Ich bin hier, Rosa, in Rom wieder. Kom- men Sie doch, liebster Freund, so schnell als möglich, sogleich zu mir hinüber. Ich bin erst heut Abend hier angekommen, kaum seit einer Stunde bin ich hier. Ich wohne in demselben Hause, das ich sonst bewohnt habe. Es ist mir ganz seltsam, ich sehe aus dem Fenster, und dieselbe alte, wohlbekannte Straße streckt sich wieder vor mir aus. Ich habe es nicht unter- lassen können, ich habe schon einen Spatzier- gang durch die benachbarten Gassen machen müssen. Ich bin vielen Gesichtern begegnet, die mir schon damals bekannt waren, weil man sie immer auf den Straßen sieht; ich kann Ih- nen nicht beschreiben, mit welcher Liebe ich die bekannten Palläste und Kirchen betrachtet habe. -- Ich möchte fast noch Andrea besuchen, aber ich will dennoch bis morgen warten. Wie harr' ich auf den ersten Klang seiner Worte!
13. William Lovell an Roſa.
Rom.
Ich bin hier, Roſa, in Rom wieder. Kom- men Sie doch, liebſter Freund, ſo ſchnell als moͤglich, ſogleich zu mir hinuͤber. Ich bin erſt heut Abend hier angekommen, kaum ſeit einer Stunde bin ich hier. Ich wohne in demſelben Hauſe, das ich ſonſt bewohnt habe. Es iſt mir ganz ſeltſam, ich ſehe aus dem Fenſter, und dieſelbe alte, wohlbekannte Straße ſtreckt ſich wieder vor mir aus. Ich habe es nicht unter- laſſen koͤnnen, ich habe ſchon einen Spatzier- gang durch die benachbarten Gaſſen machen muͤſſen. Ich bin vielen Geſichtern begegnet, die mir ſchon damals bekannt waren, weil man ſie immer auf den Straßen ſieht; ich kann Ih- nen nicht beſchreiben, mit welcher Liebe ich die bekannten Pallaͤſte und Kirchen betrachtet habe. — Ich moͤchte faſt noch Andrea beſuchen, aber ich will dennoch bis morgen warten. Wie harr' ich auf den erſten Klang ſeiner Worte!
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13.
William Lovell an Roſa.
Rom.
Ich bin hier, Roſa, in Rom wieder. Kom-
men Sie doch, liebſter Freund, ſo ſchnell als
moͤglich, ſogleich zu mir hinuͤber. Ich bin erſt
heut Abend hier angekommen, kaum ſeit einer
Stunde bin ich hier. Ich wohne in demſelben
Hauſe, das ich ſonſt bewohnt habe. Es iſt mir
ganz ſeltſam, ich ſehe aus dem Fenſter, und
dieſelbe alte, wohlbekannte Straße ſtreckt ſich
wieder vor mir aus. Ich habe es nicht unter-
laſſen koͤnnen, ich habe ſchon einen Spatzier-
gang durch die benachbarten Gaſſen machen
muͤſſen. Ich bin vielen Geſichtern begegnet,
die mir ſchon damals bekannt waren, weil man
ſie immer auf den Straßen ſieht; ich kann Ih-
nen nicht beſchreiben, mit welcher Liebe ich die
bekannten Pallaͤſte und Kirchen betrachtet habe.
— Ich moͤchte faſt noch Andrea beſuchen, aber
ich will dennoch bis morgen warten. Wie
harr' ich auf den erſten Klang ſeiner Worte!
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/371>, abgerufen am 21.11.2024.
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