Du hast lange nicht geschrieben, lieber William, und daraus schließe ich und Deine Mutter, daß es Dir noch immer in den Armen Deines Freun- des und der schönen Natur gefalle. -- Diese Jahre, in denen Du lebst, sind die Jahre des reizendsten Genusses, darum genieße, wenn Du auch etwas von dem vergessen solltest, was Du ehemals wußtest: wenn Dein Verstand in der stillen Betrachtung der Natur und ihrer Schätze bereichert wird, so kannst Du gewisse Gedächt- nißsachen indeß als ein Kapital irgendwo unter- bringen und Du bekömmst sie nachher mit rei- chen Zinsen zurück. Vielleicht wird dadurch auch Deine Gesundheit so sehr befestigt, daß Du nicht, wie ich, von tausend Unfällen zu leiden hast, ungehindert können dann alle Deine Kräfte in der glücklichsten Thätigkeit wirken, wenn der Schwächere erst von tausend umgebenden Klei- nigkeiten die Erlaubniß dazu erbitten muß.
Seit
5. Der alte Lovell an ſeinen Sohn.
(Einlage des vorigen.)
London.
Du haſt lange nicht geſchrieben, lieber William, und daraus ſchließe ich und Deine Mutter, daß es Dir noch immer in den Armen Deines Freun- des und der ſchoͤnen Natur gefalle. — Dieſe Jahre, in denen Du lebſt, ſind die Jahre des reizendſten Genuſſes, darum genieße, wenn Du auch etwas von dem vergeſſen ſollteſt, was Du ehemals wußteſt: wenn Dein Verſtand in der ſtillen Betrachtung der Natur und ihrer Schaͤtze bereichert wird, ſo kannſt Du gewiſſe Gedaͤcht- nißſachen indeß als ein Kapital irgendwo unter- bringen und Du bekoͤmmſt ſie nachher mit rei- chen Zinſen zuruͤck. Vielleicht wird dadurch auch Deine Geſundheit ſo ſehr befeſtigt, daß Du nicht, wie ich, von tauſend Unfaͤllen zu leiden haſt, ungehindert koͤnnen dann alle Deine Kraͤfte in der gluͤcklichſten Thaͤtigkeit wirken, wenn der Schwaͤchere erſt von tauſend umgebenden Klei- nigkeiten die Erlaubniß dazu erbitten muß.
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[32[30]/0040]
5.
Der alte Lovell an ſeinen Sohn.
(Einlage des vorigen.)
London.
Du haſt lange nicht geſchrieben, lieber William,
und daraus ſchließe ich und Deine Mutter, daß
es Dir noch immer in den Armen Deines Freun-
des und der ſchoͤnen Natur gefalle. — Dieſe
Jahre, in denen Du lebſt, ſind die Jahre des
reizendſten Genuſſes, darum genieße, wenn Du
auch etwas von dem vergeſſen ſollteſt, was Du
ehemals wußteſt: wenn Dein Verſtand in der
ſtillen Betrachtung der Natur und ihrer Schaͤtze
bereichert wird, ſo kannſt Du gewiſſe Gedaͤcht-
nißſachen indeß als ein Kapital irgendwo unter-
bringen und Du bekoͤmmſt ſie nachher mit rei-
chen Zinſen zuruͤck. Vielleicht wird dadurch auch
Deine Geſundheit ſo ſehr befeſtigt, daß Du nicht,
wie ich, von tauſend Unfaͤllen zu leiden haſt,
ungehindert koͤnnen dann alle Deine Kraͤfte in
der gluͤcklichſten Thaͤtigkeit wirken, wenn der
Schwaͤchere erſt von tauſend umgebenden Klei-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 32[30]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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