Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite
das Gute u. Böse zu erkennen überhaupt.
83.

Denn der Mensch kan auch aus dem
Licht der Natur erkennen/ daß GOtt für seine
Wohlfahrt Sorge trage/ und daß er auch in die-
sem Leben
(denn von dem zukünfftigen weiß
die Menschliche Vernunfft nichts) ihn/ nach dem
er sein Leben anstellet/ mit Gnten oder Bösen
belohnen oder bestraffen
wolle.

84.

Deshalben muß er auch nothwendig für
gut halten/ daß er nach Gottes Willen/ den
er ihm in dem Recht der Natur offenbahret/ sein
Thun und Lassen einrichte/
und für böse/ wenn
er demselben widerstrebet/ weil er weiß/ daß
auff jenes die Belohnung/ auff dieses aber die
Straffe folgen werde/ und daß die Göttliche
Belohnung und Straffe viel dauerhafftiger sey
als ein gegenwärtiges und augenblickliches Ubel
oder Gut.

85.

Worzu noch ferner kommt/ daß er erken-
net/ wie das Recht der Natur in der allgemeinen
Glückseligkeit des Menschlichen Geschlechts ge-
gründet sey/ weshalben er destomehr für etwas
gutes halten muß/ daß er sein Leben nach Gottes
Willen einrichte/ weil unter der allgemeinen
Glückseeligkeit auch seine eigene mit begriffen
wird.

86.

Wenn er demnach sein Leben nach Gottes
Willen einrichtet/ so heisset solches ein tugend-
hasstes Leben/
zu diesem aber kan er nicht gelan-
gen/ wenn sein Verstand nicht zu vorher durch
die Gelahrheit ausgebessert ist. Derowegen

ist
das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt.
83.

Denn der Menſch kan auch aus dem
Licht der Natur erkennen/ daß GOtt fuͤr ſeine
Wohlfahrt Sorge trage/ und daß er auch in die-
ſem Leben
(denn von dem zukuͤnfftigen weiß
die Menſchliche Vernunfft nichts) ihn/ nach dem
er ſein Leben anſtellet/ mit Gnten oder Boͤſen
belohnen oder beſtraffen
wolle.

84.

Deshalben muß er auch nothwendig fuͤr
gut halten/ daß er nach Gottes Willen/ den
er ihm in dem Recht der Natur offenbahret/ ſein
Thun und Laſſen einrichte/
und fuͤr boͤſe/ wenn
er demſelben widerſtrebet/ weil er weiß/ daß
auff jenes die Belohnung/ auff dieſes aber die
Straffe folgen werde/ und daß die Goͤttliche
Belohnung und Straffe viel dauerhafftiger ſey
als ein gegenwaͤrtiges und augenblickliches Ubel
oder Gut.

85.

Worzu noch ferner kommt/ daß er erken-
net/ wie das Recht der Natur in der allgemeinen
Gluͤckſeligkeit des Menſchlichen Geſchlechts ge-
gruͤndet ſey/ weshalben er deſtomehr fuͤr etwas
gutes halten muß/ daß er ſein Leben nach Gottes
Willen einrichte/ weil unter der allgemeinen
Gluͤckſeeligkeit auch ſeine eigene mit begriffen
wird.

86.

Wenn er demnach ſein Leben nach Gottes
Willen einrichtet/ ſo heiſſet ſolches ein tugend-
haſſtes Leben/
zu dieſem aber kan er nicht gelan-
gen/ wenn ſein Verſtand nicht zu vorher durch
die Gelahrheit ausgebeſſert iſt. Derowegen

iſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0063" n="31"/>
        <fw place="top" type="header">das Gute u. Bo&#x0364;&#x017F;e zu erkennen u&#x0364;berhaupt.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>83.</head>
          <p>Denn der Men&#x017F;ch kan auch aus dem<lb/><hi rendition="#fr">Licht der Natur</hi> erkennen/ daß GOtt fu&#x0364;r &#x017F;eine<lb/>
Wohlfahrt Sorge trage/ und daß er auch in <hi rendition="#fr">die-<lb/>
&#x017F;em Leben</hi> (denn von dem zuku&#x0364;nfftigen weiß<lb/>
die Men&#x017F;chliche Vernunfft nichts) ihn/ nach dem<lb/>
er &#x017F;ein Leben an&#x017F;tellet/ mit <hi rendition="#fr">Gnten oder Bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
belohnen oder be&#x017F;traffen</hi> wolle.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>84.</head>
          <p>Deshalben muß er auch nothwendig fu&#x0364;r<lb/><hi rendition="#fr">gut</hi> halten/ daß er <hi rendition="#fr">nach Gottes Willen/</hi> den<lb/>
er ihm in dem Recht der Natur offenbahret/ <hi rendition="#fr">&#x017F;ein<lb/>
Thun und La&#x017F;&#x017F;en einrichte/</hi> und fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;e/</hi> wenn<lb/>
er dem&#x017F;elben wider&#x017F;trebet/ weil er weiß/ daß<lb/>
auff jenes die Belohnung/ auff die&#x017F;es aber die<lb/>
Straffe folgen werde/ und daß die Go&#x0364;ttliche<lb/>
Belohnung und Straffe viel dauerhafftiger &#x017F;ey<lb/>
als ein gegenwa&#x0364;rtiges und augenblickliches Ubel<lb/>
oder Gut.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>85.</head>
          <p>Worzu noch ferner kommt/ daß er erken-<lb/>
net/ wie das Recht der Natur in der allgemeinen<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit des Men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts ge-<lb/>
gru&#x0364;ndet &#x017F;ey/ weshalben er de&#x017F;tomehr fu&#x0364;r etwas<lb/>
gutes halten muß/ daß er &#x017F;ein Leben nach Gottes<lb/>
Willen einrichte/ weil unter der allgemeinen<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit auch &#x017F;eine eigene mit begriffen<lb/>
wird.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>86.</head>
          <p>Wenn er demnach &#x017F;ein Leben nach Gottes<lb/>
Willen einrichtet/ &#x017F;o hei&#x017F;&#x017F;et &#x017F;olches ein <hi rendition="#fr">tugend-<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;tes Leben/</hi> zu die&#x017F;em aber kan er nicht gelan-<lb/>
gen/ wenn &#x017F;ein Ver&#x017F;tand nicht zu vorher durch<lb/>
die <hi rendition="#fr">Gelahrheit</hi> ausgebe&#x017F;&#x017F;ert i&#x017F;t. Derowegen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0063] das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt. 83. Denn der Menſch kan auch aus dem Licht der Natur erkennen/ daß GOtt fuͤr ſeine Wohlfahrt Sorge trage/ und daß er auch in die- ſem Leben (denn von dem zukuͤnfftigen weiß die Menſchliche Vernunfft nichts) ihn/ nach dem er ſein Leben anſtellet/ mit Gnten oder Boͤſen belohnen oder beſtraffen wolle. 84. Deshalben muß er auch nothwendig fuͤr gut halten/ daß er nach Gottes Willen/ den er ihm in dem Recht der Natur offenbahret/ ſein Thun und Laſſen einrichte/ und fuͤr boͤſe/ wenn er demſelben widerſtrebet/ weil er weiß/ daß auff jenes die Belohnung/ auff dieſes aber die Straffe folgen werde/ und daß die Goͤttliche Belohnung und Straffe viel dauerhafftiger ſey als ein gegenwaͤrtiges und augenblickliches Ubel oder Gut. 85. Worzu noch ferner kommt/ daß er erken- net/ wie das Recht der Natur in der allgemeinen Gluͤckſeligkeit des Menſchlichen Geſchlechts ge- gruͤndet ſey/ weshalben er deſtomehr fuͤr etwas gutes halten muß/ daß er ſein Leben nach Gottes Willen einrichte/ weil unter der allgemeinen Gluͤckſeeligkeit auch ſeine eigene mit begriffen wird. 86. Wenn er demnach ſein Leben nach Gottes Willen einrichtet/ ſo heiſſet ſolches ein tugend- haſſtes Leben/ zu dieſem aber kan er nicht gelan- gen/ wenn ſein Verſtand nicht zu vorher durch die Gelahrheit ausgebeſſert iſt. Derowegen iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/63
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/63>, abgerufen am 21.11.2024.