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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Liebe aller Menschen.
ausziehen. Hat er mir zuvor einen kleinen
Schimpff
erwiesen/ und ich leide es/ so wird er
mich hernach suchen gar unehrlich zu machen.
Hat er mich zuvor ein wenig geschlagen/ so wird
er hernach mich gefährlich verwunden/ oder
wohl gar das Leben nehmen. Und du schämest
dich doch nicht zu sagen: Die Gedult sey das be-
ste Mittel die Gemüths-Ruhe zu erhalten.

86.

Aber laß dir hierauff zur Antwort dienen/
daß alle diese deine Einwürffe/ ob sie gleich von
dem Beyfall der meisten Menschen unterstü-
tzet werden/ dennoch nicht vermögend sind/ die
Warheit unserer Lehre über den Hauffen zu stos-
sen/ oder nur zu bewegen/ und daß du in denensel-
ben viel Dinge wahr zu seyn ausgegeben/ die sich
in der That anders verhalten.

87.

Du hast anfänglich unter die Exempel
deiner zerstöreten Gemühts-Ruhe auch an-
gerechnet/ wenn dir einer deinen Mantel oder
Rock nähme/ wenn er dich beschimpffe/ u. s. w.
Hastu schon vergessen/ daß wir oben erwiesen ha-
ben/ es gehöre weder Reichthum noch äusser-
liche Ehre
zu der wahren Gemüths-Ruhe und
also ist die Schuld auch deine/ wenn dir dadurch
deine Gemüths-Ruhe gestöhret wird/ daß dich
der andere bis auffs Hembde ausziehet? Ziehe
ein anders an. Oder wie müstestu thun/ wenn
du so arm wärest/ daß du keines hättest?

88.

Eben dieses mustu auch bey der Be-
schimpffung
dencken. Wie müstestu thun/

wenn

Liebe aller Menſchen.
ausziehen. Hat er mir zuvor einen kleinen
Schimpff
erwieſen/ und ich leide es/ ſo wird er
mich hernach ſuchen gar unehrlich zu machen.
Hat er mich zuvor ein wenig geſchlagen/ ſo wird
er hernach mich gefaͤhrlich verwunden/ oder
wohl gar das Leben nehmen. Und du ſchaͤmeſt
dich doch nicht zu ſagen: Die Gedult ſey das be-
ſte Mittel die Gemuͤths-Ruhe zu erhalten.

86.

Aber laß dir hierauff zur Antwort dienen/
daß alle dieſe deine Einwuͤrffe/ ob ſie gleich von
dem Beyfall der meiſten Menſchen unterſtuͤ-
tzet werden/ dennoch nicht vermoͤgend ſind/ die
Warheit unſerer Lehre uͤber den Hauffen zu ſtoſ-
ſen/ oder nur zu bewegen/ und daß du in denenſel-
ben viel Dinge wahr zu ſeyn ausgegeben/ die ſich
in der That anders verhalten.

87.

Du haſt anfaͤnglich unter die Exempel
deiner zerſtoͤreten Gemuͤhts-Ruhe auch an-
gerechnet/ wenn dir einer deinen Mantel oder
Rock naͤhme/ wenn er dich beſchimpffe/ u. ſ. w.
Haſtu ſchon vergeſſen/ daß wir oben erwieſen ha-
ben/ es gehoͤre weder Reichthum noch aͤuſſer-
liche Ehre
zu der wahren Gemuͤths-Ruhe und
alſo iſt die Schuld auch deine/ wenn dir dadurch
deine Gemuͤths-Ruhe geſtoͤhret wird/ daß dich
der andere bis auffs Hembde ausziehet? Ziehe
ein anders an. Oder wie muͤſteſtu thun/ wenn
du ſo arm waͤreſt/ daß du keines haͤtteſt?

88.

Eben dieſes muſtu auch bey der Be-
ſchimpffung
dencken. Wie muͤſteſtu thun/

wenn
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[243[239]/0271] Liebe aller Menſchen. ausziehen. Hat er mir zuvor einen kleinen Schimpff erwieſen/ und ich leide es/ ſo wird er mich hernach ſuchen gar unehrlich zu machen. Hat er mich zuvor ein wenig geſchlagen/ ſo wird er hernach mich gefaͤhrlich verwunden/ oder wohl gar das Leben nehmen. Und du ſchaͤmeſt dich doch nicht zu ſagen: Die Gedult ſey das be- ſte Mittel die Gemuͤths-Ruhe zu erhalten. 86. Aber laß dir hierauff zur Antwort dienen/ daß alle dieſe deine Einwuͤrffe/ ob ſie gleich von dem Beyfall der meiſten Menſchen unterſtuͤ- tzet werden/ dennoch nicht vermoͤgend ſind/ die Warheit unſerer Lehre uͤber den Hauffen zu ſtoſ- ſen/ oder nur zu bewegen/ und daß du in denenſel- ben viel Dinge wahr zu ſeyn ausgegeben/ die ſich in der That anders verhalten. 87. Du haſt anfaͤnglich unter die Exempel deiner zerſtoͤreten Gemuͤhts-Ruhe auch an- gerechnet/ wenn dir einer deinen Mantel oder Rock naͤhme/ wenn er dich beſchimpffe/ u. ſ. w. Haſtu ſchon vergeſſen/ daß wir oben erwieſen ha- ben/ es gehoͤre weder Reichthum noch aͤuſſer- liche Ehre zu der wahren Gemuͤths-Ruhe und alſo iſt die Schuld auch deine/ wenn dir dadurch deine Gemuͤths-Ruhe geſtoͤhret wird/ daß dich der andere bis auffs Hembde ausziehet? Ziehe ein anders an. Oder wie muͤſteſtu thun/ wenn du ſo arm waͤreſt/ daß du keines haͤtteſt? 88. Eben dieſes muſtu auch bey der Be- ſchimpffung dencken. Wie muͤſteſtu thun/ wenn

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 243[239]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/271>, abgerufen am 13.11.2024.