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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 3. Hauptst. von Gott als dem
und von dem kleinen Kinde/ daraus hernach
ein Mann worden/ in etlichen Jahren nicht der
geringste Theil des vorigen Wesens mehr übrig
und also wiederum aus etwas nichts/ und aus
nichts etwas worden sey; obgleich dem uner-
achtet dieser Baum und dieser Mensch der Zahl
nach ein Baum und ein Mensch allezeit geblie-
ben/ nicht anders als etwan ein Mantel auff
den man immer einen Fleck nach den andern
setzt/ oder ein Schiff daß man sehr lange ge-
braucht/ und immer geflickt hat/ oder ein Volck
von 200. Jahren alt/
in welchen ihrer viel
täglich gestorben und gebohren worden/ eben der
Mantel/ das Schiff oder das Volck ist/ das es
von Anfang war/ obschon nicht ein Fleck mehr
von dem ersten Tuche/ oder kein stüch Holtz von
dem ersten Schiffe/ oder kein Mensch mehr von
denen/ die von der anfänglichen Vereinigung
des Volcks gelebet/ mehrübrig ist.

17.

Diese beyden Betrachtungen aber lei-
ten einen wahren Philosophum dahin/ daß er den
Schöpffer der veränderlichen Dinge auch zu-
gleich als einen Erhalter derselben erkennen/
und von der göttlichen Providentz seiner Ver-
nunfft nach etwas zu lallen lernet. Denn weil
die Dauerung dieser Dinge so wohl auch die
Veränderung/ die besagter Massen inihren We-
sen vorgehet/ in nichts anders beruhet/ als daß
nichts und etwas/ stetswehrend mit einander
umwechselt/ so forschet er billich/ wo denn

diese

Das 3. Hauptſt. von Gott als dem
und von dem kleinen Kinde/ daraus hernach
ein Mann worden/ in etlichen Jahren nicht der
geringſte Theil des vorigen Weſens mehr uͤbrig
und alſo wiederum aus etwas nichts/ und aus
nichts etwas worden ſey; obgleich dem uner-
achtet dieſer Baum und dieſer Menſch der Zahl
nach ein Baum und ein Menſch allezeit geblie-
ben/ nicht anders als etwan ein Mantel auff
den man immer einen Fleck nach den andern
ſetzt/ oder ein Schiff daß man ſehr lange ge-
braucht/ und immer geflickt hat/ oder ein Volck
von 200. Jahren alt/
in welchen ihrer viel
taͤglich geſtorben und gebohren worden/ eben der
Mantel/ das Schiff oder das Volck iſt/ das es
von Anfang war/ obſchon nicht ein Fleck mehr
von dem erſten Tuche/ oder kein ſtuͤch Holtz von
dem erſten Schiffe/ oder kein Menſch mehr von
denen/ die von der anfaͤnglichen Vereinigung
des Volcks gelebet/ mehruͤbrig iſt.

17.

Dieſe beyden Betrachtungen aber lei-
ten einen wahren Philoſophum dahin/ daß er den
Schoͤpffer der veraͤnderlichen Dinge auch zu-
gleich als einen Erhalter derſelben erkennen/
und von der goͤttlichen Providentz ſeiner Ver-
nunfft nach etwas zu lallen lernet. Denn weil
die Dauerung dieſer Dinge ſo wohl auch die
Veraͤnderung/ die beſagter Maſſen inihren We-
ſen vorgehet/ in nichts anders beruhet/ als daß
nichts und etwas/ ſtetswehrend mit einander
umwechſelt/ ſo forſchet er billich/ wo denn

dieſe
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[126/0158] Das 3. Hauptſt. von Gott als dem und von dem kleinen Kinde/ daraus hernach ein Mann worden/ in etlichen Jahren nicht der geringſte Theil des vorigen Weſens mehr uͤbrig und alſo wiederum aus etwas nichts/ und aus nichts etwas worden ſey; obgleich dem uner- achtet dieſer Baum und dieſer Menſch der Zahl nach ein Baum und ein Menſch allezeit geblie- ben/ nicht anders als etwan ein Mantel auff den man immer einen Fleck nach den andern ſetzt/ oder ein Schiff daß man ſehr lange ge- braucht/ und immer geflickt hat/ oder ein Volck von 200. Jahren alt/ in welchen ihrer viel taͤglich geſtorben und gebohren worden/ eben der Mantel/ das Schiff oder das Volck iſt/ das es von Anfang war/ obſchon nicht ein Fleck mehr von dem erſten Tuche/ oder kein ſtuͤch Holtz von dem erſten Schiffe/ oder kein Menſch mehr von denen/ die von der anfaͤnglichen Vereinigung des Volcks gelebet/ mehruͤbrig iſt. 17. Dieſe beyden Betrachtungen aber lei- ten einen wahren Philoſophum dahin/ daß er den Schoͤpffer der veraͤnderlichen Dinge auch zu- gleich als einen Erhalter derſelben erkennen/ und von der goͤttlichen Providentz ſeiner Ver- nunfft nach etwas zu lallen lernet. Denn weil die Dauerung dieſer Dinge ſo wohl auch die Veraͤnderung/ die beſagter Maſſen inihren We- ſen vorgehet/ in nichts anders beruhet/ als daß nichts und etwas/ ſtetswehrend mit einander umwechſelt/ ſo forſchet er billich/ wo denn dieſe

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/158>, abgerufen am 13.11.2024.