Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Glückseeligkeit des Menschen. müths-Ruhe nennen/ nenne es eine Wollustoder Vergnügen der Seelen/ oder eine ver- nünfftige Liebe/ oder die Vereinigung zwey- er sich liebenden Seelen/ oder die Bemü- hung der geliebten Person alles gutes zu thun/ und gar für sie zu sterben; oder die Un- terdrückung oder Austilgung der das Ge- müth verunruhigenden Bewegungen. Jch wil wegen keines von diesen einen Streit mit dir anfangen/ Nur mercke/ daß wenn du nicht al- les dieses was du bisher genennet beysammen hast/ sondern nur eines davon vermissest/ du auch die wahre Glückseeligkeit unmöglich besitzen kön- nest/ sondern daß du dir/ wenn du dich eines an- dern bereden wilst/ damit vergebens schmei- chelst. 88. Wir müssen uns aber nun auch zu der 89. Denn
Gluͤckſeeligkeit des Menſchen. muͤths-Ruhe nennen/ nenne es eine Wolluſtoder Vergnuͤgen der Seelen/ oder eine ver- nuͤnfftige Liebe/ oder die Vereinigung zwey- er ſich liebenden Seelen/ oder die Bemuͤ- hung der geliebten Perſon alles gutes zu thun/ und gar fuͤr ſie zu ſterben; oder die Un- terdruͤckung oder Austilgung der das Ge- muͤth verunruhigenden Bewegungen. Jch wil wegen keines von dieſen einen Streit mit dir anfangen/ Nur mercke/ daß wenn du nicht al- les dieſes was du bisher genennet beyſammen haſt/ ſondern nur eines davon vermiſſeſt/ du auch die wahre Gluͤckſeeligkeit unmoͤglich beſitzen koͤn- neſt/ ſondern daß du dir/ wenn du dich eines an- dern bereden wilſt/ damit vergebens ſchmei- chelſt. 88. Wir muͤſſen uns aber nun auch zu der 89. Denn
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0127" n="73[95]"/><fw place="top" type="header">Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.</fw><lb/> muͤths-Ruhe nennen/ nenne es eine Wolluſt<lb/> oder <hi rendition="#fr">Vergnuͤgen der Seelen/</hi> oder eine <hi rendition="#fr">ver-<lb/> nuͤnfftige Liebe/</hi> oder <hi rendition="#fr">die Vereinigung zwey-<lb/> er ſich liebenden Seelen/</hi> oder <hi rendition="#fr">die Bemuͤ-<lb/> hung der geliebten Perſon alles gutes zu<lb/> thun/</hi> und gar fuͤr ſie zu ſterben; oder die <hi rendition="#fr">Un-<lb/> terdruͤckung oder Austilgung der das Ge-<lb/> muͤth verunruhigenden Bewegungen.</hi> Jch<lb/> wil wegen keines von dieſen einen Streit mit dir<lb/> anfangen/ Nur mercke/ daß wenn du nicht al-<lb/> les dieſes was du bisher genennet beyſammen<lb/> haſt/ ſondern nur eines davon vermiſſeſt/ du auch<lb/> die wahre Gluͤckſeeligkeit unmoͤglich beſitzen koͤn-<lb/> neſt/ ſondern daß du dir/ wenn du dich eines an-<lb/> dern bereden wilſt/ damit vergebens ſchmei-<lb/> chelſt.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>88.</head> <p>Wir muͤſſen uns aber nun auch <hi rendition="#fr">zu der<lb/> andern Bedentung</hi> der groͤſten Gluͤckſeelig-<lb/> keit wenden/ ſo ferne dieſelbige in Betrachtung<lb/> ihrer <hi rendition="#fr">Vollkommenheit</hi> genommen wird; und<lb/> heiſſet ſo dann die groͤſte Gluͤckſeeligkeit des<lb/> Menſchen entweder <hi rendition="#fr">dasjenige Gut/ welches<lb/> alle ſo wohl noͤtige als uͤberfluͤßige Stuͤcke<lb/> und Zierrathen der Gemuͤths-Ruhe in ſei-<lb/> nen Begriff</hi> haͤlt/ oder die <hi rendition="#fr">Gemuͤths-Ruhe<lb/> nur mit allen weſentlichen dahin gehoͤrigen<lb/> Guͤtern</hi> ohne welche dieſelbe nicht beſtehen<lb/> kan/ ohne Betrachtung derer menſchlichen Guͤ-<lb/> ter/ die nur <hi rendition="#fr">noͤthige</hi> Stuͤcke oder bloſſe <hi rendition="#fr">Zier-<lb/> rathen ſeyn.</hi></p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">89. Denn</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [73[95]/0127]
Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.
muͤths-Ruhe nennen/ nenne es eine Wolluſt
oder Vergnuͤgen der Seelen/ oder eine ver-
nuͤnfftige Liebe/ oder die Vereinigung zwey-
er ſich liebenden Seelen/ oder die Bemuͤ-
hung der geliebten Perſon alles gutes zu
thun/ und gar fuͤr ſie zu ſterben; oder die Un-
terdruͤckung oder Austilgung der das Ge-
muͤth verunruhigenden Bewegungen. Jch
wil wegen keines von dieſen einen Streit mit dir
anfangen/ Nur mercke/ daß wenn du nicht al-
les dieſes was du bisher genennet beyſammen
haſt/ ſondern nur eines davon vermiſſeſt/ du auch
die wahre Gluͤckſeeligkeit unmoͤglich beſitzen koͤn-
neſt/ ſondern daß du dir/ wenn du dich eines an-
dern bereden wilſt/ damit vergebens ſchmei-
chelſt.
88. Wir muͤſſen uns aber nun auch zu der
andern Bedentung der groͤſten Gluͤckſeelig-
keit wenden/ ſo ferne dieſelbige in Betrachtung
ihrer Vollkommenheit genommen wird; und
heiſſet ſo dann die groͤſte Gluͤckſeeligkeit des
Menſchen entweder dasjenige Gut/ welches
alle ſo wohl noͤtige als uͤberfluͤßige Stuͤcke
und Zierrathen der Gemuͤths-Ruhe in ſei-
nen Begriff haͤlt/ oder die Gemuͤths-Ruhe
nur mit allen weſentlichen dahin gehoͤrigen
Guͤtern ohne welche dieſelbe nicht beſtehen
kan/ ohne Betrachtung derer menſchlichen Guͤ-
ter/ die nur noͤthige Stuͤcke oder bloſſe Zier-
rathen ſeyn.
89. Denn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |