Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 9. H. von der vernünfftigen Liebe Proben der Gefälligkeit ausgehalten/ uns ver-lassen/ und ihre Ungleichheit zu verstehen geben/ wenn sie biß an die Gutthätigkeit gelanget sind. Und vielleicht haben unsere Vorfahren hierauf ihr Absehen gerichtet/ wenn sie eingeführet/ daß nach der öffentlichen Verlöbniß und zwischen der völligen Vollziehung Braut und Bräutigam mit einander annoch eine Zeitlang conversiren solten/ und daß sie bey inzwischen entstandener tödtlicher Feindschafft wieder geschieden werden könten. 17. Wenn aber die Eheliche Gesellschafft Bey
Das 9. H. von der vernuͤnfftigen Liebe Proben der Gefaͤlligkeit ausgehalten/ uns ver-laſſen/ und ihre Ungleichheit zu verſtehen geben/ wenn ſie biß an die Gutthaͤtigkeit gelanget ſind. Und vielleicht haben unſere Vorfahren hierauf ihr Abſehen gerichtet/ wenn ſie eingefuͤhret/ daß nach der oͤffentlichen Verloͤbniß und zwiſchen der voͤlligen Vollziehung Braut und Braͤutigam mit einander annoch eine Zeitlang converſiren ſolten/ und daß ſie bey inzwiſchen entſtandener toͤdtlicher Feindſchafft wieder geſchieden werden koͤnten. 17. Wenn aber die Eheliche Geſellſchafft Bey
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0392" n="364[360]"/><fw place="top" type="header">Das 9. H. von der vernuͤnfftigen Liebe</fw><lb/> Proben der Gefaͤlligkeit ausgehalten/ uns ver-<lb/> laſſen/ und ihre Ungleichheit zu verſtehen geben/<lb/> wenn ſie biß an die Gutthaͤtigkeit gelanget ſind.<lb/> Und vielleicht haben unſere Vorfahren hierauf<lb/> ihr Abſehen gerichtet/ wenn ſie eingefuͤhret/ daß<lb/> nach der oͤffentlichen Verloͤbniß und zwiſchen der<lb/> voͤlligen Vollziehung Braut und Braͤutigam<lb/> mit einander annoch eine Zeitlang <hi rendition="#aq">converſir</hi>en<lb/> ſolten/ und daß ſie bey inzwiſchen entſtandener<lb/> toͤdtlicher Feindſchafft wieder geſchieden werden<lb/> koͤnten.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>17.</head> <p>Wenn aber die Eheliche Geſellſchafft<lb/> einmahl vollzogen iſt/ ſo iſt es kein Zweiffel/ daß<lb/> alleine dieſelbige recht vernuͤnfftig ſey/ worinnen<lb/> nicht nur <hi rendition="#fr">alle Guͤter gemeine</hi> ſind/ ſondern<lb/> auch auff beyden Theilen <hi rendition="#fr">eine liebreiche Frey-<lb/> heit und Wechſelsweiſe Gemeinſchafft<lb/> alles Thuns und Laſſens</hi> geſpuͤhret wird.<lb/> Solcher Geſtalt aber iſt weder Zwang noch<lb/> Herrſchafft des Mannes von noͤthen/ als wel-<lb/> cher nur fuͤr die unvernuͤnfftigen oder unvollkom-<lb/> menen Weiber eingefuͤhret worden. Sondern<lb/> gleichwie die Frau dem Mann in dem ihm ge-<lb/> hoͤrigen Thun und Laſſen nichts einredet/ ſon-<lb/> dern aus Liebe ihme darinnen beyſtehet/ ſo viel<lb/> ihr Vermoͤgen zulaͤſt; Alſo laͤſſet auch der Mann<lb/> ſeinem Weibe in denen Haushaltungs-Sa-<lb/> chen/ die er nicht verſtehet/ ihre gleichmaͤßige<lb/> Freyheit/ und ſtehet ihr darinnen bey/ ſo viel das<lb/> bey denen Voͤlckern eingefuͤhrte <hi rendition="#aq">Decorum</hi> zulaͤſt.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [364[360]/0392]
Das 9. H. von der vernuͤnfftigen Liebe
Proben der Gefaͤlligkeit ausgehalten/ uns ver-
laſſen/ und ihre Ungleichheit zu verſtehen geben/
wenn ſie biß an die Gutthaͤtigkeit gelanget ſind.
Und vielleicht haben unſere Vorfahren hierauf
ihr Abſehen gerichtet/ wenn ſie eingefuͤhret/ daß
nach der oͤffentlichen Verloͤbniß und zwiſchen der
voͤlligen Vollziehung Braut und Braͤutigam
mit einander annoch eine Zeitlang converſiren
ſolten/ und daß ſie bey inzwiſchen entſtandener
toͤdtlicher Feindſchafft wieder geſchieden werden
koͤnten.
17. Wenn aber die Eheliche Geſellſchafft
einmahl vollzogen iſt/ ſo iſt es kein Zweiffel/ daß
alleine dieſelbige recht vernuͤnfftig ſey/ worinnen
nicht nur alle Guͤter gemeine ſind/ ſondern
auch auff beyden Theilen eine liebreiche Frey-
heit und Wechſelsweiſe Gemeinſchafft
alles Thuns und Laſſens geſpuͤhret wird.
Solcher Geſtalt aber iſt weder Zwang noch
Herrſchafft des Mannes von noͤthen/ als wel-
cher nur fuͤr die unvernuͤnfftigen oder unvollkom-
menen Weiber eingefuͤhret worden. Sondern
gleichwie die Frau dem Mann in dem ihm ge-
hoͤrigen Thun und Laſſen nichts einredet/ ſon-
dern aus Liebe ihme darinnen beyſtehet/ ſo viel
ihr Vermoͤgen zulaͤſt; Alſo laͤſſet auch der Mann
ſeinem Weibe in denen Haushaltungs-Sa-
chen/ die er nicht verſtehet/ ihre gleichmaͤßige
Freyheit/ und ſtehet ihr darinnen bey/ ſo viel das
bey denen Voͤlckern eingefuͤhrte Decorum zulaͤſt.
Bey
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |