Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 5. Hauptst. von der allgemeinen derselbigen nicht für Gutthaten oder Liebes-Dienste ausgeben kan/ sondern man würde den- jenigen/ der dieselbigen andern nicht erweisen wolte/ ob man ihn schon für keinen ungerech- ten und bestraffungs würdigen Mann schelten könte/ dennoch gewiß für einen harten/ unbarm- hertzigen Unmenschen halten. 24. So bestehet demnach der Unterscheid un- 25. Hieraus fliesset ein anderer Unterschied/ Lei-
Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen derſelbigen nicht fuͤr Gutthaten oder Liebes-Dienſte ausgeben kan/ ſondern man wuͤrde den- jenigen/ der dieſelbigen andern nicht erweiſen wolte/ ob man ihn ſchon fuͤr keinen ungerech- ten und beſtraffungs wuͤrdigen Mann ſchelten koͤnte/ dennoch gewiß fuͤr einen harten/ unbarm- hertzigen Unmenſchen halten. 24. So beſtehet demnach der Unterſcheid un- 25. Hieraus flieſſet ein anderer Unterſchied/ Lei-
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Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen
derſelbigen nicht fuͤr Gutthaten oder Liebes-
Dienſte ausgeben kan/ ſondern man wuͤrde den-
jenigen/ der dieſelbigen andern nicht erweiſen
wolte/ ob man ihn ſchon fuͤr keinen ungerech-
ten und beſtraffungs wuͤrdigen Mann ſchelten
koͤnte/ dennoch gewiß fuͤr einen harten/ unbarm-
hertzigen Unmenſchen halten.
24. So beſtehet demnach der Unterſcheid un-
ter ſolchen allgemeinen Dienſten und denen
Gutthaten nicht in der Groͤſſe oder Kleinigkeit
des Nutzens/ den die Perſon davon hat/ der man
dieſelbigen leiſtet/ ſondern bloß in denen Umb-
ſtaͤnden/ die den Geber betreffen/ ob er dieſelbi-
ge mit ſeiner Beſchwerung thue oder nicht.
Alſo wenn man einen Menſchen/ den die Fluth
an das Land geſchmiffen umbſtuͤrtzet/ daß das
Waſſer wider von ihm gehen/ und er wider zu ſich
ſelbſt kommen kan/ iſt es keine Gutthat/ ob man
ſchon dadurch einen Menſchen das Leben er-
haͤlt. Wenn man aber mit Gefahr ſeines eige-
nen Lebens in das Waſſer ſpringt den andern
zu retten/ ſo gehoͤret es billich unter die Guttha-
ten. Wiederum/ wenn ich mit Hindanſetzung
meiner noͤthigen Geſchaͤffte einem Jrrenden
den Weg zeige/ oder wenn ein armer dem an-
dern auch nur einen Scherff Allmoſen giebt/ iſt
es kein gemein officiun humanitatis, ſondern ei-
ne Gutthat.
25. Hieraus flieſſet ein anderer Unterſchied/
daß gleichwie bey der abſonderlichen Liebe aus
Lei-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 210[208]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/240>, abgerufen am 04.03.2025. |