Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 1. Hauptst. von der Gelahrheit die trefflichsten hält/ und derenselben Thaten imi-tiret/ ein warhafftiges Gut. So ferne sie aber die Lasterhafften und Gewaltigsten zum Spiegel braucht/ ist es ein Ubel; So ferne es aber auf die Nachahmung indifferenter Dinge zielet/ ist es an sich selber mehr ein eiteles Nichts als was gutes/ jedoch wird es ex hypothesi, weil wir unter lauter eitelen Leuten leben/ billig für was gutes geachtet/ weil die Unterlassung des- selben dem Menschen schädlich ist/ und er ohne die- sem decoro in vita civili ohnmöglich fortkommen kan/ wie wir an seinem Orth mit mehrern erwei- sen werden. 81. Nun ist GOtt noch übrig. Von diesem 82. Und obschon der Mensch gleichfalls erken- 83. Denn
Das 1. Hauptſt. von der Gelahrheit die trefflichſten haͤlt/ und derenſelben Thaten imi-tiret/ ein warhafftiges Gut. So ferne ſie aber die Laſterhafften und Gewaltigſten zum Spiegel braucht/ iſt es ein Ubel; So ferne es aber auf die Nachahmung indifferenter Dinge zielet/ iſt es an ſich ſelber mehr ein eiteles Nichts als was gutes/ jedoch wird es ex hypotheſi, weil wir unter lauter eitelen Leuten leben/ billig fuͤr was gutes geachtet/ weil die Unterlaſſung deſ- ſelben dem Menſchen ſchaͤdlich iſt/ und er ohne die- ſem decoro in vita civili ohnmoͤglich fortkom̃en kan/ wie wir an ſeinem Orth mit mehrern erwei- ſen werden. 81. Nun iſt GOtt noch uͤbrig. Von dieſem 82. Und obſchon der Menſch gleichfalls erken- 83. Denn
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Das 1. Hauptſt. von der Gelahrheit
die trefflichſten haͤlt/ und derenſelben Thaten imi-
tiret/ ein warhafftiges Gut. So ferne ſie
aber die Laſterhafften und Gewaltigſten zum
Spiegel braucht/ iſt es ein Ubel; So ferne es
aber auf die Nachahmung indifferenter Dinge
zielet/ iſt es an ſich ſelber mehr ein eiteles Nichts
als was gutes/ jedoch wird es ex hypotheſi, weil
wir unter lauter eitelen Leuten leben/ billig fuͤr
was gutes geachtet/ weil die Unterlaſſung deſ-
ſelben dem Menſchen ſchaͤdlich iſt/ und er ohne die-
ſem decoro in vita civili ohnmoͤglich fortkom̃en
kan/ wie wir an ſeinem Orth mit mehrern erwei-
ſen werden.
81. Nun iſt GOtt noch uͤbrig. Von dieſem
hat der Menſch ſein Weſen bekommen/ und wird
noch von ihm augenblicklich in ſeiner Dauerung
erhalten. Jhm allein hat er die aͤußerlichen
Dinge/ die zu ſeiner Dauerung nach dem ordent-
lichen Lauff der Natur etwas contribuiren zu
dancken/ und alſo ſtehet GOTT unter allen
Guten billig oben an.
82. Und obſchon der Menſch gleichfalls erken-
net/ daß GOtt ihn aller ſeiner Guͤter wieder be-
rauben/ und den groͤſten Schaden zufuͤgen koͤnne;
ſo darff er doch GOtt nicht unter die boͤſen Din-
ge/ oder fuͤr die Urſache des Boͤſen rechnen/ weil
er gar wohl begreiffet/ daß er der Menſch durch
ſeine eigene Schuld alle die Ubel/ die von GOtt
herruͤhren ſich uͤber den Halß ladet-
83. Denn
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/62>, abgerufen am 04.03.2025. |