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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 3. Hauptst. von GOtt als dem
GOtt ihm diese Mittel zwar vorgeschrieben ha-
be/ aber selbst sich nicht daran habe binden wol-
len/ und daß/ wenn er nur selbst diese Mittel
nicht muthwillig hindan gesetzt/ seine Gemüths-
Ruhe in geringsten dadurch nicht gekräncket
werde/ sondern GOtt auch mitten in der grö-
sten Verdrießligkeit ihm nicht alleine beysprin-
gen könne/ sondern auch wolle. Er suchet hier-
nächst anderer Menschen neben sich ihr wohl
seyn zu befördern/ nicht so wohl/ weil von dem
allgemeinen wohl seyn auch sein eigenes depen-
di
ret/ sondern weil er erkennet/ daß es GOtt so
haben wolle/ und ihm deshalben einen Trieb
gegeben/ daß er in andern Menschen mehr als
in sich selbst zu leben verlanget. Und dannen-
hero hält ihn die Liebe GOttes ab/ daß wenn er
gleich auff das allerheimlichste seinen eigenen
Vortheil mit seines Nechsten Schaden beför-
dern könte/ er doch solches zu thun nicht begeh-
ret/ theils weil er GOtt vertrauet/ daß er auch
ohne dem werde sein bestes befördern können/
theils weil er sich fürchtet/ seine Gemüths-Ru-
he dadurch zu verstöhren/ in dem ihm sonsten sein
Gewissen allezeit vorsagen würde/ daß er durch
eine dergleichen That wider Gottes Willen ge-
handelt/ und sich dannenhero Gottes ferneren
Liebe unwürdig gemachet habe.

70.

Ein Atheiste aber/ weil er entweder
GOtt oder die göttliche Vorsehung nicht glau-
bet/ so liebet er auch und vertrauet oder fürch-

tet

Das 3. Hauptſt. von GOtt als dem
GOtt ihm dieſe Mittel zwar vorgeſchrieben ha-
be/ aber ſelbſt ſich nicht daran habe binden wol-
len/ und daß/ wenn er nur ſelbſt dieſe Mittel
nicht muthwillig hindan geſetzt/ ſeine Gemuͤths-
Ruhe in geringſten dadurch nicht gekraͤncket
werde/ ſondern GOtt auch mitten in der groͤ-
ſten Verdrießligkeit ihm nicht alleine beyſprin-
gen koͤnne/ ſondern auch wolle. Er ſuchet hier-
naͤchſt anderer Menſchen neben ſich ihr wohl
ſeyn zu befoͤrdern/ nicht ſo wohl/ weil von dem
allgemeinen wohl ſeyn auch ſein eigenes depen-
di
ret/ ſondern weil er erkennet/ daß es GOtt ſo
haben wolle/ und ihm deshalben einen Trieb
gegeben/ daß er in andern Menſchen mehr als
in ſich ſelbſt zu leben verlanget. Und dannen-
hero haͤlt ihn die Liebe GOttes ab/ daß wenn er
gleich auff das allerheimlichſte ſeinen eigenen
Vortheil mit ſeines Nechſten Schaden befoͤr-
dern koͤnte/ er doch ſolches zu thun nicht begeh-
ret/ theils weil er GOtt vertrauet/ daß er auch
ohne dem werde ſein beſtes befoͤrdern koͤnnen/
theils weil er ſich fuͤrchtet/ ſeine Gemuͤths-Ru-
he dadurch zu verſtoͤhren/ in dem ihm ſonſten ſein
Gewiſſen allezeit vorſagen wuͤrde/ daß er durch
eine dergleichen That wider Gottes Willen ge-
handelt/ und ſich dannenhero Gottes ferneren
Liebe unwuͤrdig gemachet habe.

70.

Ein Atheiſte aber/ weil er entweder
GOtt oder die goͤttliche Vorſehung nicht glau-
bet/ ſo liebet er auch und vertrauet oder fuͤrch-

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[148/0180] Das 3. Hauptſt. von GOtt als dem GOtt ihm dieſe Mittel zwar vorgeſchrieben ha- be/ aber ſelbſt ſich nicht daran habe binden wol- len/ und daß/ wenn er nur ſelbſt dieſe Mittel nicht muthwillig hindan geſetzt/ ſeine Gemuͤths- Ruhe in geringſten dadurch nicht gekraͤncket werde/ ſondern GOtt auch mitten in der groͤ- ſten Verdrießligkeit ihm nicht alleine beyſprin- gen koͤnne/ ſondern auch wolle. Er ſuchet hier- naͤchſt anderer Menſchen neben ſich ihr wohl ſeyn zu befoͤrdern/ nicht ſo wohl/ weil von dem allgemeinen wohl ſeyn auch ſein eigenes depen- diret/ ſondern weil er erkennet/ daß es GOtt ſo haben wolle/ und ihm deshalben einen Trieb gegeben/ daß er in andern Menſchen mehr als in ſich ſelbſt zu leben verlanget. Und dannen- hero haͤlt ihn die Liebe GOttes ab/ daß wenn er gleich auff das allerheimlichſte ſeinen eigenen Vortheil mit ſeines Nechſten Schaden befoͤr- dern koͤnte/ er doch ſolches zu thun nicht begeh- ret/ theils weil er GOtt vertrauet/ daß er auch ohne dem werde ſein beſtes befoͤrdern koͤnnen/ theils weil er ſich fuͤrchtet/ ſeine Gemuͤths-Ru- he dadurch zu verſtoͤhren/ in dem ihm ſonſten ſein Gewiſſen allezeit vorſagen wuͤrde/ daß er durch eine dergleichen That wider Gottes Willen ge- handelt/ und ſich dannenhero Gottes ferneren Liebe unwuͤrdig gemachet habe. 70. Ein Atheiſte aber/ weil er entweder GOtt oder die goͤttliche Vorſehung nicht glau- bet/ ſo liebet er auch und vertrauet oder fuͤrch- tet

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/180>, abgerufen am 21.11.2024.