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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 9. H. von der vernünfftigen Liebe
völlige Vereinigung zweyer Gemüther/ von was
Stand und Geschlecht sie auch seyn mögen/ ihr
Absehen richte. Und ist dannenhero nichts mehr
in der Lehre von der Liebe übrig/ als daß wir se-
hen/ wie dieselbe in denen vier Menschlichen
Gesellschafften
beschaffen seyn solle/ die des-
halben natürliche Gesellschafften pflegen genen-
net zu werden/ weil sie allgemein seyn bey allen
Völckern/ und kein Mensch ist/ der nicht in einer
von denenselben/ wo nicht in allen vieren sich be-
finde.

2.

Dieses sind die Gesellschafft (1) zwischen
Mann und Weib/ (2) Eltern und Kindern
(3) Herr und Knecht/ (4) Obrigkeit und
Unterthanen.
Von deren Beschaffenheit
und was nach denen Regeln der Gerechtigkeit
einer jeden Person/ so darunter lebet/ ihre Pflicht-
Schuldigkeit sey/ wir nicht weitläufftiger han-
deln wollen/ weil wir solches anders wo gethan/
und auch sonsten viele von diesen Dingen ins-
gemein bekandt sind. Sondern wir wollen nur
sehen/ was die Liebe in denenselben zu wircken
und zu verrichten habe.

3.

Zwar wenn wir dieselben insgesamt oben
hin ansehen wollen/ so scheinet es/ daß die Lie-
be eben nicht viel dabey in obacht zu neh-
men sey.
Denn alle diese vier Gesellschafften
sind in dem Menschlichen Geschlecht durchge-
hends dergestalt beschaffen/ daß eine Person
darinnen der andern zu befehlen hat/ und die

andere

Das 9. H. von der vernuͤnfftigen Liebe
voͤllige Vereinigung zweyer Gemuͤther/ von was
Stand und Geſchlecht ſie auch ſeyn moͤgen/ ihr
Abſehen richte. Und iſt dannenhero nichts mehr
in der Lehre von der Liebe uͤbrig/ als daß wir ſe-
hen/ wie dieſelbe in denen vier Menſchlichen
Geſellſchafften
beſchaffen ſeyn ſolle/ die des-
halben natuͤrliche Geſellſchafften pflegen genen-
net zu werden/ weil ſie allgemein ſeyn bey allen
Voͤlckern/ und kein Menſch iſt/ der nicht in einer
von denenſelben/ wo nicht in allen vieren ſich be-
finde.

2.

Dieſes ſind die Geſellſchafft (1) zwiſchen
Mann und Weib/ (2) Eltern und Kindern
(3) Herr und Knecht/ (4) Obrigkeit und
Unterthanen.
Von deren Beſchaffenheit
und was nach denen Regeln der Gerechtigkeit
einer jeden Perſon/ ſo darunter lebet/ ihre Pflicht-
Schuldigkeit ſey/ wir nicht weitlaͤufftiger han-
deln wollen/ weil wir ſolches anders wo gethan/
und auch ſonſten viele von dieſen Dingen ins-
gemein bekandt ſind. Sondern wir wollen nur
ſehen/ was die Liebe in denenſelben zu wircken
und zu verrichten habe.

3.

Zwar wenn wir dieſelben insgeſamt oben
hin anſehen wollen/ ſo ſcheinet es/ daß die Lie-
be eben nicht viel dabey in obacht zu neh-
men ſey.
Denn alle dieſe vier Geſellſchafften
ſind in dem Menſchlichen Geſchlecht durchge-
hends dergeſtalt beſchaffen/ daß eine Perſon
darinnen der andern zu befehlen hat/ und die

andere
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[356[352]/0384] Das 9. H. von der vernuͤnfftigen Liebe voͤllige Vereinigung zweyer Gemuͤther/ von was Stand und Geſchlecht ſie auch ſeyn moͤgen/ ihr Abſehen richte. Und iſt dannenhero nichts mehr in der Lehre von der Liebe uͤbrig/ als daß wir ſe- hen/ wie dieſelbe in denen vier Menſchlichen Geſellſchafften beſchaffen ſeyn ſolle/ die des- halben natuͤrliche Geſellſchafften pflegen genen- net zu werden/ weil ſie allgemein ſeyn bey allen Voͤlckern/ und kein Menſch iſt/ der nicht in einer von denenſelben/ wo nicht in allen vieren ſich be- finde. 2. Dieſes ſind die Geſellſchafft (1) zwiſchen Mann und Weib/ (2) Eltern und Kindern (3) Herr und Knecht/ (4) Obrigkeit und Unterthanen. Von deren Beſchaffenheit und was nach denen Regeln der Gerechtigkeit einer jeden Perſon/ ſo darunter lebet/ ihre Pflicht- Schuldigkeit ſey/ wir nicht weitlaͤufftiger han- deln wollen/ weil wir ſolches anders wo gethan/ und auch ſonſten viele von dieſen Dingen ins- gemein bekandt ſind. Sondern wir wollen nur ſehen/ was die Liebe in denenſelben zu wircken und zu verrichten habe. 3. Zwar wenn wir dieſelben insgeſamt oben hin anſehen wollen/ ſo ſcheinet es/ daß die Lie- be eben nicht viel dabey in obacht zu neh- men ſey. Denn alle dieſe vier Geſellſchafften ſind in dem Menſchlichen Geſchlecht durchge- hends dergeſtalt beſchaffen/ daß eine Perſon darinnen der andern zu befehlen hat/ und die andere

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 356[352]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/384>, abgerufen am 21.11.2024.