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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 2. Hauptst. von der grösten
4.

Glückselig seyn heist das wahre Gut
des Menschen besitzen. Die höchste Glückse-
ligkeit
aber wird auff zweyerley Art genom-
men/ entweder wenn man die unterschiedenen
Güter des Menschen in Ansehen ihrer unter-
schiedenen Grade gegen einander hält/ vor die
Besitzung des edelsten Guts oder in An-
schung seiner Vollkommenheit/ vor die Besi-
tzung aller der menschlichen Güter insge-
sambt
oder zum wenigsten derjenigen/ die wir
oben höchstnothwendig genennet haben.

5.

Was den ersten Verstand betrifft/ so
weiset bald anfänglich das jenige/ was wir im
vorigen Capitel erwehnet haben/ daß/ und
Reichthumb/ Ehre/ Freyheit/ Freude/ und
das decorum nicht nothwendige Güter seyn
auch keines von denenselben vor die höchste
Glückseligkeit des Menschen gehalten werden
könne.

6.

Zugeschweigen daß/ GOtt dem Men-
schen eingepflantzet hat/ dem Guten nachzutrach-
ten/ und folglich auch dieses höchste Gut in des
Menschen seiner Willkühr stehen müsse/ da
doch alle obberührte Arten unter die Güter des
Glücks/
daß ist/ die nicht in unserer Willkühr
stehen/ auch nach allgemeiner Meinung gerech-
net werden.

7.

Reichthumb und Ehre kan das höchste
Gut nicht seyn/ weil alle Regeln die wir dieser-
wegen in der Oeconomique und Politic geben

wer-
Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
4.

Gluͤckſelig ſeyn heiſt das wahre Gut
des Menſchen beſitzen. Die hoͤchſte Gluͤckſe-
ligkeit
aber wird auff zweyerley Art genom-
men/ entweder wenn man die unterſchiedenen
Guͤter des Menſchen in Anſehen ihrer unter-
ſchiedenen Grade gegen einander haͤlt/ vor die
Beſitzung des edelſten Guts oder in An-
ſchung ſeiner Vollkommenheit/ vor die Beſi-
tzung aller der menſchlichen Guͤter insge-
ſambt
oder zum wenigſten derjenigen/ die wir
oben hoͤchſtnothwendig genennet haben.

5.

Was den erſten Verſtand betrifft/ ſo
weiſet bald anfaͤnglich das jenige/ was wir im
vorigen Capitel erwehnet haben/ daß/ und
Reichthumb/ Ehre/ Freyheit/ Freude/ und
das decorum nicht nothwendige Guͤter ſeyn
auch keines von denenſelben vor die hoͤchſte
Gluͤckſeligkeit des Menſchen gehalten werden
koͤnne.

6.

Zugeſchweigen daß/ GOtt dem Men-
ſchen eingepflantzet hat/ dem Guten nachzutrach-
ten/ und folglich auch dieſes hoͤchſte Gut in des
Menſchen ſeiner Willkuͤhr ſtehen muͤſſe/ da
doch alle obberuͤhrte Arten unter die Guͤter des
Gluͤcks/
daß iſt/ die nicht in unſerer Willkuͤhr
ſtehen/ auch nach allgemeiner Meinung gerech-
net werden.

7.

Reichthumb und Ehre kan das hoͤchſte
Gut nicht ſeyn/ weil alle Regeln die wir dieſer-
wegen in der Oeconomique und Politic geben

wer-
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[58/0090] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten 4. Gluͤckſelig ſeyn heiſt das wahre Gut des Menſchen beſitzen. Die hoͤchſte Gluͤckſe- ligkeit aber wird auff zweyerley Art genom- men/ entweder wenn man die unterſchiedenen Guͤter des Menſchen in Anſehen ihrer unter- ſchiedenen Grade gegen einander haͤlt/ vor die Beſitzung des edelſten Guts oder in An- ſchung ſeiner Vollkommenheit/ vor die Beſi- tzung aller der menſchlichen Guͤter insge- ſambt oder zum wenigſten derjenigen/ die wir oben hoͤchſtnothwendig genennet haben. 5. Was den erſten Verſtand betrifft/ ſo weiſet bald anfaͤnglich das jenige/ was wir im vorigen Capitel erwehnet haben/ daß/ und Reichthumb/ Ehre/ Freyheit/ Freude/ und das decorum nicht nothwendige Guͤter ſeyn auch keines von denenſelben vor die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit des Menſchen gehalten werden koͤnne. 6. Zugeſchweigen daß/ GOtt dem Men- ſchen eingepflantzet hat/ dem Guten nachzutrach- ten/ und folglich auch dieſes hoͤchſte Gut in des Menſchen ſeiner Willkuͤhr ſtehen muͤſſe/ da doch alle obberuͤhrte Arten unter die Guͤter des Gluͤcks/ daß iſt/ die nicht in unſerer Willkuͤhr ſtehen/ auch nach allgemeiner Meinung gerech- net werden. 7. Reichthumb und Ehre kan das hoͤchſte Gut nicht ſeyn/ weil alle Regeln die wir dieſer- wegen in der Oeconomique und Politic geben wer-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/90>, abgerufen am 04.03.2025.