Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 7. H. von den unterschiedenen
vernünfftige Liebe/ und solcher gestalt von dieser
nur darinnen unterschleden sey/ daß die unver-
nünfftige
Liebe wenn sie nicht mehr wachsen kan/
nothwendig wieder abnehmen müsse/ da wir
hingegen im vorigen Hauptstück schon bewiesen
haben/ daß die vernünfftige Liebe allezeit Ge-
legenheit finde durch ein stetes Wachsen sich
mehr und mehr auszubreiten.

14.

Hieraus fliesset noch ferner/ daß zwar/ wie
wir im Anfang gedacht/ die ungleiche Liebe
mehr empfindliches Vergnügen habe/ als die
vortreffliche gleiche Liebe/ aber doch bey der
unvollkommensten Liebe wegen der vielfälti-
gen Abwechselungen des Vergnügen/ Miß-
trauens/ Verdrusses/ Eyffersucht/ Versöhnung
u. s. w. auch nach dem gemeinen Sprichwort/
daß Veränderung Lust bringe/ die allermeisten
Grade eines empfindlichen Vergnügens zu
zehlen seyn. Wodurch aber der Vortrefflig-
keit
der vollkommenen gleichen Liebe nichts be-
nommen wird/ theils wie die Vergnügungen bey
der unvollkommenen Liebe mit der Abwechselung
vieler Verdrießligkeiten vergesellschafftet/ bey der
vollkommenen Liebe aber viel reiner und lauterer
sind/ theils auch/ weil nach denen Grund-Lehren
des ersten Hauptstücks und der Lehre von der
höchsten Glückseeligkeit die rubigen Vergnü-
gungen viel edler sind als diejenigen/ die die grö-
ste Empfindligkeit verursachen.

15. Es

Das 7. H. von den unterſchiedenen
vernuͤnfftige Liebe/ und ſolcher geſtalt von dieſer
nur darinnen unterſchleden ſey/ daß die unver-
nuͤnfftige
Liebe wenn ſie nicht mehr wachſen kan/
nothwendig wieder abnehmen muͤſſe/ da wir
hingegen im vorigen Hauptſtuͤck ſchon bewieſen
haben/ daß die vernuͤnfftige Liebe allezeit Ge-
legenheit finde durch ein ſtetes Wachſen ſich
mehr und mehr auszubreiten.

14.

Hieraus flieſſet noch ferner/ daß zwar/ wie
wir im Anfang gedacht/ die ungleiche Liebe
mehr empfindliches Vergnuͤgen habe/ als die
vortreffliche gleiche Liebe/ aber doch bey der
unvollkommenſten Liebe wegen der vielfaͤlti-
gen Abwechſelungen des Vergnuͤgen/ Miß-
trauens/ Verdruſſes/ Eyfferſucht/ Verſoͤhnung
u. ſ. w. auch nach dem gemeinen Sprichwort/
daß Veraͤnderung Luſt bringe/ die allermeiſten
Grade eines empfindlichen Vergnuͤgens zu
zehlen ſeyn. Wodurch aber der Vortrefflig-
keit
der vollkommenen gleichen Liebe nichts be-
nommen wird/ theils wie die Vergnuͤgungen bey
der unvollkommenen Liebe mit der Abwechſelung
vieler Verdrießligkeiten vergeſellſchafftet/ bey der
vollkommenen Liebe aber viel reiner und lauterer
ſind/ theils auch/ weil nach denen Grund-Lehren
des erſten Hauptſtuͤcks und der Lehre von der
hoͤchſten Gluͤckſeeligkeit die rubigen Vergnuͤ-
gungen viel edler ſind als diejenigen/ die die groͤ-
ſte Empfindligkeit verurſachen.

15. Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0350" n="322[318]"/><fw place="top" type="header">Das 7. H. von den unter&#x017F;chiedenen</fw><lb/><hi rendition="#fr">vernu&#x0364;nfftige</hi> Liebe/ und &#x017F;olcher ge&#x017F;talt von die&#x017F;er<lb/>
nur darinnen unter&#x017F;chleden &#x017F;ey/ daß die <hi rendition="#fr">unver-<lb/>
nu&#x0364;nfftige</hi> Liebe wenn &#x017F;ie nicht mehr wach&#x017F;en kan/<lb/>
nothwendig wieder <hi rendition="#fr">abnehmen</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ da wir<lb/>
hingegen im vorigen Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck &#x017F;chon bewie&#x017F;en<lb/>
haben/ daß die <hi rendition="#fr">vernu&#x0364;nfftige</hi> Liebe allezeit Ge-<lb/>
legenheit finde durch ein &#x017F;tetes Wach&#x017F;en <hi rendition="#fr">&#x017F;ich<lb/>
mehr und mehr auszubreiten.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>14.</head>
            <p>Hieraus flie&#x017F;&#x017F;et noch ferner/ daß zwar/ wie<lb/>
wir im Anfang gedacht/ die <hi rendition="#fr">ungleiche Liebe</hi><lb/>
mehr <hi rendition="#fr">empfindliches Vergnu&#x0364;gen habe/</hi> als die<lb/><hi rendition="#fr">vortreffliche gleiche Liebe/</hi> aber doch bey der<lb/><hi rendition="#fr">unvollkommen&#x017F;ten Liebe</hi> wegen der vielfa&#x0364;lti-<lb/>
gen Abwech&#x017F;elungen des Vergnu&#x0364;gen/ Miß-<lb/>
trauens/ Verdru&#x017F;&#x017F;es/ Eyffer&#x017F;ucht/ Ver&#x017F;o&#x0364;hnung<lb/>
u. &#x017F;. w. auch nach dem gemeinen Sprichwort/<lb/>
daß Vera&#x0364;nderung Lu&#x017F;t bringe/ <hi rendition="#fr">die allermei&#x017F;ten</hi><lb/><hi rendition="#aq">Grade</hi> <hi rendition="#fr">eines empfindlichen Vergnu&#x0364;gens</hi> zu<lb/>
zehlen &#x017F;eyn. Wodurch aber <hi rendition="#fr">der Vortrefflig-<lb/>
keit</hi> der vollkommenen gleichen Liebe nichts be-<lb/>
nommen wird/ theils wie die Vergnu&#x0364;gungen bey<lb/>
der unvollkommenen Liebe mit der Abwech&#x017F;elung<lb/>
vieler Verdrießligkeiten verge&#x017F;ell&#x017F;chafftet/ bey der<lb/>
vollkommenen Liebe aber viel reiner und lauterer<lb/>
&#x017F;ind/ theils auch/ weil nach denen Grund-Lehren<lb/>
des er&#x017F;ten Haupt&#x017F;tu&#x0364;cks und der Lehre von der<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit die rubigen Vergnu&#x0364;-<lb/>
gungen viel edler &#x017F;ind als diejenigen/ die die gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te Empfindligkeit verur&#x017F;achen.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">15. Es</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322[318]/0350] Das 7. H. von den unterſchiedenen vernuͤnfftige Liebe/ und ſolcher geſtalt von dieſer nur darinnen unterſchleden ſey/ daß die unver- nuͤnfftige Liebe wenn ſie nicht mehr wachſen kan/ nothwendig wieder abnehmen muͤſſe/ da wir hingegen im vorigen Hauptſtuͤck ſchon bewieſen haben/ daß die vernuͤnfftige Liebe allezeit Ge- legenheit finde durch ein ſtetes Wachſen ſich mehr und mehr auszubreiten. 14. Hieraus flieſſet noch ferner/ daß zwar/ wie wir im Anfang gedacht/ die ungleiche Liebe mehr empfindliches Vergnuͤgen habe/ als die vortreffliche gleiche Liebe/ aber doch bey der unvollkommenſten Liebe wegen der vielfaͤlti- gen Abwechſelungen des Vergnuͤgen/ Miß- trauens/ Verdruſſes/ Eyfferſucht/ Verſoͤhnung u. ſ. w. auch nach dem gemeinen Sprichwort/ daß Veraͤnderung Luſt bringe/ die allermeiſten Grade eines empfindlichen Vergnuͤgens zu zehlen ſeyn. Wodurch aber der Vortrefflig- keit der vollkommenen gleichen Liebe nichts be- nommen wird/ theils wie die Vergnuͤgungen bey der unvollkommenen Liebe mit der Abwechſelung vieler Verdrießligkeiten vergeſellſchafftet/ bey der vollkommenen Liebe aber viel reiner und lauterer ſind/ theils auch/ weil nach denen Grund-Lehren des erſten Hauptſtuͤcks und der Lehre von der hoͤchſten Gluͤckſeeligkeit die rubigen Vergnuͤ- gungen viel edler ſind als diejenigen/ die die groͤ- ſte Empfindligkeit verurſachen. 15. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/350
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 322[318]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/350>, abgerufen am 21.11.2024.