Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
32.
Betty an Amglie.

O liebste, liebste Freundinn! Ich kann Ihnen
noch immer nicht beschreiben, wie mir zu Mu-
the ist. -- Wir haben Sie recht hieher gewünscht
und Ihre Kränklichkeit recht bedauert; bey der
Hochzeit nehmlich. Mein Vater hat mir frei-
lich wohl gesagt, ich soll mich in meinem Glücke
nicht übernehmen, aber das läßt sich leicht sa-
gen und schwer thun. Ich weiß immer noch
nicht, wie mir zu Muthe ist, ich ziehe mich
manchmal am Arme, um zu erwachen. Wenn
ich im Garten, oder im Dorfe spatzieren gehe,
so grüßen mich alle Leute sehr freundlich und
betrachten mich als ihre Herrschaft, Eduard
darf ich bey seinem Vornamen und ihn Du
nennen, denselben Menschen, den ich bis jetzt
nur aus der Ferne, wie eine Gottheit, angebe-
tet habe. Mein Vater ist fröhlich und hat
einigemal vor Rührung geweint, mit seinen
schwachen Augen kannte er mich gestern in den

32.
Betty an Amglie.

O liebſte, liebſte Freundinn! Ich kann Ihnen
noch immer nicht beſchreiben, wie mir zu Mu-
the iſt. — Wir haben Sie recht hieher gewuͤnſcht
und Ihre Kraͤnklichkeit recht bedauert; bey der
Hochzeit nehmlich. Mein Vater hat mir frei-
lich wohl geſagt, ich ſoll mich in meinem Gluͤcke
nicht uͤbernehmen, aber das laͤßt ſich leicht ſa-
gen und ſchwer thun. Ich weiß immer noch
nicht, wie mir zu Muthe iſt, ich ziehe mich
manchmal am Arme, um zu erwachen. Wenn
ich im Garten, oder im Dorfe ſpatzieren gehe,
ſo gruͤßen mich alle Leute ſehr freundlich und
betrachten mich als ihre Herrſchaft, Eduard
darf ich bey ſeinem Vornamen und ihn Du
nennen, denſelben Menſchen, den ich bis jetzt
nur aus der Ferne, wie eine Gottheit, angebe-
tet habe. Mein Vater iſt froͤhlich und hat
einigemal vor Ruͤhrung geweint, mit ſeinen
ſchwachen Augen kannte er mich geſtern in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0252" n="245"/>
        <div n="2">
          <head>32.<lb/><hi rendition="#g">Betty</hi> an <hi rendition="#g">Amglie</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Bon&#x017F;treet</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">O</hi> lieb&#x017F;te, lieb&#x017F;te Freundinn! Ich kann Ihnen<lb/>
noch immer nicht be&#x017F;chreiben, wie mir zu Mu-<lb/>
the i&#x017F;t. &#x2014; Wir haben Sie recht hieher gewu&#x0364;n&#x017F;cht<lb/>
und Ihre Kra&#x0364;nklichkeit recht bedauert; bey der<lb/>
Hochzeit nehmlich. Mein Vater hat mir frei-<lb/>
lich wohl ge&#x017F;agt, ich &#x017F;oll mich in meinem Glu&#x0364;cke<lb/>
nicht u&#x0364;bernehmen, aber das la&#x0364;ßt &#x017F;ich leicht &#x017F;a-<lb/>
gen und &#x017F;chwer thun. Ich weiß immer noch<lb/>
nicht, wie mir zu Muthe i&#x017F;t, ich ziehe mich<lb/>
manchmal am Arme, um zu erwachen. Wenn<lb/>
ich im Garten, oder im Dorfe &#x017F;patzieren gehe,<lb/>
&#x017F;o gru&#x0364;ßen mich alle Leute &#x017F;ehr freundlich und<lb/>
betrachten mich als ihre Herr&#x017F;chaft, Eduard<lb/>
darf ich bey &#x017F;einem Vornamen und ihn Du<lb/>
nennen, den&#x017F;elben Men&#x017F;chen, den ich bis jetzt<lb/>
nur aus der Ferne, wie eine Gottheit, angebe-<lb/>
tet habe. Mein Vater i&#x017F;t fro&#x0364;hlich und hat<lb/>
einigemal vor Ru&#x0364;hrung geweint, mit &#x017F;einen<lb/>
&#x017F;chwachen Augen kannte er mich ge&#x017F;tern in den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0252] 32. Betty an Amglie. Bonſtreet. O liebſte, liebſte Freundinn! Ich kann Ihnen noch immer nicht beſchreiben, wie mir zu Mu- the iſt. — Wir haben Sie recht hieher gewuͤnſcht und Ihre Kraͤnklichkeit recht bedauert; bey der Hochzeit nehmlich. Mein Vater hat mir frei- lich wohl geſagt, ich ſoll mich in meinem Gluͤcke nicht uͤbernehmen, aber das laͤßt ſich leicht ſa- gen und ſchwer thun. Ich weiß immer noch nicht, wie mir zu Muthe iſt, ich ziehe mich manchmal am Arme, um zu erwachen. Wenn ich im Garten, oder im Dorfe ſpatzieren gehe, ſo gruͤßen mich alle Leute ſehr freundlich und betrachten mich als ihre Herrſchaft, Eduard darf ich bey ſeinem Vornamen und ihn Du nennen, denſelben Menſchen, den ich bis jetzt nur aus der Ferne, wie eine Gottheit, angebe- tet habe. Mein Vater iſt froͤhlich und hat einigemal vor Ruͤhrung geweint, mit ſeinen ſchwachen Augen kannte er mich geſtern in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/252
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/252>, abgerufen am 03.12.2024.