Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 6. Hauptst. von der absonderlichen mehr im gemeinen Leben wieder die Grund-Re-geln dieser Tugend pfleget angestossen zu werden. Jedennoch aber werden wir einen grossen Vor- theil für dem Seneca haben/ und allzugroßer Weit- läufftigkeit nicht bedürffen/ wenn wir die Sache fein ordentlich tractiren/ und zuförderst umb ei- ne rechte Beschreibung der Gutthätigkeit be- kümmert sind; Zumahlen da ein jedweder leichte siehet/ daß die Beschreibung des Seneca allzujust nicht ist/ und daß er zwar den Unterscheid unter denen Gutthaten und denen allgemeinen Dien- sten der Leutseligkeit gewust/ aber dieselbige nicht allemahl accurat beobachtet/ niemahlen aber diese Gutthätigkeit von der sorgfältigen Gefälligkeit unterschieden. 53. so ist demnach die vertrauliche Gutthä- 54. Wir haben diese Tugend eine vertrauli- man
Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen mehr im gemeinen Leben wieder die Grund-Re-geln dieſer Tugend pfleget angeſtoſſen zu werden. Jedennoch aber werden wir einen groſſen Vor- theil fuͤr dem Seneca habẽ/ und allzugroßer Weit- laͤufftigkeit nicht beduͤrffen/ wenn wir die Sache fein ordentlich tractiren/ und zufoͤrderſt umb ei- ne rechte Beſchreibung der Gutthaͤtigkeit be- kuͤmmert ſind; Zumahlen da ein jedweder leichte ſiehet/ daß die Beſchreibung des Seneca allzujuſt nicht iſt/ und daß er zwar den Unterſcheid unter denen Gutthaten und denen allgemeinen Dien- ſten der Leutſeligkeit gewuſt/ aber dieſelbige nicht allemahl accurat beobachtet/ niemahlen aber dieſe Gutthaͤtigkeit von der ſorgfaͤltigen Gefaͤlligkeit unterſchieden. 53. ſo iſt demnach die vertrauliche Gutthaͤ- 54. Wir haben dieſe Tugend eine vertrauli- man
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Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen
mehr im gemeinen Leben wieder die Grund-Re-
geln dieſer Tugend pfleget angeſtoſſen zu werden.
Jedennoch aber werden wir einen groſſen Vor-
theil fuͤr dem Seneca habẽ/ und allzugroßer Weit-
laͤufftigkeit nicht beduͤrffen/ wenn wir die Sache
fein ordentlich tractiren/ und zufoͤrderſt umb ei-
ne rechte Beſchreibung der Gutthaͤtigkeit be-
kuͤmmert ſind; Zumahlen da ein jedweder leichte
ſiehet/ daß die Beſchreibung des Seneca allzujuſt
nicht iſt/ und daß er zwar den Unterſcheid unter
denen Gutthaten und denen allgemeinen Dien-
ſten der Leutſeligkeit gewuſt/ aber dieſelbige
nicht allemahl accurat beobachtet/ niemahlen
aber dieſe Gutthaͤtigkeit von der ſorgfaͤltigen
Gefaͤlligkeit unterſchieden.
53. ſo iſt demnach die vertrauliche Gutthaͤ-
tigkeit eine Tugend/ die den Menſchen antrei-
bet/ derjenigen Perſon/ die er durch die ſorg-
faͤltige Gefaͤlligkeit genugſam hat kennen ler-
nen und den Anfang von deren Gegen Liebe
erhalten/ zu haben verſichert iſt/ ſeine Liebe
und Vertrauen das er in ſie ſetzet/ zu bezeu-
gen bey allen ſich eꝛeignenden Gelegenheitẽ/
auch mit Verluſt ſeines Vermoͤgens und mit
ſaurer Muͤhe und Arbeit/ ohne Begehrung
einiges Endtgelds in ihrer Beduͤrffniß bey-
zuſpringen/ und ihr ein wahres Vergnuͤgen
zu geben.
54. Wir haben dieſe Tugend eine vertrauli-
che Gutthaͤtigkeit geheiſſen/ auch geſagt/ daß
man
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 284[280]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/312>, abgerufen am 04.03.2025. |