Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite
Arten der absonderlichen Liebe.
Zeichen einer Unvollkommenheit. n. 31. Unvollkom-
menheit ist in der Liebe nicht schimpfflich. n. 32. Ob
ein weiser Mann ein Frauen-Zimmer lieben dörffe?
n. 33. 34. 35. Ein weiser liebet mehr par recoignois-
sance
als par inclination, und gibt andere Liebes-Pro-
ben als ein Tugend-Schüler. n. 36.
I.

LAsset uns nunmehro die unterschiede-
nen Arten der vernünfftigen abson-
derlichen Liebe
ein wenig betrachten
und gegen einander halten. Wir haben all-
bereit im vorigen Hauptstück gesagt/ daß wir die-
selbige von denen unterschiedenen Graden
der Vollkommenheit
derer/ die einerley incli-
nation
zur Tugend haben/ hernehmen wolten.

2.

So ist demnach die vernünfftige absonder-
liche Liebe entweder zwischen zweyen Personen/
die gleich tugendhafft sind/ oder zwischen de-
nen derer einer in der Tugend weiter zu-
genommen hat als der andere.

3.

Die gleiche Liebe ist entweder zwischen
zweyen Personen/ die schon einen hohen Grad
der Tugend besitzen/ oder zwischen Anfängern.
Und die ungleiche ob sie zwar allezeit nur einer-
ley ist/ nehmlich zwischen zweyen Personen/ deren
eine es in der Tugend weiter gebracht als die an-
dere; So kan man doch in Ansehen der gelieb-
ten Personen auch dieselbe auff zweyerley Wei-
se betrachten/ daß nehmlich in ungleicher Liebe
man entweder höhere oder geringere und nie-
drigere
Personen liebe.

4. Die
U 4
Arten der abſonderlichen Liebe.
Zeichen einer Unvollkommenheit. n. 31. Unvollkom-
menheit iſt in der Liebe nicht ſchimpfflich. n. 32. Ob
ein weiſer Mann ein Frauen-Zimmer lieben doͤrffe?
n. 33. 34. 35. Ein weiſer liebet mehr par recoignois-
ſance
als par inclination, und gibt andere Liebes-Pro-
ben als ein Tugend-Schuͤler. n. 36.
I.

LAſſet uns nunmehro die unterſchiede-
nen Arten der vernuͤnfftigen abſon-
derlichen Liebe
ein wenig betrachten
und gegen einander halten. Wir haben all-
bereit im vorigen Hauptſtuͤck geſagt/ daß wir die-
ſelbige von denen unterſchiedenen Graden
der Vollkommenheit
derer/ die einerley incli-
nation
zur Tugend haben/ hernehmen wolten.

2.

So iſt demnach die vernuͤnfftige abſonder-
liche Liebe entweder zwiſchen zweyen Perſonen/
die gleich tugendhafft ſind/ oder zwiſchen de-
nen derer einer in der Tugend weiter zu-
genommen hat als der andere.

3.

Die gleiche Liebe iſt entweder zwiſchen
zweyen Perſonen/ die ſchon einen hohen Grad
der Tugend beſitzen/ oder zwiſchen Anfaͤngern.
Und die ungleiche ob ſie zwar allezeit nur einer-
ley iſt/ nehmlich zwiſchen zweyen Perſonen/ deren
eine es in der Tugend weiter gebracht als die an-
dere; So kan man doch in Anſehen der gelieb-
ten Perſonen auch dieſelbe auff zweyerley Wei-
ſe betrachten/ daß nehmlich in ungleicher Liebe
man entweder hoͤhere oder geringere und nie-
drigere
Perſonen liebe.

4. Die
U 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0343" n="315[311]"/><fw place="top" type="header">Arten der ab&#x017F;onderlichen Liebe.</fw><lb/>
Zeichen einer Unvollkommenheit. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">n.</hi></hi> 31. Unvollkom-<lb/>
menheit i&#x017F;t in der Liebe nicht &#x017F;chimpfflich. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">n.</hi></hi> 32. Ob<lb/>
ein wei&#x017F;er Mann ein Frauen-Zimmer lieben do&#x0364;rffe?<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">n.</hi></hi> 33. 34. 35. Ein wei&#x017F;er liebet mehr <hi rendition="#aq">par recoignois-<lb/>
&#x017F;ance</hi> als <hi rendition="#aq">par inclination,</hi> und gibt andere Liebes-Pro-<lb/>
ben als ein Tugend-Schu&#x0364;ler. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">n.</hi></hi> 36.</item>
            </list>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">I.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">L</hi>A&#x017F;&#x017F;et uns nunmehro <hi rendition="#fr">die unter&#x017F;chiede-<lb/>
nen Arten der vernu&#x0364;nfftigen ab&#x017F;on-<lb/>
derlichen Liebe</hi> ein wenig betrachten<lb/>
und <hi rendition="#fr">gegen einander halten.</hi> Wir haben all-<lb/>
bereit im vorigen Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck ge&#x017F;agt/ daß wir die-<lb/>
&#x017F;elbige von <hi rendition="#fr">denen unter&#x017F;chiedenen Graden<lb/>
der Vollkommenheit</hi> derer/ die einerley <hi rendition="#aq">incli-<lb/>
nation</hi> zur Tugend haben/ hernehmen wolten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>2.</head>
            <p>So i&#x017F;t demnach die vernu&#x0364;nfftige ab&#x017F;onder-<lb/>
liche Liebe entweder zwi&#x017F;chen zweyen Per&#x017F;onen/<lb/>
die <hi rendition="#fr">gleich tugendhafft</hi> &#x017F;ind/ oder zwi&#x017F;chen de-<lb/>
nen <hi rendition="#fr">derer einer in der Tugend weiter zu-<lb/>
genommen hat als der andere.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>3.</head>
            <p>Die <hi rendition="#fr">gleiche</hi> Liebe i&#x017F;t entweder zwi&#x017F;chen<lb/>
zweyen Per&#x017F;onen/ die &#x017F;chon einen <hi rendition="#fr">hohen</hi> <hi rendition="#aq">Grad</hi><lb/>
der Tugend be&#x017F;itzen/ oder zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Anfa&#x0364;ngern.</hi><lb/>
Und die <hi rendition="#fr">ungleiche</hi> ob &#x017F;ie zwar allezeit nur einer-<lb/>
ley i&#x017F;t/ nehmlich zwi&#x017F;chen zweyen Per&#x017F;onen/ deren<lb/>
eine es in der Tugend weiter gebracht als die an-<lb/>
dere; So kan man doch in An&#x017F;ehen der gelieb-<lb/>
ten Per&#x017F;onen auch die&#x017F;elbe auff zweyerley Wei-<lb/>
&#x017F;e betrachten/ daß nehmlich in ungleicher Liebe<lb/>
man entweder <hi rendition="#fr">ho&#x0364;here</hi> oder geringere und <hi rendition="#fr">nie-<lb/>
drigere</hi> Per&#x017F;onen liebe.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">U 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">4. Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315[311]/0343] Arten der abſonderlichen Liebe. Zeichen einer Unvollkommenheit. n. 31. Unvollkom- menheit iſt in der Liebe nicht ſchimpfflich. n. 32. Ob ein weiſer Mann ein Frauen-Zimmer lieben doͤrffe? n. 33. 34. 35. Ein weiſer liebet mehr par recoignois- ſance als par inclination, und gibt andere Liebes-Pro- ben als ein Tugend-Schuͤler. n. 36. I. LAſſet uns nunmehro die unterſchiede- nen Arten der vernuͤnfftigen abſon- derlichen Liebe ein wenig betrachten und gegen einander halten. Wir haben all- bereit im vorigen Hauptſtuͤck geſagt/ daß wir die- ſelbige von denen unterſchiedenen Graden der Vollkommenheit derer/ die einerley incli- nation zur Tugend haben/ hernehmen wolten. 2. So iſt demnach die vernuͤnfftige abſonder- liche Liebe entweder zwiſchen zweyen Perſonen/ die gleich tugendhafft ſind/ oder zwiſchen de- nen derer einer in der Tugend weiter zu- genommen hat als der andere. 3. Die gleiche Liebe iſt entweder zwiſchen zweyen Perſonen/ die ſchon einen hohen Grad der Tugend beſitzen/ oder zwiſchen Anfaͤngern. Und die ungleiche ob ſie zwar allezeit nur einer- ley iſt/ nehmlich zwiſchen zweyen Perſonen/ deren eine es in der Tugend weiter gebracht als die an- dere; So kan man doch in Anſehen der gelieb- ten Perſonen auch dieſelbe auff zweyerley Wei- ſe betrachten/ daß nehmlich in ungleicher Liebe man entweder hoͤhere oder geringere und nie- drigere Perſonen liebe. 4. Die U 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/343
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 315[311]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/343>, abgerufen am 21.11.2024.