Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Glückseeligkeit des Menschen. Leben/ hernach die Sinnligkeiten/ und danndie Vernunfft rechnet; man möge nun dafür halten/ daß der Mensch drey Seelen habe/ ei- ne Wachßthümliche/ eine Sinnliche und eine Vernünfftige/ oder das die menschliche Seele dreyerley würckende Eigenschafften habe/ davon das Leben dem Menschen mit dem Pflan- tzen/ und die Sinnligkeit ihme mit den Thieren gemein sey/ die Vernunfft aber ihme alleine zu- stehe/ daher auch der Mensch erst in Mutter- Leibe als eine Pflantze/ hernach nach seiner Ge- burt in seiner ersten Kindheit als ein Thier le- be/ biß er endlich/ wenn er seine Vernunfft zu brauchen anfange/ auch anfange als ein Mensch zu leben. 21. Woraus man ferner zu folgern pfleget/ 22. Gleicher weise ist auch ein Jrrthum/ wenn schrie E
Gluͤckſeeligkeit des Menſchen. Leben/ hernach die Sinnligkeiten/ und danndie Vernunfft rechnet; man moͤge nun dafuͤr halten/ daß der Menſch drey Seelen habe/ ei- ne Wachßthuͤmliche/ eine Sinnliche und eine Vernuͤnfftige/ oder das die menſchliche Seele dreyerley wuͤrckende Eigenſchafften habe/ davon das Leben dem Menſchen mit dem Pflan- tzen/ und die Sinnligkeit ihme mit den Thieren gemein ſey/ die Vernunfft aber ihme alleine zu- ſtehe/ daher auch der Menſch erſt in Mutter- Leibe als eine Pflantze/ hernach nach ſeiner Ge- burt in ſeiner erſten Kindheit als ein Thier le- be/ biß er endlich/ wenn er ſeine Vernunfft zu brauchen anfange/ auch anfange als ein Menſch zu leben. 21. Woraus man ferner zu folgern pfleget/ 22. Gleicher weiſe iſt auch ein Jrrthum/ wenn ſchrie E
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Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.
Leben/ hernach die Sinnligkeiten/ und dann
die Vernunfft rechnet; man moͤge nun dafuͤr
halten/ daß der Menſch drey Seelen habe/ ei-
ne Wachßthuͤmliche/ eine Sinnliche und eine
Vernuͤnfftige/ oder das die menſchliche Seele
dreyerley wuͤrckende Eigenſchafften habe/
davon das Leben dem Menſchen mit dem Pflan-
tzen/ und die Sinnligkeit ihme mit den Thieren
gemein ſey/ die Vernunfft aber ihme alleine zu-
ſtehe/ daher auch der Menſch erſt in Mutter-
Leibe als eine Pflantze/ hernach nach ſeiner Ge-
burt in ſeiner erſten Kindheit als ein Thier le-
be/ biß er endlich/ wenn er ſeine Vernunfft zu
brauchen anfange/ auch anfange als ein Menſch
zu leben.
21. Woraus man ferner zu folgern pfleget/
daß das Leben der Geſundheit/ die Sinn-
ligkeit aber dem Leben/ und die Vernunfft
allen dreyen fuͤrzuziehen/ woraus viel inconve-
nientiæ erwachſen/ die wir eben jetzo nicht beruͤh-
ren wollen.
22. Gleicher weiſe iſt auch ein Jrrthum/ wenn
man den Leib nur fuͤr ein Gefaͤngniß und
nicht fuͤr ein Theil der Seele haͤlt. Weßhalb
man hernach nicht eben bewundern darff/ wenn
die Stoiker und Epicureer auff den Schwarm
gerathen/ daß ein weiſer Mann mitten im
Fener eben ſo ruhig ſey/ als wenn er in ei-
nem Roſen-Garten ſaͤſſe/ oder wenn ſie ge-
ſagt/ bey ereigneten großen Schmertzen
ſchrie
E
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