Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

das Gute u. Böse zu erkennen üherhaupt.
appliciret werden/ z. e. Speise/ Tranck/ Gifft/
ein Dolch u. s. w. Und muß dannenhero der
Mensch sein Wesen und dessen Beschaffen-
heit wohl erkennen/
damit er diese Dinge
gleichsam bey dem rechten Ende anzugreiffen
wisse/ und sich nicht selbsten durch seine eigene
Schuld damit schade.

16.

Jedoch ist es im gemeinen Bürgerlichen Le-
ben so herkommens/ daß man a potiori die äus-
serlichen Dinge
gut oder böse zu nennen pfleget/
nachdem sie mehrentheils zu des Menschen Nu-
tzen oder Schaden können appliciret werden/ z. e.
Speise und Tranck ist was gutes/ der Gifft
was schädliches/ u. s. w.

17.

So ist auch hiernechst in Ansehung der
Applicirung äufferlicher Dinge dieser Unter-
scheid zu mercken/ das etliche Dinge zwar die
menschlichen Kräffte zu vermehren scheinen/
aber dabey die Dauerung seiner Existenz ver-
geringern/ z. e. ein gemacht Gedächtniß/ allzu-
emsiges Studiren/ alle sehr empfindliche Belusti-
gung der Sinnen; andere aber seine Dauerung
natürlicher Weise befördern/ ob sie gleich eben
seine Kräffte nicht in einen mercklichen Grad zu
vermehren scheinen; als mäßige Speise und
Tranck/ mäßige Belustigung der Sinnen.

18.

Jene werden gemeiniglich von denen/ so
in Vorurtheilen stecken vor gute diese aber ent-
weder vor böse/ oder doch zum wenigsten für in-
differente
Dinge gehalten/ da doch die gesunde

Ver-
A 5

das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤherhaupt.
appliciret werden/ z. e. Speiſe/ Tranck/ Gifft/
ein Dolch u. ſ. w. Und muß dannenhero der
Menſch ſein Weſen und deſſen Beſchaffen-
heit wohl erkennen/
damit er dieſe Dinge
gleichſam bey dem rechten Ende anzugreiffen
wiſſe/ und ſich nicht ſelbſten durch ſeine eigene
Schuld damit ſchade.

16.

Jedoch iſt es im gemeinen Buͤrgerlichen Le-
ben ſo herkommens/ daß man à potiori die aͤuſ-
ſerlichen Dinge
gut oder boͤſe zu nennen pfleget/
nachdem ſie mehrentheils zu des Menſchen Nu-
tzen oder Schaden koͤnnen appliciret werden/ z. e.
Speiſe und Tranck iſt was gutes/ der Gifft
was ſchaͤdliches/ u. ſ. w.

17.

So iſt auch hiernechſt in Anſehung der
Applicirung aͤufferlicher Dinge dieſer Unter-
ſcheid zu mercken/ das etliche Dinge zwar die
menſchlichen Kraͤffte zu vermehren ſcheinen/
aber dabey die Dauerung ſeiner Exiſtenz ver-
geringern/ z. e. ein gemacht Gedaͤchtniß/ allzu-
emſiges Studiren/ alle ſehr empfindliche Beluſti-
gung der Sinnen; andere aber ſeine Dauerung
natuͤrlicher Weiſe befoͤrdern/ ob ſie gleich eben
ſeine Kraͤffte nicht in einen mercklichen Grad zu
vermehren ſcheinen; als maͤßige Speiſe und
Tranck/ maͤßige Beluſtigung der Sinnen.

18.

Jene werden gemeiniglich von denen/ ſo
in Vorurtheilen ſtecken vor gute dieſe aber ent-
weder vor boͤſe/ oder doch zum wenigſten fuͤr in-
differente
Dinge gehalten/ da doch die geſunde

Ver-
A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0041" n="9"/><fw place="top" type="header">das Gute u. Bo&#x0364;&#x017F;e zu erkennen u&#x0364;herhaupt.</fw><lb/><hi rendition="#aq">applici</hi>ret werden/ z. e. Spei&#x017F;e/ Tranck/ Gifft/<lb/>
ein Dolch u. &#x017F;. w. Und muß dannenhero der<lb/><hi rendition="#fr">Men&#x017F;ch &#x017F;ein We&#x017F;en und de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;chaffen-<lb/>
heit wohl erkennen/</hi> damit er die&#x017F;e Dinge<lb/>
gleich&#x017F;am bey dem rechten Ende anzugreiffen<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e/ und &#x017F;ich nicht &#x017F;elb&#x017F;ten durch &#x017F;eine eigene<lb/>
Schuld damit &#x017F;chade.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>16.</head>
          <p>Jedoch i&#x017F;t es im gemeinen Bu&#x0364;rgerlichen Le-<lb/>
ben &#x017F;o herkommens/ daß man <hi rendition="#aq">à potiori</hi> <hi rendition="#fr">die a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erlichen Dinge</hi> gut oder bo&#x0364;&#x017F;e zu nennen pfleget/<lb/>
nachdem &#x017F;ie mehrentheils zu des Men&#x017F;chen Nu-<lb/>
tzen oder Schaden ko&#x0364;nnen <hi rendition="#aq">applici</hi>ret werden/ z. e.<lb/><hi rendition="#fr">Spei&#x017F;e</hi> und <hi rendition="#fr">Tranck</hi> i&#x017F;t was gutes/ der <hi rendition="#fr">Gifft</hi><lb/>
was &#x017F;cha&#x0364;dliches/ u. &#x017F;. w.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>17.</head>
          <p>So i&#x017F;t auch hiernech&#x017F;t in An&#x017F;ehung der<lb/><hi rendition="#aq">Applici</hi>rung <hi rendition="#fr">a&#x0364;ufferlicher</hi> Dinge die&#x017F;er Unter-<lb/>
&#x017F;cheid zu mercken/ das etliche Dinge zwar die<lb/><hi rendition="#fr">men&#x017F;chlichen Kra&#x0364;ffte zu vermehren</hi> &#x017F;cheinen/<lb/>
aber dabey die <hi rendition="#fr">Dauerung</hi> &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Exi&#x017F;tenz</hi> ver-<lb/>
geringern/ z. e. ein gemacht Geda&#x0364;chtniß/ allzu-<lb/>
em&#x017F;iges <hi rendition="#aq">Studi</hi>ren/ alle &#x017F;ehr empfindliche Belu&#x017F;ti-<lb/>
gung der Sinnen; andere aber &#x017F;eine <hi rendition="#fr">Dauerung</hi><lb/>
natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e befo&#x0364;rdern/ ob &#x017F;ie gleich eben<lb/>
&#x017F;eine <hi rendition="#fr">Kra&#x0364;ffte</hi> nicht in einen mercklichen Grad zu<lb/>
vermehren &#x017F;cheinen; als ma&#x0364;ßige Spei&#x017F;e und<lb/>
Tranck/ ma&#x0364;ßige Belu&#x017F;tigung der Sinnen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>18.</head>
          <p><hi rendition="#fr">Jene</hi> werden gemeiniglich von denen/ &#x017F;o<lb/>
in Vorurtheilen &#x017F;tecken vor <hi rendition="#fr">gute die&#x017F;e</hi> aber ent-<lb/>
weder vor <hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;e/</hi> oder doch zum wenig&#x017F;ten fu&#x0364;r <hi rendition="#aq">in-<lb/>
differente</hi> Dinge gehalten/ da doch die ge&#x017F;unde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0041] das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤherhaupt. appliciret werden/ z. e. Speiſe/ Tranck/ Gifft/ ein Dolch u. ſ. w. Und muß dannenhero der Menſch ſein Weſen und deſſen Beſchaffen- heit wohl erkennen/ damit er dieſe Dinge gleichſam bey dem rechten Ende anzugreiffen wiſſe/ und ſich nicht ſelbſten durch ſeine eigene Schuld damit ſchade. 16. Jedoch iſt es im gemeinen Buͤrgerlichen Le- ben ſo herkommens/ daß man à potiori die aͤuſ- ſerlichen Dinge gut oder boͤſe zu nennen pfleget/ nachdem ſie mehrentheils zu des Menſchen Nu- tzen oder Schaden koͤnnen appliciret werden/ z. e. Speiſe und Tranck iſt was gutes/ der Gifft was ſchaͤdliches/ u. ſ. w. 17. So iſt auch hiernechſt in Anſehung der Applicirung aͤufferlicher Dinge dieſer Unter- ſcheid zu mercken/ das etliche Dinge zwar die menſchlichen Kraͤffte zu vermehren ſcheinen/ aber dabey die Dauerung ſeiner Exiſtenz ver- geringern/ z. e. ein gemacht Gedaͤchtniß/ allzu- emſiges Studiren/ alle ſehr empfindliche Beluſti- gung der Sinnen; andere aber ſeine Dauerung natuͤrlicher Weiſe befoͤrdern/ ob ſie gleich eben ſeine Kraͤffte nicht in einen mercklichen Grad zu vermehren ſcheinen; als maͤßige Speiſe und Tranck/ maͤßige Beluſtigung der Sinnen. 18. Jene werden gemeiniglich von denen/ ſo in Vorurtheilen ſtecken vor gute dieſe aber ent- weder vor boͤſe/ oder doch zum wenigſten fuͤr in- differente Dinge gehalten/ da doch die geſunde Ver- A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/41
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/41>, abgerufen am 21.12.2024.