Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 3. Hauptst. von Gott als dem und es ist ihm auch eben so leichte/ daß er die-ses etwas wieder lasse zu nichts werden/ und al- sobald ein ander etwas an seine Stelle setze; obschon unsere Vernufft so wenig begreiffen kan/ wie solches zugehe/ als wenig sie begreiffen konte/ wie es mit der Schöpffung hergegangen sey. Genung ist es/ daß sie erkennet/ daß diese göttliche Erhaltung und augenblickliche Vor- sorge (über derer Art und Weise sie dannenhe- ro nicht weiter vergebens scrupuliret/ sondern mit einer demüthigen Ehr-Furcht dieselbe viel- mehr bewundert) nicht alleine ihr nicht zuwie- der sey/ sondern auch daß sie dererselben noth- wendigkeit zu bekennen durch diesen klaren Er- weiß gezwungen werde/ und den geringsten auch nur wahrscheinlichen Grund nicht vorbringen könne/ diese göttliche Vorsehung zu läugnen. 20. Denn obschon ihrer viel dahero an der passi-
Das 3. Hauptſt. von Gott als dem und es iſt ihm auch eben ſo leichte/ daß er die-ſes etwas wieder laſſe zu nichts werden/ und al- ſobald ein ander etwas an ſeine Stelle ſetze; obſchon unſere Vernufft ſo wenig begreiffen kan/ wie ſolches zugehe/ als wenig ſie begreiffen konte/ wie es mit der Schoͤpffung hergegangen ſey. Genung iſt es/ daß ſie erkennet/ daß dieſe goͤttliche Erhaltung und augenblickliche Vor- ſorge (uͤber derer Art und Weiſe ſie dannenhe- ro nicht weiter vergebens ſcrupuliret/ ſondern mit einer demuͤthigen Ehr-Furcht dieſelbe viel- mehr bewundert) nicht alleine ihr nicht zuwie- der ſey/ ſondern auch daß ſie dererſelben noth- wendigkeit zu bekennen durch dieſen klaren Er- weiß gezwungen werde/ und den geringſten auch nur wahrſcheinlichen Grund nicht vorbringen koͤnne/ dieſe goͤttliche Vorſehung zu laͤugnen. 20. Denn obſchon ihrer viel dahero an der paſſi-
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Das 3. Hauptſt. von Gott als dem
und es iſt ihm auch eben ſo leichte/ daß er die-
ſes etwas wieder laſſe zu nichts werden/ und al-
ſobald ein ander etwas an ſeine Stelle ſetze;
obſchon unſere Vernufft ſo wenig begreiffen
kan/ wie ſolches zugehe/ als wenig ſie begreiffen
konte/ wie es mit der Schoͤpffung hergegangen
ſey. Genung iſt es/ daß ſie erkennet/ daß dieſe
goͤttliche Erhaltung und augenblickliche Vor-
ſorge (uͤber derer Art und Weiſe ſie dannenhe-
ro nicht weiter vergebens ſcrupuliret/ ſondern
mit einer demuͤthigen Ehr-Furcht dieſelbe viel-
mehr bewundert) nicht alleine ihr nicht zuwie-
der ſey/ ſondern auch daß ſie dererſelben noth-
wendigkeit zu bekennen durch dieſen klaren Er-
weiß gezwungen werde/ und den geringſten auch
nur wahrſcheinlichen Grund nicht vorbringen
koͤnne/ dieſe goͤttliche Vorſehung zu laͤugnen.
20. Denn obſchon ihrer viel dahero an der
goͤttlichen Vorſehung zu zweiffeln Anlaß ge-
nommen/ weil es in dieſer Welt denen Tu-
gendhafften Ubel/ denen Boͤſen aber wohl
gehe/ ſo haben ſie doch gantz offenbahrlich da-
rinnen auff zweyerley Arten ſich præcipitiret/ 1.
Daß ſie die tugendhafften und laſterhafften
Leute nicht unterſchieden/ ſondern die Heuchler
und verſchmitzten Leute/ die den Schalck zu ber-
gen wiſſen oder diejenigen die ſich derer Laſter
enthalten/ die von dem Hencker geſtrafft wer-
den/ im uͤbrigen aber gantz offenbahr wohlluͤ-
ſtig/ Geld- oder Ehrgeitzig ſeyn/ vor tugendhafft-
paſſi-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/160>, abgerufen am 04.03.2025. |