinem eignen, bessern Willen handeln.

Wir sind durch Andrea klüger gemacht,
und so mag denn seine trübe, hyperphysische
Weisheit fahren! Wir wollen das Leben frisch
und sinnlich genießen und uns um gar nichts
anders kümmern. -- Ich habe eine rechte Sehn-

G g 2
30.
Roſa an William Lovell.

Lieber Lovell, Sie ſollen einſehn, daß ſowohl
Andrea als Sie ſich in mir geirrt haben. Ich
denke mein Vermoͤgen nicht zu verſchwenden,
ſondern auf eine angenehme Weiſe zu genießen,
und zwar in Ihrer Geſellſchaft. Sie ſtehn jetzt
einſam und verlaſſen in der Welt; kommen
Sie zu mir nach Tivoli, hier iſt Raum fuͤr
uns beyde, und in einer ſchoͤnen Einſamkeit
wird Ihr kranker Geiſt vielleicht etwas wieder
hergeſtellt. Denken Sie nicht mehr an meinen
unmenſchlichen Brief, den Sie in Paris erhiel-
ten, damals war ich gezwungen, ſo zu ſchrei-
ben, weil Andrea noch lebte, jetzt aber kann
ich nach meinem eignen, beſſern Willen handeln.

Wir ſind durch Andrea kluͤger gemacht,
und ſo mag denn ſeine truͤbe, hyperphyſiſche
Weisheit fahren! Wir wollen das Leben friſch
und ſinnlich genießen und uns um gar nichts
anders kuͤmmern. — Ich habe eine rechte Sehn-

G g 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0474" n="467"/>
        <div n="2">
          <head>30.<lb/><hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi> an <hi rendition="#g">William Lovell</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Tivoli</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">L</hi>ieber Lovell, Sie &#x017F;ollen ein&#x017F;ehn, daß &#x017F;owohl<lb/>
Andrea als Sie &#x017F;ich in mir geirrt haben. Ich<lb/>
denke mein Vermo&#x0364;gen nicht zu ver&#x017F;chwenden,<lb/>
&#x017F;ondern auf eine angenehme Wei&#x017F;e zu genießen,<lb/>
und zwar in Ihrer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Sie &#x017F;tehn jetzt<lb/>
ein&#x017F;am und verla&#x017F;&#x017F;en in der Welt; kommen<lb/>
Sie zu mir nach Tivoli, hier i&#x017F;t Raum fu&#x0364;r<lb/>
uns beyde, und in einer &#x017F;cho&#x0364;nen Ein&#x017F;amkeit<lb/>
wird Ihr kranker Gei&#x017F;t vielleicht etwas wieder<lb/>
herge&#x017F;tellt. Denken Sie nicht mehr an meinen<lb/>
unmen&#x017F;chlichen Brief, den Sie in Paris erhiel-<lb/>
ten, damals war ich gezwungen, &#x017F;o zu &#x017F;chrei-<lb/>
ben, weil Andrea noch lebte, jetzt aber kann<lb/>
ich nach meinem eignen, be&#x017F;&#x017F;ern Willen handeln.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;ind durch Andrea klu&#x0364;ger gemacht,<lb/>
und &#x017F;o mag denn &#x017F;eine tru&#x0364;be, hyperphy&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Weisheit fahren! Wir wollen das Leben fri&#x017F;ch<lb/>
und &#x017F;innlich genießen und uns um gar nichts<lb/>
anders ku&#x0364;mmern. &#x2014; Ich habe eine rechte Sehn-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0474] 30. Roſa an William Lovell. Tivoli. Lieber Lovell, Sie ſollen einſehn, daß ſowohl Andrea als Sie ſich in mir geirrt haben. Ich denke mein Vermoͤgen nicht zu verſchwenden, ſondern auf eine angenehme Weiſe zu genießen, und zwar in Ihrer Geſellſchaft. Sie ſtehn jetzt einſam und verlaſſen in der Welt; kommen Sie zu mir nach Tivoli, hier iſt Raum fuͤr uns beyde, und in einer ſchoͤnen Einſamkeit wird Ihr kranker Geiſt vielleicht etwas wieder hergeſtellt. Denken Sie nicht mehr an meinen unmenſchlichen Brief, den Sie in Paris erhiel- ten, damals war ich gezwungen, ſo zu ſchrei- ben, weil Andrea noch lebte, jetzt aber kann ich nach meinem eignen, beſſern Willen handeln. Wir ſind durch Andrea kluͤger gemacht, und ſo mag denn ſeine truͤbe, hyperphyſiſche Weisheit fahren! Wir wollen das Leben friſch und ſinnlich genießen und uns um gar nichts anders kuͤmmern. — Ich habe eine rechte Sehn- G g 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/474
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/474>, abgerufen am 21.11.2024.