Ich habe ansehnliche Summen gewonnen, und ich denke bald damit England zu verlassen. Es ist nichts leichter, als eine Rolle in der Welt zu spielen und es giebt tausend Arten sich in- teressant zu machen. Man riß sich nach mir, weil ich mir in London einen sonderbaren ita- liänischen Namen gegeben hatte und immer viele Seltsamkeiten von mir vermuthen ließ; ich erzählte zuweilen einigen Freunden aben- theuerliche Bruchstücke aus einer erdichteten Ge- schichte, die es dann nicht unterließen, sie Je- dermann wieder unter dem Siegel der Verschwie- genheit anzuvertrauen. Man war in allen Fa- milien neugierig, mich kennen zu lernen, in vielen Gesellschaften gab ich den Ton an und entschied, wenn streitige Fälle vorkamen. Man fand mich ungemein klug, weil ich ein paarmal etwas gesagt hatte, was ich selbst nicht ver- stand, man dachte darüber nach, und es gab
26. William Lovell an Roſa.
Roger — place.
Ich habe anſehnliche Summen gewonnen, und ich denke bald damit England zu verlaſſen. Es iſt nichts leichter, als eine Rolle in der Welt zu ſpielen und es giebt tauſend Arten ſich in- tereſſant zu machen. Man riß ſich nach mir, weil ich mir in London einen ſonderbaren ita- liaͤniſchen Namen gegeben hatte und immer viele Seltſamkeiten von mir vermuthen ließ; ich erzaͤhlte zuweilen einigen Freunden aben- theuerliche Bruchſtuͤcke aus einer erdichteten Ge- ſchichte, die es dann nicht unterließen, ſie Je- dermann wieder unter dem Siegel der Verſchwie- genheit anzuvertrauen. Man war in allen Fa- milien neugierig, mich kennen zu lernen, in vielen Geſellſchaften gab ich den Ton an und entſchied, wenn ſtreitige Faͤlle vorkamen. Man fand mich ungemein klug, weil ich ein paarmal etwas geſagt hatte, was ich ſelbſt nicht ver- ſtand, man dachte daruͤber nach, und es gab
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0118"n="111"/><divn="2"><head>26.<lb/><hirendition="#g">William Lovell</hi> an <hirendition="#g">Roſa</hi>.</head><lb/><dateline><hirendition="#et"><hirendition="#g">Roger — place</hi>.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>ch habe anſehnliche Summen gewonnen, und<lb/>
ich denke bald damit England zu verlaſſen. Es<lb/>
iſt nichts leichter, als eine Rolle in der Welt<lb/>
zu ſpielen und es giebt tauſend Arten ſich in-<lb/>
tereſſant zu machen. Man riß ſich nach mir,<lb/>
weil ich mir in London einen ſonderbaren ita-<lb/>
liaͤniſchen Namen gegeben hatte und immer<lb/>
viele Seltſamkeiten von mir vermuthen ließ;<lb/>
ich erzaͤhlte zuweilen einigen Freunden aben-<lb/>
theuerliche Bruchſtuͤcke aus einer erdichteten Ge-<lb/>ſchichte, die es dann nicht unterließen, ſie Je-<lb/>
dermann wieder unter dem Siegel der Verſchwie-<lb/>
genheit anzuvertrauen. Man war in allen Fa-<lb/>
milien neugierig, mich kennen zu lernen, in<lb/>
vielen Geſellſchaften gab ich den Ton an und<lb/>
entſchied, wenn ſtreitige Faͤlle vorkamen. Man<lb/>
fand mich ungemein klug, weil ich ein paarmal<lb/>
etwas geſagt hatte, was ich ſelbſt nicht ver-<lb/>ſtand, man dachte daruͤber nach, und es gab<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[111/0118]
26.
William Lovell an Roſa.
Roger — place.
Ich habe anſehnliche Summen gewonnen, und
ich denke bald damit England zu verlaſſen. Es
iſt nichts leichter, als eine Rolle in der Welt
zu ſpielen und es giebt tauſend Arten ſich in-
tereſſant zu machen. Man riß ſich nach mir,
weil ich mir in London einen ſonderbaren ita-
liaͤniſchen Namen gegeben hatte und immer
viele Seltſamkeiten von mir vermuthen ließ;
ich erzaͤhlte zuweilen einigen Freunden aben-
theuerliche Bruchſtuͤcke aus einer erdichteten Ge-
ſchichte, die es dann nicht unterließen, ſie Je-
dermann wieder unter dem Siegel der Verſchwie-
genheit anzuvertrauen. Man war in allen Fa-
milien neugierig, mich kennen zu lernen, in
vielen Geſellſchaften gab ich den Ton an und
entſchied, wenn ſtreitige Faͤlle vorkamen. Man
fand mich ungemein klug, weil ich ein paarmal
etwas geſagt hatte, was ich ſelbſt nicht ver-
ſtand, man dachte daruͤber nach, und es gab
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/118>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.