Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 6. Hauptst. von der absonderlichen
passiren kan; also kan man auch niemand zur
Danckbarkeit zwingen/
und der jenige bleibt
doch undanckbar/ den man gezwungen hat seinen
Freunde wieder gutes zu thun.

79.

Wiederumb ist darinnen zwischen der
Gutthätigkeit und Danckbarkeit ein grosser
Unterscheid/ daß niemand für gutthätig gehal-
ten werden kan/ der seinem Freunde nicht in
der That Gutthaten erweiset/
aber man kan
wohl danckbar seyn/ wenn man gleich dem an-
dern nichts wieder zu gute thut/
wenn es uns
an Gelegenheit und Vermögen mangelt solches
zu thun/ und wir unsere Begierde ihm wieder zu
dienen nur rechtschaffen ausdrücken.

80.

Du must aber nicht weiter gehen/ und aus
dem was wir gesagt haben/ folgern/ daß noch die-
ser Unterscheid zwischen diesen beyden Tugenden
sey/ daß auff diese Weise niemand unvermö-
gend sey/ danckbar zu seyn/ aber daß es ihrer
vielen fehlen könne guttähtig zu seyn/
wenn
sie wegen Armuth hierzu unvermögend sind. Und
daß dannenhero Arme sich nicht schicketen an-
dere zu lieben/
oder doch die Gutthätigkeit
nicht eben so ein nöthiges Stücke der tu-
gendlichen Liebe seyn müsse.
Denn es folget
dieses aus unserer Lehre gantz nicht. Es kan ja
wohl einem Menschen an Gelegenheit mangeln/
einem andern würcklich gutes zu thun/ als wie es
ihm an Gelegenheit mangelt/ dem andern würck-
liche Danckbarkett zu erweisen. Es kan einer

unver-

Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen
paſſiren kan; alſo kan man auch niemand zur
Danckbarkeit zwingen/
und der jenige bleibt
doch undanckbar/ den man gezwungen hat ſeinen
Freunde wieder gutes zu thun.

79.

Wiederumb iſt darinnen zwiſchen der
Gutthaͤtigkeit und Danckbarkeit ein groſſer
Unterſcheid/ daß niemand fuͤr gutthaͤtig gehal-
ten werden kan/ der ſeinem Freunde nicht in
der That Gutthaten erweiſet/
aber man kan
wohl danckbar ſeyn/ wenn man gleich dem an-
dern nichts wieder zu gute thut/
wenn es uns
an Gelegenheit und Vermoͤgen mangelt ſolches
zu thun/ und wir unſere Begierde ihm wieder zu
dienen nur rechtſchaffen ausdruͤcken.

80.

Du muſt aber nicht weiter gehen/ und aus
dem was wir geſagt haben/ folgern/ daß noch die-
ſer Unterſcheid zwiſchen dieſen beyden Tugenden
ſey/ daß auff dieſe Weiſe niemand unvermoͤ-
gend ſey/ danckbar zu ſeyn/ aber daß es ihrer
vielen fehlen koͤnne guttaͤhtig zu ſeyn/
wenn
ſie wegen Armuth hierzu unvermoͤgend ſind. Und
daß dannenhero Arme ſich nicht ſchicketen an-
dere zu lieben/
oder doch die Gutthaͤtigkeit
nicht eben ſo ein noͤthiges Stuͤcke der tu-
gendlichen Liebe ſeyn muͤſſe.
Denn es folget
dieſes aus unſerer Lehre gantz nicht. Es kan ja
wohl einem Menſchen an Gelegenheit mangeln/
einem andern wuͤrcklich gutes zu thun/ als wie es
ihm an Gelegenheit mangelt/ dem andern wuͤrck-
liche Danckbarkett zu erweiſen. Es kan einer

unver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0326" n="298[294]"/><fw place="top" type="header">Das 6. Haupt&#x017F;t. von der ab&#x017F;onderlichen</fw><lb/><hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;i</hi>ren kan; al&#x017F;o kan man auch <hi rendition="#fr">niemand zur<lb/>
Danckbarkeit zwingen/</hi> und der jenige bleibt<lb/>
doch undanckbar/ den man gezwungen hat &#x017F;einen<lb/>
Freunde wieder gutes zu thun.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>79.</head>
            <p>Wiederumb i&#x017F;t darinnen zwi&#x017F;chen der<lb/><hi rendition="#fr">Guttha&#x0364;tigkeit und Danckbarkeit</hi> ein gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Unter&#x017F;cheid/ daß niemand fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">guttha&#x0364;tig</hi> gehal-<lb/>
ten werden kan/ <hi rendition="#fr">der &#x017F;einem Freunde nicht in<lb/>
der That Gutthaten erwei&#x017F;et/</hi> aber man kan<lb/>
wohl <hi rendition="#fr">danckbar</hi> &#x017F;eyn/ <hi rendition="#fr">wenn man gleich dem an-<lb/>
dern nichts wieder zu gute thut/</hi> wenn es uns<lb/>
an Gelegenheit und Vermo&#x0364;gen mangelt &#x017F;olches<lb/>
zu thun/ und wir un&#x017F;ere Begierde ihm wieder zu<lb/>
dienen nur recht&#x017F;chaffen ausdru&#x0364;cken.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>80.</head>
            <p>Du mu&#x017F;t aber nicht weiter gehen/ und aus<lb/>
dem was wir ge&#x017F;agt haben/ folgern/ daß noch die-<lb/>
&#x017F;er Unter&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen die&#x017F;en beyden Tugenden<lb/>
&#x017F;ey/ daß auff die&#x017F;e Wei&#x017F;e <hi rendition="#fr">niemand unvermo&#x0364;-<lb/>
gend &#x017F;ey/ danckbar zu &#x017F;eyn/ aber daß es ihrer<lb/>
vielen fehlen ko&#x0364;nne gutta&#x0364;htig zu &#x017F;eyn/</hi> wenn<lb/>
&#x017F;ie wegen Armuth hierzu unvermo&#x0364;gend &#x017F;ind. Und<lb/>
daß dannenhero <hi rendition="#fr">Arme &#x017F;ich nicht &#x017F;chicketen an-<lb/>
dere zu lieben/</hi> oder doch <hi rendition="#fr">die Guttha&#x0364;tigkeit<lb/>
nicht eben &#x017F;o ein no&#x0364;thiges Stu&#x0364;cke der tu-<lb/>
gendlichen Liebe &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</hi> Denn es folget<lb/>
die&#x017F;es aus un&#x017F;erer Lehre gantz nicht. Es kan ja<lb/>
wohl einem Men&#x017F;chen an Gelegenheit mangeln/<lb/>
einem andern wu&#x0364;rcklich gutes zu thun/ als wie es<lb/>
ihm an Gelegenheit mangelt/ dem andern wu&#x0364;rck-<lb/>
liche Danckbarkett zu erwei&#x017F;en. Es kan einer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">unver-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298[294]/0326] Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen paſſiren kan; alſo kan man auch niemand zur Danckbarkeit zwingen/ und der jenige bleibt doch undanckbar/ den man gezwungen hat ſeinen Freunde wieder gutes zu thun. 79. Wiederumb iſt darinnen zwiſchen der Gutthaͤtigkeit und Danckbarkeit ein groſſer Unterſcheid/ daß niemand fuͤr gutthaͤtig gehal- ten werden kan/ der ſeinem Freunde nicht in der That Gutthaten erweiſet/ aber man kan wohl danckbar ſeyn/ wenn man gleich dem an- dern nichts wieder zu gute thut/ wenn es uns an Gelegenheit und Vermoͤgen mangelt ſolches zu thun/ und wir unſere Begierde ihm wieder zu dienen nur rechtſchaffen ausdruͤcken. 80. Du muſt aber nicht weiter gehen/ und aus dem was wir geſagt haben/ folgern/ daß noch die- ſer Unterſcheid zwiſchen dieſen beyden Tugenden ſey/ daß auff dieſe Weiſe niemand unvermoͤ- gend ſey/ danckbar zu ſeyn/ aber daß es ihrer vielen fehlen koͤnne guttaͤhtig zu ſeyn/ wenn ſie wegen Armuth hierzu unvermoͤgend ſind. Und daß dannenhero Arme ſich nicht ſchicketen an- dere zu lieben/ oder doch die Gutthaͤtigkeit nicht eben ſo ein noͤthiges Stuͤcke der tu- gendlichen Liebe ſeyn muͤſſe. Denn es folget dieſes aus unſerer Lehre gantz nicht. Es kan ja wohl einem Menſchen an Gelegenheit mangeln/ einem andern wuͤrcklich gutes zu thun/ als wie es ihm an Gelegenheit mangelt/ dem andern wuͤrck- liche Danckbarkett zu erweiſen. Es kan einer unver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/326
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 298[294]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/326>, abgerufen am 21.11.2024.