Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.das Gute u. Böse zu erkennen überhaupt. derliches habe/ daß ihm unter seines gleichenMenschen ein Mensch besser anstehet als der andere/ woraus eine absonderliche Freund- schafft oder Liebe entstehet. 70. Und zwar so geschiehet solches aus vieler- 71. Jm übrigen sind alle Menschen einander 72. Nichts destoweniger lebet der Mensch 73. Dieweil aber der wahrhafftige Grund an- sich
das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt. derliches habe/ daß ihm unter ſeines gleichenMenſchen ein Menſch beſſer anſtehet als der andere/ woraus eine abſonderliche Freund- ſchafft oder Liebe entſtehet. 70. Und zwar ſo geſchiehet ſolches aus vieler- 71. Jm uͤbrigen ſind alle Menſchen einander 72. Nichts deſtoweniger lebet der Menſch 73. Dieweil aber der wahrhafftige Grund an- ſich
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das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt.
derliches habe/ daß ihm unter ſeines gleichen
Menſchen ein Menſch beſſer anſtehet als der
andere/ woraus eine abſonderliche Freund-
ſchafft oder Liebe entſtehet.
70. Und zwar ſo geſchiehet ſolches aus vieler-
ley Urſachen/ entweder wegen einer abſonderli-
chen Duͤrfftigkeit/ oder wegen Beluſtigungen
der Sinnen/ oder wegen Ubereinſtimmung
der Gedancken oder des Willens.
71. Jm uͤbrigen ſind alle Menſchen einander
von Natur gleich/ und die Ungleichheit der Staͤn-
de iſt entweder aus Mangel oder wegen dringen-
der Noth eingefuͤhret worden. Dannenhero
ſteckt es in des Menſchen Natur/ daß er ſo viel als
moͤglich trachtet ſeine Gleichheit zu erhalten.
Und entſtehet daher ein abſonderliches Gut/ das
man Freyheit zu nennen pfleget.
72. Nichts deſtoweniger lebet der Menſch
von Jugend auff unter lauter Ungleichheit/ und
dieſe Gewohnheit wird bey ihm gleichſam zur an-
dern Natur. Dannenhero traͤget er Verlangen
entweder andern die uͤber ihm ſind/ gleich/ oder de-
nen die ſeines gleichen ſind vorgezogen zu weꝛden/
welches man die Ehrbegierde zu nennen pfleget.
73. Dieweil aber der wahrhafftige Grund an-
dern gleich geachtet oder vorgezogen zu werden/ in
dem rechten Gebrauch der Vernunfft/ das iſt/ in
rechtſchaffener Erkaͤntniß und Ausuͤbung des
Wahren und Guten beſtehet; So iſt dieſe Be-
gierde nur in ſo weit fuͤr gut zu achten/ ſo ferne ſie
ſich
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/59>, abgerufen am 04.03.2025. |